Die amerikanische Wissenschaft steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte. Die jüngsten Vorschläge des US-Haushalts für 2026 sehen massive Einsparungen bei nahezu allen Wissenschaftsförderungen vor. Diese drastischen Kürzungen betreffen die wichtigsten staatlichen Institutionen, die Forschung und Entwicklung finanzieren, darunter die National Institutes of Health (NIH), die National Science Foundation (NSF) und andere zentrale Akteure. Die derzeitigen Maßnahmen könnten die Rolle der USA als führende Wissenschaftsnation ernsthaft untergraben und weitreichende negative Effekte auf Bildungswege, technologische Innovationen und die globale Wettbewerbsfähigkeit haben. Gleichzeitig reagiert die wissenschaftliche Führung relativ zurückhaltend, was die Dringlichkeit der Situation nicht verbessert.
Die fundamentalen Einschnitte wirken sich in vielen Bereichen der Forschung aus. So droht die Halbierung der Finanzmittel für Planetenwissenschaften bei der NASA zur Einstellung wichtiger Missionen wie dem Mars Sample Return, einem hoch innovativen Programm zur Probenrückführung vom Mars. Auch andere wichtige astrophysikalische Projekte, die wertvolle Daten liefern, sollen gestrichen werden. Die Halbierung des Budgets der National Science Foundation bedeutet, dass zahlreiche Forschungsgebiete von massiven Kürzungen betroffen sind. Biologie, Ingenieurwissenschaften und Bildungsprogramme verlieren über 70 Prozent ihrer Mittel, während Computerwissenschaften, Mathematik, Physik sowie Sozial- und Verhaltenswissenschaften um mehr als 60 Prozent gekürzt werden.
Internationale Kooperationen stehen sogar vor Einschnitten von bis zu 80 Prozent. Die Konsequenzen dieser Budgetkürzungen sind dramatisch: Die Grants, die Forscher für ihre Projekte beantragen, haben künftig nur noch eine Förderwahrscheinlichkeit von etwa sieben Prozent, gegenüber vorher bereits geringen 26 Prozent. Dies führt nicht nur zu einem enormen Verlust an Forschungsaktivitäten, sondern auch zur Demotivation von Wissenschaftlern und dem Abwandern von Talenten ins Ausland, wo Förderungen stabiler sind. Die Unterstützung zur breiteren Teilhabe in der Wissenschaft wird zudem fast komplett eingestellt, wodurch bereits unterrepräsentierte Gruppen noch stärker benachteiligt werden. Ein weiterer Aspekt ist die Vernachlässigung wichtiger wissenschaftlicher Infrastrukturen.
Die Flotte von Forschungsschiffen, die für Meereswissenschaften unverzichtbar sind, wird nur noch teilweise finanziert oder ganz aufgegeben. Wichtige Instrumente wie einer der beiden LIGO-Detektoren für Gravitationswellenmessungen sollen abgeschaltet werden, was eine Rückentwicklung bei der Erforschung kosmischer Phänomene bedeutet. Die Unterstützung für Großinstrumente des Large Hadron Collider wird ebenfalls stark reduziert, was den Fortschritt in der Teilchenphysik behindert. Ein bedeutendes Projekt wie das Thirty Meter Telescope, das für die astronomische Forschung von entscheidender Bedeutung ist, wird gestrichen. Die Einstellung des Zugangs zu wichtigen Teleskopen in Arizona und Chile verschärft das Bild weiter.
Bei den Gesundheitsbehörden sind die Auswirkungen ebenso gravierend. Der NIH droht eine Kürzung um mehr als 40 Prozent. Die geplante Umstrukturierung mit der Zusammenlegung der 19 eigenständigen Institute auf nur noch acht wird wohl zu kuriosen Bündelungen führen, die die tägliche Arbeit erschweren werden – etwa wenn Zahnmedizin und Augenforschung im selben Institut zusammengelegt werden. Auch die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die Food and Drug Administration (FDA) sind von deutlichen Einschnitten bedroht, was im schlimmsten Fall die öffentliche Gesundheit und Krankheitsprävention beeinträchtigen könnte. Darüber hinaus trifft es die energiespezifischen Forschungsbereiche hart.
