Die Übernahme von 23andMe durch Regeneron Pharmaceuticals markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte des bekannten genetischen Testunternehmens. 23andMe, das einst mit einer Bewertung von sechs Milliarden US-Dollar an die Börse ging, hatte im März 2025 Insolvenz angemeldet. Nur wenige Monate später wurde das Unternehmen für 256 Millionen US-Dollar von Regeneron gekauft – einem Biotechnologiekonzern mit einer Marktkapitalisierung von über 64 Milliarden US-Dollar. Diese Entwicklung lässt sowohl auf eine Erholung als auch auf eine strategische Neuausrichtung hoffen. 23andMe hatte einst den Markt für genetische Selbsttests revolutioniert und Millionen von Menschen ermöglicht, mehr über ihre Herkunft und ihre genetische Veranlagung zu erfahren.
Doch der anfängliche Enthusiasmus ließ schnell nach. Die Nutzerzahlen stagnierten, nachdem viele Kunden nach dem ersten Ahnen-Test keine weiteren Dienstleistungen in Anspruch nahmen. Diese sogenannte „One-and-Done“-Mentalität stellte die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells infrage und führte letztlich zu finanziellen Problemen. Ein massiver Rückschlag für 23andMe war der Datenbruch im Jahr 2023, bei dem Informationen von rund 6,9 Millionen Nutzern kompromittiert wurden. Der Vorfall führte nicht nur zu erheblichen Vertrauensverlusten bei den Kunden, sondern auch zu einem steilen Kursverfall der Aktie.
Zwischen 2021 und November 2024 verlor die Aktie fast 98 Prozent ihres Werts. Die Situation spitzte sich zu, als das Unternehmen im Zuge der Insolvenz 2025 zahlreiche Mitarbeiter entließ und die Entwicklung neuer Therapien stoppte. Die Übernahme durch Regeneron hat aus mehreren Gründen eine strategische Bedeutung. Regeneron ist ein weltweit führender Biotech-Konzern, der innovative Technologien einsetzt, um Antikörper und Therapien für verschiedene schwerwiegende Krankheiten wie Krebs, Augenleiden, neurologische und kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln. Durch die Akquisition kann Regeneron den Zugang zu den großen genetischen Datenbeständen von 23andMe nutzen, um Forschung und Entwicklung im Bereich personalisierter Medizin zu beschleunigen.
Dieser Schritt folgt einer bereits im Februar 2024 angekündigten Absicht von 23andMe, Nutzerdaten vermehrt an Pharmaunternehmen zu verkaufen. Etwa 85 Prozent der Nutzer hatten zuvor zugestimmt, ihre genetischen Informationen für medizinische Forschungen freizugeben, was diesen Geschäftsansatz stützte. Dennoch steht der Umgang mit sensiblen genetischen Daten weiterhin im Zentrum der Debatte – vor allem im Lichte der Datenschutzpannen und der damit verbundenen Kongressuntersuchungen im Jahr 2025. Co-Gründerin Anne Wojcicki hatte früh erkannt, dass der künftige Erfolg von 23andMe nicht allein im Verkauf von Tests, sondern vielmehr in der Monetarisierung der genetischen Daten liegen würde. Trotz mehrerer Versuche, das Unternehmen in private Hände zu überführen, und trotz ihres Rücktritts als CEO im März 2025, konnte 23andMe die notwendigen finanziellen und strategischen Weichen bisher nicht erfolgreich stellen.
Neben dem Kerngeschäft wird die Tochtergesellschaft Lemonaid, die Telemedizin-Dienstleistungen anbot, nicht Teil der Übernahme durch Regeneron sein und soll eingestellt werden. Regeneron hat jedoch betont, dass sie die bestehenden Datenschutzrichtlinien von 23andMe einhalten wird und plant, das Unternehmen als eine ganzheitliche Tochtergesellschaft weiterzuführen. Für viele Beobachter signalisiert die Übernahme eine Verschiebung von rein konsumorientierten Gentests hin zu einem stärker forschungs- und therapieorientierten Ansatz. Die Verknüpfung großer Datenbestände mit biotechnologischer Expertise könnte bahnbrechende Ergebnisse in der personalisierten Medizin hervorbringen. Gleichzeitig bleiben jedoch Fragen bezüglich Nutzerrechten, Datenschutz und ethischer Verwendung genetischer Daten offen und müssen adressiert werden.