Im Juni 2025 wurde die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG von der britischen Finanzaufsichtsbehörde Financial Reporting Council (FRC) wegen erheblicher Verstöße gegen die Unabhängigkeitsregeln im Rahmen der Prüfung von Carr’s Group hart bestraft. Die Geldstrafe beläuft sich auf 1,25 Millionen Pfund (ca. 1,69 Millionen US-Dollar), eine der höchsten Sanktionen, die der Regulator in letzter Zeit gegen ein Prüferunternehmen verhängt hat. Die vorliegenden Verstöße betreffen die Abschlussprüfung des Jahres 2021, die KPMG mit seinem Engagementpartner Nick Plumb führte. Carr’s Group ist ein marktrelevanter Anbieter von Landwirtschafts- und Maschinenprodukten.
Die Entscheidungen der FRC unterstreichen die Bedeutung der Einhaltung von ethischen Standards in der Wirtschaftsprüfung – eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen von Kapitalmarktteilnehmern in die Integrität von Finanzberichten. Entscheidend bei dem Fall waren mehrere Umstände, die Zweifel an der Unabhängigkeit von KPMG als Prüfer aufkommen ließen. Ein wesentliches Problem war die starke Abhängigkeit von der Arbeit einer weiteren Prüfgesellschaft, die in der Unterlagen mit „Firm X“ bezeichnet wird. Diese Firma hatte die Prüfung bei Carr’s Group über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren getragen. Die britischen regulatorischen Vorgaben beschränken die Dauer, über die eine einzelne Prüfungsgesellschaft ein Mandat verantworten darf, um eine objektive Beurteilung der Finanzlage sicherzustellen.
Eine zu lange Bindung an denselben Prüfer kann Interessenkonflikte begünstigen und die notwendige kritische Distanz einschränken. Darüber hinaus erbrachte Firm X auch spezifische Steuer- und Beratungsleistungen für eine mit Carr’s Group verbundene Gesellschaft. Dies führte zu weiteren Bedenken hinsichtlich der Unabhängigkeit, da solche Zusatzleistungen potenziell die Objektivität der Prüfungen beeinträchtigen können. Der Umstand, dass KPMG bei seiner Abschlussprüfung im Jahr 2021 immer noch auf die Arbeit von Firm X vertraute, widersprach damit den geltenden Regeln zur Sicherstellung der Unabhängigkeit des Prüfers. Die FRC stellte in ihrer Schlussfolgerung klar heraus, dass diese Konstellation eine Verletzung der ethischen Grundsätze darstellt, die Wirtschaftsprüfer einhalten müssen.
Trotz der inhaltlichen Qualität der durchgeführten Prüfungsleistungen gingen aus Sicht der Aufsichtsbehörde die Verstöße an die Substanz des Prüfungsprozesses und untergruben das notwendige Vertrauen in das Ergebnis. Ferner wurde die Rolle des KPMG-Prüfungspartners Nick Plumb kritisch bewertet. Seine zu lange Amtszeit als verantwortlicher Partner verschärfte die Integritätsprobleme zusätzlich. Die Formulierung der Regulierungsbehörde verweist darauf, dass langjährige Verantwortlichkeiten bei ein und demselben Mandat zur Gefahr von Vertrautheiten führen können, die das kritische Hinterfragen vermindern. Die fehlende angemessene Kontrolle und die versäumte Untersuchung der Faktenlage seitens KPMG und Plumb offenbarten eine grundlegende Nachlässigkeit bei der Überwachung der Einhaltung von Relevantvorschriften.
Jamie Symington, stellvertretender leitender Rechtsberater der FRC, hob die essenzielle Rolle der Unabhängigkeit in der Wirtschaftsprüfung hervor. Er betonte, dass es unabdingbar sei, dass die Adressaten von Abschlussprüfungen eine verlässliche und objektive Meinungsbildung erwarten dürfen. Gerade beim Rückgriff auf die Arbeit anderer Prüffirmen müsse die leitende Prüfungsfirma sicherstellen, dass deren Unabhängigkeit ebenfalls nicht beeinträchtigt ist. Die Feststellungen der FRC machen deutlich, dass KPMG in dieser Verantwortung versagt hat. Symington stellte fest, dass die aufgedeckten Verstöße grundsätzlicher Natur seien und grundlegende Pflichten verletzt hätten, die zum Schutz der Integrität des Prüfungsberufs dienen.
Die Sanktion gegen KPMG zeigt exemplarisch, wie regulatorische Aufsichtsbehörden mit Verstößen gegen interne Compliance-Richtlinien und ethische Standards bei großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften umgehen. Weltweit befinden sich Prüfungsunternehmen immer stärker in der öffentlichen und regulatorischen Beobachtung. Fälle wie dieser illustrieren die Konsequenzen, wenn Unternehmen die wichtigsten Grundsätze der Unabhängigkeit und Objektivität nicht ausreichend gewährleisten. Diese Faktoren sind für die Glaubwürdigkeit von geprüften Abschlüssen unverzichtbar, damit Anleger und andere Stakeholder fundierte Entscheidungen treffen können. Die Prüfung großer Konzerne mit komplexen Strukturen und internationalen Verflechtungen erfordert von Prüfern erhöhte Aufmerksamkeit und Sorgfalt.
Transparenz, rotierende Prüfungsteams, das Vermeiden von Interessenkonflikten und konsequente Einhaltung ethischer Richtlinien sind wichtige Elemente, um Missstände frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. In diesem Kontext wird auch die Praxis der Rotation bei Prüfungsgesellschaften und verantwortlichen Partnern als zulässiges Instrument zur Wahrung der Unabhängigkeit angesehen. Die Erfahrung bei Carr’s Group zeigt, dass es zwingend notwendig ist, diese Anforderungen strikt zu befolgen und keine Abstriche bei der Integrität zu machen. Das Aufdecken und Sanktionieren von Verstößen ist für die Industrie ein Signal, dass Selbstkontrolle und regulatorische Überprüfung keine Formalitäten sind, sondern tatsächliche Auswirkungen auf Reputation und wirtschaftliche Auswirkungen haben. KPMG wird die notwenigen internen Anpassungen vornehmen müssen, um zukünftig derartige Mängel zu verhindern und das Vertrauen in ihre Prüfungsleistungen wiederherzustellen.
Für die gesamte Wirtschaftsprüfungsbranche sind solche Fälle Wegweiser für strengere Compliance-Kulturen und mehr Verantwortungsbewusstsein. Es bleibt abzuwarten, wie KPMG nach diesem Vorfall seine Prüfungsstrategie und Kontrollmechanismen verändert. Zudem stehen regulatorische Reformen im Raum, die längere Bindungen an Prüfer weiter einschränken und eine erhöhte Unabhängigkeit durch weitere Rotation und Verschärfung von Beratungstätigkeiten erzwingen könnten. Unternehmen wie Carr’s Group sind ebenfalls gefordert, bei der Auswahl ihrer Prüfgesellschaften und Dienstleistungen verstärkt auf die Einhaltung von Standards zu achten, um regulatorische Risiken zu minimieren. Insgesamt repräsentiert der Fall KPMG und Carr’s Group eine wichtige Lehre für die Finanzwelt, wie essenziell Unabhängigkeit und Ethik in der Wirtschaftsprüfung sind.
Die Glaubwürdigkeit von Finanzinformationen als Grundlage für Investitionen und Markttransparenz hängt maßgeblich davon ab, dass Prüfer ihre Pflichten verantwortungsvoll und objektiv wahrnehmen. Das Urteil der FRC sendet ein klares Signal: Verstöße gegen diese Prinzipien werden konsequent verfolgt und geahndet.