Programme für erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie sollen komplett gestrichen werden. Auch bedeutende Zukunftstechnologien wie Wasserstofftechnologien und Brennstoffzellen verlieren ihre Finanzierung. Damit wird die Energiewende blockiert und die USA riskieren, gegenüber anderen Nationen technologisch ins Hintertreffen zu geraten. Während Projekte zur fossilen und nuklearen Energie leichter verschont bleiben, wird die nachhaltige Energieentwicklung praktisch zum Erliegen gebracht. Diese Entwicklung steht in einem Widerspruch zum globalen Kontext, in dem Wissenschaft und Technologie immer stärker als Wettbewerbsfaktoren von strategischer Bedeutung sind.
Länder wie China erhöhen ihre Forschungsmittel kontinuierlich und nähern sich geschätzt auf Augenhöhe mit den USA. Das Risiko, dass die USA die wissenschaftliche Führungsposition verlieren, steigt damit erheblich. Die Folgen wären nicht nur ökonomisch, sondern auch geopolitisch spürbar, da Innovationen zunehmend über die Zukunftsfähigkeit von Volkswirtschaften entscheiden. Auch auf der Bildungsseite führt die Misere zu dramatischen Konsequenzen. Kürzungen betreffen alle Stufen der Ausbildung im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik).
Nachwuchswissenschaftler erhalten weniger Förderungen, Forschungslabore an Universitäten werden geschlossen oder erhalten keine ausreichende Mittel mehr. Dies beeinträchtigt nicht nur die Entwicklung von Fachkräften, sondern hemmt auch die Anziehungskraft der USA als Wissenschaftsstandort. Talente wandern vermehrt ins Ausland ab, wo bessere Arbeitsbedingungen und verlässlichere Finanzierung herrschen. Die wissenschaftlichen Vereinigungen und Führungspersönlichkeiten befinden sich in einer schwierigen Position. So bot die Veranstaltung „State of the Science“ der National Academies of Sciences eine Plattform, um die Entwicklungen zu beleuchten und politische Impulse zu geben.
Doch der Fokus lag überraschenderweise auf Entwicklungen der Vergangenheit und längeren Zeiträumen, während die unmittelbar drohenden Krisenszenarien unter der aktuellen Regierung weitgehend ausgeblendet wurden. Die Präsidentin der National Academy, Marcia McNutt, sprach von einem „radikalen Experiment“ mit der Konkurrenz zwischen den USA als „Versuchsgruppe“ und China als „Kontrollgruppe“, ging aber kaum auf die praktischen Folgen der geplanten Kürzungen ein. Es wurde zudem kaum thematisiert, dass die wissenschaftliche Autorität und das Vertrauen öffentlich zunehmend unter Druck geraten, gerade in politischen Lagern, die wissenschaftliche Erkenntnisse teilweise ablehnen oder infrage stellen. Die Verantwortung, dieses Vertrauen zurückzugewinnen, wurde vor allem den Wissenschaftlern selbst zugeschrieben, ohne die politischen Parteien, die durch Desinformation und Skepsis das Klima verschärfen, explizit zu benennen. Eine der wenigen Stimmen, die klare Worte fand, war Heather Wilson, Präsidentin der University of Texas in El Paso und ehemalige Regierungspolitikerin.
Sie kritisierte stark die Kürzungen für Förderprogramme für unterrepräsentierte Gruppen und machte deutlich, dass Talent überall vorhanden, Chancen aber ungerecht verteilt seien. Wilson rief die National Academies auf, ihrer traditionellen Rolle als Verteidiger der Wahrheit und Förderer der Wissenschaft wieder gerecht zu werden – eine Rolle, die in Zeiten politischer Unsicherheiten wichtiger denn je ist. Besorgniserregend ist außerdem, dass trotz der historischen Bedeutung der US-Wissenschaft für die nationale Wirtschaft, Sicherheit und das globale Prestige, politische Gremien bislang keine eindeutige Kehrtwende in der Budgetpolitik zeigen. Das Repräsentantenhaus hat die Prioritäten der aktuellen Regierung größtenteils übernommen; der Senat zeigte sich zuletzt in dieser Legislaturperiode ebenfalls wenig widerständig gegenüber fragwürdigen Personalentscheidungen und radikalen Kürzungsvorhaben. Die Kombination aus dramatischen finanziellen Einschnitten, politischer Ignoranz und zaghaftem wissenschaftlichem Widerstand schafft eine neue Realität für die Forschung in den Vereinigten Staaten.