Amazon Web Services (AWS), einer der weltweit größten Cloud-Anbieter, hat eine wichtige Neuauflage seines Customer Carbon Footprint Tool (CCFT) veröffentlicht. Das Tool, das darauf abzielt, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihren CO2-Fußabdruck zu erfassen und zu reduzieren, wurde ursprünglich 2022 vorgestellt, hatte aber mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Im Vergleich zu Wettbewerbern wie Google Cloud und Microsoft Azure galt AWS bisher als nachlässig in Sachen umweltbezogener Transparenz und Nutzerfreundlichkeit. Jetzt trifft AWS mit der jüngsten Überarbeitung des Tools wichtige Änderungen, die die Nutzererfahrung verbessern und die Genauigkeit der Daten erhöhen sollen. Die Neuentwicklung des CCFT ist dabei mehr als nur ein technisches Update – sie signalisiert eine strategische Hinwendung zum Thema Nachhaltigkeit und eine Anerkennung dafür, wie wichtig Umweltbewusstsein im modernen Cloud-Geschäft ist.
Der Ursprung und die Herausforderungen des ersten CCFT Das ursprüngliche Customer Carbon Footprint Tool wurde von einem Team innerhalb der AWS-Energieorganisation konzipiert. Ziel war es, Kunden eine einfache Übersicht über die durch Nutzung von AWS-Diensten verursachten CO2-Emissionen zu bieten. Allerdings fehlte den Entwicklern die Erfahrung mit Kundenprodukten. Die Folge waren technische und konzeptionelle Schwächen. Das Tool erschien mit einer stark vereinfachten Datendarstellung, die auf groben Schätzungen beruhte – Emissionswerte wurden gerundet, und es gab kaum Möglichkeiten, die Daten für Analysen herunterzuladen oder zu exportieren.
Damit war das Tool für viele Unternehmen kaum nützlich, um fundierte Entscheidungen zur CO2-Reduktion zu treffen. Zudem fehlten wichtige Funktionalitäten wie die differenzierte Betrachtung der Emissionen auf Service-Ebene oder eine regionale Aufschlüsselung der Daten. Insbesondere diese fehlende Granularität erschwerte es, gezielte Optimierungen durchzuführen. Die mangelnde Transparenz bei Datenquellen und Methodik führte zu Kritik seitens Experten und Umweltaktivisten. Neustart unter neuer Leitung und verbesserte Funktionen Seit Anfang 2024 arbeitet das neue Team unter der Leitung von Alexis Bateman engagiert daran, die Defizite zu beheben.
Ziel ist es, das CCFT als ein praktisches Werkzeug zu positionieren, das den Anforderungen moderner Unternehmen gerecht wird, die ihre Cloud-Umweltauswirkungen besser verstehen und verringern möchten. Die Überarbeitung umfasst technologische Verbesserungen ebenso wie eine verbesserte Methodik für die Berechnung von Emissionen. Ein entscheidender Fortschritt liegt in der Einführung regionaler Daten. Bislang konnten Kunden nur aggregierte Werte auf geografischer Ebene abrufen, was eine echte Vergleichbarkeit erschwerte. Nun ist es möglich, Emissionen differenziert für einzelne AWS-Regionen wie Dublin oder US-East-1 einzusehen.
Diese Detailtiefe erlaubt es Unternehmen, ihre Workloads besser in umweltfreundliche Regionen zu verlagern und so ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Neu ist außerdem, dass Daten nun in verschiedenen Formaten exportierbar sind, darunter CSV und Parquet. Das erhöht die Nutzbarkeit für Datenanalysen erheblich. Gleichzeitig wurde die Auflösung der Daten feinjustiert, sodass jetzt mit Gramm statt vorher nur mit 100-Kilogramm-Schritten gearbeitet wird. Unveränderte und weiterhin fehlende Features Trotz der Verbesserungen bleiben wesentliche Bereiche unberührt oder unzureichend umgesetzt.
So unterbleibt derzeit eine detaillierte Aufschlüsselung des CO2-Fußabdrucks auf Ebene einzelner AWS-Services außerhalb der groben Klassifikationen. Nur EC2 (Elastic Compute Cloud) und S3 (Simple Storage Service) werden einzeln ausgewiesen; alle anderen Leistungen werden unter „Sonstige“ zusammengefasst, was eine wirkliche Feinanalyse erschwert. Noch schwerwiegender ist das Fehlen von umfassenden Scope-3-Emissionen, also der indirekten Emissionen entlang der gesamten Lieferkette. AWS hat zwar eine öffentliche Verpflichtung abgegeben, diese künftig zu berichten, bislang ist dies aber nicht geschehen. Außerdem liefert das Tool weiterhin nur Markt-basierte Emissionsdaten und nicht standortbasierte, was bedeutet, dass die Daten nicht die tatsächliche lokale Umwelteinwirkung des Energieverbrauchs widerspiegeln.
Eine neue, unabhängige Methodik als Basis für die Berechnung Eine der spannendsten Neuerungen ist die Einführung einer neuen, extern geprüften Methodik für die Emissionsberechnung. Diese berücksichtigt nun auch nicht genutzte Kapazitäten innerhalb von AWS-Regionen, die anteilig auf alle Kunden umgelegt werden. So wird etwa eine ungenutzte Serverleistung von 30 % als Anteil von „Overhead“ mitgerechnet und prozentual an die Nutzer verteilt. Dadurch spiegelt sich der tatsächliche Ressourcenverbrauch präziser wider – ein Ansatz, der bislang bei Cloud-Providern einzigartig ist. Diese Methode orientiert sich stärker an traditionellen Konzepten der Rechenzentrumsbewertung, bei denen auch ungenutzte Kapazitäten als Emissionstreiber gelten.
