Seit Jahrzehnten beschäftigt sich die Wissenschaft mit einer tiefgründigen Frage: Wie schnell dehnt sich unser Universum tatsächlich aus? Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend für unser Verständnis von Kosmologie, der Entstehung von Galaxien und der Zukunft des Kosmos. Bis vor Kurzem herrschte eine bemerkenswerte Uneinigkeit zwischen zwei Hauptmethoden zur Bestimmung der sogenannten Hubble-Konstanten – der Zahl, die angibt, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Doch nun bringt das James Webb Weltraumteleskop (JWST), das im Jahr 2021 gestartet wurde, dank seiner beispiellosen Beobachtungskapazitäten frischen Wind in dieses komplexe Thema und könnte das Rätsel endlich lösen. Die Debatte um die Expansionsrate des Universums stand lange Zeit im Raum, weil unterschiedliche Messmethoden zu widersprüchlichen Ergebnissen führten. Einerseits gibt es Messungen, die auf der Analyse kosmischer Mikrowellenhintergrundstrahlung beruhen – jenem schwachen Nachleuchten des Urknalls, das uns eine Momentaufnahme des frühen Universums liefert.
Diese Methode – unter anderem vom Planck-Satelliten durchgeführt – liefert eine Expansionsrate von etwa 67,4 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Andererseits haben Astronomen durch Beobachtung entfernter explodierender Sterne, sogenannter Supernovae, und anderer Sternarten Werte um etwa 73 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec gemessen. Diese Diskrepanz gab nicht nur Rätsel auf, sondern stellte auch die Grundlagen der modernen Kosmologie infrage. Sollten beide Werte korrekt sein, müsste das gängige Standardmodell um dunkle Materie, dunkle Energie und andere kosmologische Parameter grundlegend überarbeitet werden. Genau hier hat das James Webb Teleskop nun eine Schlüsselrolle übernommen.
Seine hochentwickelten Infrarotinstrumente ermöglichen es, weit entfernte Galaxien und deren Sterne präziser und schärfer zu beobachten als jedes andere Teleskop zuvor. Das ist besonders wichtig, denn zahlreiche Faktoren wie kosmischer Staub und geringe Helligkeit erschwerten bisher genaue Messungen. Das Team um die renommierte Astrophysikerin Professor Wendy Freedman von der Universität Chicago hat mithilfe von Webb eine neue Berechnung der Expansionsrate vorgenommen. Dabei wurde die Stichprobe der untersuchten Galaxien und Sternarten signifikant erweitert, was die statistische Grundlage der Messungen verbesserte. Webb kann einzelne Sterne innerhalb von Galaxien identifizieren und so unter anderem auf Roten Riesen und Kohlenstoffsternen basierende Entfernungen bestimmen.
Die Beobachtungen zeigten, dass die früheren höheren Werte der Hubble-Konstante nun auf etwa 70,4 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec gesunken sind – und damit erstaunlich nahe an die kosmische Mikrowellenhintergrundmessung heranrücken. Diese Annäherung bedeutet, dass die zuvor beobachteten Differenzen möglicherweise auf technische und methodische Grenzen zurückzuführen sind und nicht auf fundamentale Fehler im kosmologischen Modell. Das stärkt das Vertrauen in unser Verständnis, wie das Universum funktioniert, zumindest nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Die Fähigkeit von Webb, durch kosmischen Staub hindurchzusehen und extrem empfindliche Helligkeitsmessungen vorzunehmen, ermöglicht präzisere Entfernungsmessungen zu weit entfernten Objekten. Denn je genauer man die Entfernung kennt, desto besser lässt sich bestimmen, wie schnell sich diese Galaxien von uns entfernen.
Dies wiederum verbessert die Berechnung der Expansionsrate erheblich. Die Entdeckung ist sowohl ein Triumph für das James Webb Teleskop als auch für die Kosmologie insgesamt. Denn es zeigt sich, dass das Standardmodell des Universums mit seinen Annahmen zu dunkler Materie und dunkler Energie bisher standgehalten hat. Das bedeutet aber nicht, dass wir vor weiteren Überraschungen gefeit sind. Vielmehr eröffnet diese Übereinstimmung neue Möglichkeiten, andere Komponenten des Universums noch gezielter zu erforschen.
Die Bedeutung dieser Entdeckung reicht über die Behebung einer Streitfrage hinaus. Sie liefert eine solide Basis, auf der zukünftige Forschung aufbauen kann, etwa bezüglich der Natur von dunkler Materie und dunkler Energie – zwei der größten rätselhaften Bestandteile unseres Kosmos, die noch immer weitgehend unverstanden sind. Darüber hinaus hat das Webb Teleskop weitere wissenschaftliche Ziele, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden. So plant Freedmans Team beispielsweise, die sogenannte Coma-Galaxienhaufen genauer unter die Lupe zu nehmen. Diese Beobachtungen sind besonders spannend, weil sie die Möglichkeit bieten, die Hubble-Konstante direkt zu messen, ohne auf Supernovae als Zwischenstufe angewiesen zu sein.
Solche direkten Messungen könnten in Zukunft die präzise kosmologische Modellierung weiter verbessern und helfen, verbleibende Unsicherheiten auszuräumen. Die Kosmologie bewegt sich also in eine neue Ära der Präzision, angetrieben von dem beispiellosen Potential des James Webb Weltraumteleskops. Gerade die Kombination aus Hubble- und Webb-Daten hat den Durchbruch möglich gemacht. Während Hubble seit 30 Jahren mit faszinierenden Bildern und Messungen beeindruckt hat, bringt Webb durch seine größere Empfindlichkeit und höhere Auflösung neue Sichtweisen, mit denen sich manche langwierige Fragen nun lösen lassen. Abschließend lässt sich festhalten, dass das James Webb Teleskop nicht nur unser Bild des Universums erweitert, sondern auch fundamentale Fragen zur Natur und Entwicklung des Kosmos beantwortet.
Es gibt wichtige Belege dafür, dass die Diskrepanz bei den Expansionsraten überwunden wurde – ein Meilenstein, der neue Perspektiven für die Erforschung des Universums schafft. Gleichzeitig wächst das Interesse an weiteren Untersuchungen und neuen Theorien, welche die Rolle der Dunklen Energie noch besser erklären oder womöglich revolutionäre Erkenntnisse über das Wesen der Raumzeit liefern könnten. Wissenschaftler weltweit blicken gespannt auf die nächsten Daten und Analysen, denn die Reise zum Verständnis unseres Universums ist damit erst richtig in Fahrt gekommen. In den kommenden Jahren wird Webb sicher noch viele weitere Geheimnisse lüften und unser kosmisches Wissen auf ein neues Niveau heben – ein spannender Ausblick für alle, die den Sternenhimmel mit Forscheraugen betrachten.