Podcasts haben sich in den letzten Jahren zu einer der beliebtesten Formen digitaler Medien entwickelt. Sie bieten eine einzigartige Möglichkeit, Inhalte zu konsumieren – unterwegs, beim Sport oder einfach nebenbei. Die Branche floriert dank eines offenen Ökosystems, das auf dem RSS-Standard beruht, der es unabhängigen Anbietern und Kreativen ermöglicht, ihre Inhalte frei zu verbreiten, zu monetarisieren und zu kontrollieren. Doch diese Freiheit steht nun möglicherweise auf dem Spiel, denn immer mehr Hörer nutzen YouTube als primäre Plattform für Podcasts. Wie der Podcast Movement Evolutions Kongress im Frühjahr 2025 in Chicago zeigte, diskutieren Experten und Branchenvertreter intensiv über die Rolle von YouTube in der Zukunft des Podcastings.
Aktuell geben etwa 41 Prozent der Nutzer an, YouTube als hauptsächliche Quelle für Podcasts zu verwenden. Diese Entwicklung wird von vielen gefeiert, doch es gibt auch deutliche Warnzeichen und Bedenken. Die Frage lautet: Wäre eine Verschiebung hin zu YouTube als dominanter Plattform der Anfang vom Ende der offenen Podcast-Branche? Der Kern des Erfolgs der Podcast-Branche beruhte bislang auf ihrem offenen Charakter. RSS, ein offener Webstandard, ermöglicht es Kreativen, ihre Audioinhalte außerhalb einer einzigen Plattform zu hosten und zu verbreiten. Dadurch entsteht ein dezentrales System, in dem niemand die Hoheit über den gesamten Podcast-Markt besitzt.
Große Akteure wie Apple, Spotify oder Amazon bauen zwar eigene Dienste auf RSS-Feeds, doch können sie nie das gesamte Ökosystem kontrollieren. Dieses offene System hat zahllose kleine und mittlere Unternehmen hervorgebracht, die sich auf Nischen spezialisiert haben: Hosting-Anbieter, Analyse-Dienste, Werbevermittler und Produktionsagenturen. Sie profitieren von einer Vielfalt an Anbietern und haben jeweils besondere Angebote entwickelt, um Kreative und Hörer optimal zu unterstützen. Doch wenn YouTube als größte Plattform die Oberhand gewinnt, droht eine Monopolisierung, die all diese Unternehmen gefährden könnte. Ein historischer Blick hilft, die Risiken zu verstehen.
Anfang der 2010er Jahre ermutigte Facebook Unternehmen, ihre Webpräsenzen auf Facebook-Seiten zu verlegen. Für eine Zeit lang ermöglichte Facebook enorme Reichweiten und kostenlosen Zugang zu Kunden. Doch als die Plattform genutzt und ‘‘besetzt‘‘ war, verschlechterte sich der organische Zugang; Unternehmen mussten für bezahlte Werbung tief in die Tasche greifen, um weiterhin ihre Zielgruppen zu erreichen. Dieses Phänomen wird als ‘‘Enshitification‘‘ bezeichnet – eine Phase, in der Plattformen sich von anfänglicher Großzügigkeit hin zu erzwungener Monetarisierung entwickeln. YouTube teilt viele dieser Eigenschaften.
Die Plattform bietet freie Hosting-Dienste, ein mächtiges Empfehlungs- und Suchalgorithmus-System sowie Monetarisierungsmöglichkeiten durch Werbung und Premium-Dienste. Für Podcast-Schöpfer ist die Aussicht auf ein größeres Publikum verlockend. Doch wenn YouTube die Hörer und Produzenten bindet, könnte die Kontrolle über Reichweite, Inhalt und Einnahmen verloren gehen, da die Abhängigkeit von einem einzigen, profitorientierten Unternehmen zunimmt. Abgesehen von den wirtschaftlichen und strukturellen Bedenken steht auch die Qualität und die Natur der Inhalte auf dem Spiel. Podcasts sind im Kern ein Medium für tiefe, reflektierte Gespräche und langes Zuhören.
Sie bieten eine Flucht aus dem schnellen, oberflächlichen Konsum, der Videos mit schnellen Bildwechseln und kurzen Clips dominiert. Viele Experten heben hervor, dass Podcasts einen wertvollen Gegenpol zur sogenannten Aufmerksamkeitsökonomie darstellen, die soziale Medien und Video-Plattformen prägt. Ein weiterer entscheidender Vorteil von Podcasts gegenüber Videoformaten ist die Multitasking-Fähigkeit. Audio lässt sich beim Autofahren, Sport machen oder Hausarbeiten hören – Tätigkeiten, bei denen visuelle Medien nicht konsumiert werden können. Diese einzigartige Nutzersituation trägt maßgeblich zur Popularität und zum Engagement der Podcast-Zielgruppe bei.
Allerdings ist die Podcast-Landschaft auch heute noch vergleichsweise übersichtlich. Während es auf YouTube Millionen von Kanälen gibt, existieren derzeit rund 460.000 aktive Podcasts. Für neue Podcaster besteht damit ein großes Potenzial, mit eigenen, spezialisierten Inhalten neue Zielgruppen zu gewinnen. Die offene RSS-basierte Infrastruktur bietet hier viele Chancen, innovativ zu sein und Inhalte unabhängig von den Einschränkungen großer Plattformen zu verbreiten.
Die Antwort auf die Herausforderungen durch YouTube sollte nicht in der Abwehr der Videoplattform liegen, sondern im Stärken der individuellen und offenen Aspekte von Podcasts. Podcaster und die gesamte Branche müssen besser darin werden, den Mehrwert des Podcastings aktiv zu kommunizieren und zu fördern. Lösungen könnten darin bestehen, leistungsfähigere, intelligente Podcast-Apps zu entwickeln, die den Hörern ein besseres Entdeckungs- und Nutzererlebnis bieten. Zudem können Initiativen wie Podcasting 2.0 und die Podcast Standards Project wichtige Innovationen vorantreiben.
Diese setzen unter anderem auf Funktionen wie Kapitelmarken, automatische Transkriptionen, und offene Monetarisierungsmethoden, bei denen die Schöpfer direkt von ihrer Hörerschaft unterstützt werden können. Allein diese offenen Systeme erlauben ein „Fließen“ von Verbesserungen über alle Anbieter hinweg – ganz im Gegensatz zu Plattformen, die Entwicklungen ausschließlich auf sich beschränken. Die Zukunft des Podcastings wird davon abhängen, ob es gelingt, den unabhängigen Geist dieser Medienform zu bewahren. Es geht also nicht nur um den Erhalt wirtschaftlicher Strukturen, sondern um eine Form digitaler Gesellschaft, die auf offener Kommunikation und freiem Zugang zu Inhalten basiert. Wenn Podcasting diese Werte aufgibt, könnte es schnell zu einem weiteren Spielball großer Tech-Konzerne werden, die ihre Algorithmen zu Gunsten des Profits steuern.