Darüber hinaus wird der Carbon Footprint jetzt detaillierter zwischen AWS-Kunden und den internen Teams von Amazon aufgeteilt, um transparent darzustellen, wie viele Emissionen von welchen Nutzern verursacht werden. Das umfasst auch Infrastrukturkomponenten wie Netzwerkgeräte und neue Rechenzentrumsregionen. Scope 1 und 2 Emissionen werden dabei nach den Standards des Greenhouse Gas Protocol gemessen, das als Branchenmaßstab gilt. Scope 1 beinhaltet direkte Emissionen wie Verbrennung fossiler Brennstoffe vor Ort, während Scope 2 indirekte Emissionen aus dem Stromverbrauch darstellt. Die wichtigsten Umwelteinheiten werden in metrischen Tonnen CO2-Äquivalenten (MTCO2e) gemessen, die verschiedenartige Treibhausgase in eine vergleichbare Einheit umwandeln.
Wettbewerb und Vergleich zu anderen Cloud-Anbietern Im Vergleich zu Google Cloud und Microsoft Azure hinkt AWS noch hinterher. Google Cloud bietet etwa bereits umfassendere Standortdaten in Verbindung mit Marktoptionen und deckt auch Scope 3 Emissionen mit Benutzer-Tools ab, die sogar projektbasierte Analysen erlauben. Azure hält ebenfalls detaillierte Daten bereit und verfügt über Werkzeuge zur granularen Analyse von Emissionen auf Service- und Regionalebene. Die aktuelle Version des AWS CCFT ist vor allem für finanzielle Abteilungen nützlich, die CO2-Zertifikate erwerben und gegenüber Behörden oder Investoren berichten wollen. Für technische Teams, die ihre Workloads auf Basis von Emissionsdaten optimieren und umweltfreundlicher gestalten möchten, bleibt das Tool in seiner Aussagekraft begrenzt.
Zukunftsvisionen: Echtzeitdaten und Standards für Cloud-Umweltmetriken Ein langfristiges Ziel in der Cloud-Nachhaltigkeitswelt ist die Verfügbarkeit von Echtzeit-CO2-Daten, ähnlich wie es CPU- oder Speicherauslastungsmetriken heute sind. Konzepte wie das Kubernetes-basierte Open Source Projekt Kepler setzen hier an. Kepler nutzt erweiterte Linux-Technologien (eBPF), um den Energieverbrauch von Containern direkt zu messen und diesen als Prometheus-Metriken bereitzustellen. Dies erlaubt eine wesentlich granulare und dynamischere Darstellung des Energieverbrauchs von Cloud Workloads. Zusätzlich läuft mit dem Real Time Energy and Carbon Standard for Cloud Providers ein weiteres Projekt, das von Experten wie Adrian Cockcroft von AWS mitinitiiert wurde.
Ziel ist es, einheitliche Metadatenformate einzuführen, die jährliche sowie tägliche Umweltdaten zu Cloud-Regionen über verschiedene Anbieter hinweg konsistent zusammenführen und somit Transparenz und Vergleichbarkeit verbessern. Die FinOps Foundation unterstützt darüber hinaus Standards für Cloud-Abrechnungen (FOCUS), die eine nachhaltige Erweiterung um Umweltdaten anstreben. Wenn AWS und andere Cloud-Anbieter in diesem Standard mitziehen, könnten Kunden zukünftig eine konsolidierte, nachvollziehbare Metrikensammlung erhalten, die es erlaubt, belastbare Entscheidungen zur emissionsarmen Cloud-Nutzung zu treffen. Fazit: Ein Schritt nach vorne mit noch offenem Weg Die Wiederbelebung und Überarbeitung des AWS Customer Carbon Footprint Tool ist ein dringend benötigter Schritt in die richtige Richtung. Das Tool liefert nun aussagekräftigere Daten, insbesondere dank der regionalen Aufschlüsselung und der deutlich verbesserten Methodik.
Dennoch bleibt das Angebot im Vergleich zu anderen führenden Cloud-Anbietern hinter den Erwartungen zurück, insbesondere was die Granularität, die Berücksichtigung von Scope-3-Emissionen und die Echtzeit-Verfügbarkeit von Daten betrifft. Für Unternehmen, die auf Cloud-Nutzung Wert auf Umweltverträglichkeit legen, bleibt das AWS CCFT insofern ein Werkzeug, das Komplexität reduziert, aber selten ausreichende Detailtiefe für technische Optimierungen liefert. Die Zukunft wird zeigen, ob AWS die öffentliche Verpflichtung zur Erweiterung um Scope-3-Emissionsdaten und weiterführende Tools erfüllt und ob sich der Anbieter im globalen Wettbewerb um nachhaltige Cloud-Dienstleistungen besser positionieren kann. Auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Cloud-Nutzung ist Transparenz das A und O. Der Ausbau der carbon footprint Tools, offene Standards und die Entwicklung von Echtzeit-Monitoring-Lösungen versprechen, Unternehmen künftig präzisere Entscheidungsgrundlagen zu liefern.
Das stärkt nicht nur das Umweltengagement der Unternehmen, sondern unterstützt auch regulatorische Anforderungen und stärkt das Vertrauen der Kunden in nachhaltige IT-Services. AWS hat mit dem neuen CCFT die Basis geschaffen, auf der sich in den kommenden Jahren eine umfassendere Nachhaltigkeitsstrategie aufbauen lässt – ein Schritt, der auf lange Sicht nicht nur der Umwelt, sondern auch dem Geschäftserfolg nutzt.