Victoria’s Secret, eine der bekanntesten Marken im Bereich Damenunterwäsche und Beauty, befindet sich derzeit in einer strategisch herausfordernden Situation. Die internationale Investmentgruppe BBRC International, geführt vom australischen Unternehmer Brett Blundy, hat in den letzten Monaten ihren Anteil an Victoria’s Secret auf nunmehr 13 Prozent aufgestockt. Dies führte dazu, dass das Unternehmen eine sogenannte Giftpille, im Fachjargon als Shareholder Rights Plan bekannt, einführte, um eine feindliche Übernahme zu verhindern. Dieses Instrument soll Victoria’s Secret vor einer feindlichen Übernahme schützen und die Interessen aller Aktionäre wahren. Der Schritt verdeutlicht auch die zunehmende Bedeutung von aktiven Investoren und deren Einfluss auf große börsennotierte Gesellschaften im Einzelhandelssektor.
Die Giftpille ist ein gängiges Abwehrmittel, das es Unternehmen ermöglicht, dem Erwerber die Beteiligung zu erschweren oder finanziell unattraktiv zu machen, wenn dieser eine bestimmte Schwelle an Aktienbesitz überschreitet. Im Falle von Victoria’s Secret liegt diese Schwelle bei 15 Prozent. Sollte ein Investor diese Grenze überschreiten, dürfen die anderen Aktionäre Aktien zum halben Preis erwerben, was die Übernahme für den Investor deutlich verteuert und erschwert. Damit setzt Victoria’s Secret ein deutliches Signal an Brett Blundys BBRC, dass der Erwerb einer Kontrollmehrheit nicht ohne eine entsprechende Prämie oder Verhandlungen möglich ist. BBRC ist kein unbekanntes Gesicht in der Welt der Investitionen, gerade im Einzelhandel.
Das Unternehmen hat in der Vergangenheit mehrfach umfangreiche Anteile an Einzelhandelsfirmen übernommen und mitunter aktive Eingriffe in deren Geschäftsstrategien vorgenommen. Mit über 40 Jahren Erfahrung hat sich BBRC einen Ruf als schneller und entschlossener Investor erarbeitet, der seine Entscheidungen vertraulich trifft. Die jüngsten Entwicklungen bei Victoria’s Secret zeigen, dass BBRC nun versucht, seine bisher passive Rolle zu verlassen und eine aktivere Kontrolle über das Unternehmen anzustreben. Seit Februar 2024 wurde das Engagement verstärkt und der Anteil weiter aufgestockt. Interessanterweise berichtete Victoria’s Secret, dass BBRC gegen US-Wettbewerbsrecht verstoßen habe, weil die erforderlichen Meldungen nach dem Hart-Scott-Rodino Act nicht fristgerecht eingereicht wurden.
Nachdem BBRC dies „korrigierte“, könnte das Unternehmen bis zu 49,99 Prozent der Aktien übernehmen, sofern die regulatorische Wartefrist endet, was Ende Mai 2025 erwartet wird. Die Dynamik dieser Entwicklungen spiegelt sich auch in den Aktienkursen wider. Die Aufnahme der Giftpille löste eine leichte Kurssteigerung aus, da Anleger die Maßnahme als Signal werten, dass das Management in der Lage ist, die Kontrolle über das Unternehmen zu behalten und aggressive Übernahmeversuche abzuwehren. Die gesamte Situation ist ein Paradebeispiel für das Spannungsfeld zwischen traditionellen Unternehmensführungen und aktivistischen Investoren, die oft erheblichen Einfluss auf Wertpapiermärkte und strategische Entscheidungen ausüben. Victoria’s Secret befindet sich aktuell in einer Parallelphase wichtiger Veränderungen.
Das Unternehmen hat unter der Führung seiner neuen CEO Hillary Super nicht nur strategische Neuausrichtungen vorgenommen, sondern auch neue Führungskräfte eingesetzt, die die Vision einer stärkeren und modernisierten Marke vorantreiben sollen. Die aktuellen Herausforderungen im makroökonomischen Umfeld, einschließlich Handelszöllen für China, belasten zusätzlich die operative Ergebnisentwicklung, doch das Management bleibt entschlossen, langfristiges Wachstum zu sichern und das volle Potenzial der Marke zu entfalten. Das Engagement von BBRC wird durchaus zwiespältig betrachtet. Einerseits bringt der Investor bedeutende Kapitalstärke und eine Auftragserfahrung mit, die beim Aufbau globaler Marken und Produktlinien hilfreich sein können. Andererseits hat BBRC die Reputation, bevorzugt die Kontrolle zu übernehmen und strategische Richtungen grundlegend zu beeinflussen, was insbesondere für etablierte Unternehmen durchaus problematisch sein kann.
Victoria’s Secret hat sich dieser Herausforderung durch die Giftpille wirksam entgegengestellt. Durch den Shareholder Rights Plan wird ein strategischer Schutzmechanismus implementiert, der Zeit und Verhandlungsraum verschafft. Dies ermöglicht es dem Management, in Ruhe an den bestehenden Transformationszielen zu arbeiten und gleichzeitig die Unterstützung der übrigen Aktionäre zu sichern. Die Entscheidung für die Giftpille ist keine Leichtfertigkeit. Es handelt sich um eine weitreichende wehrhafte Maßnahme, die in der Öffentlichkeit und unter Investoren oft kontrovers diskutiert wird.