In den letzten Jahren hat sich China zu einer der stärksten Finanzmächte weltweit etabliert, insbesondere in Bezug auf seine Rolle als Kreditgeber für zahlreiche Entwicklungsländer. Während der Boom der chinesischen Kreditvergabe mit dem ambitionierten Belt and Road Initiative (BRI) begann, sehen wir heute, dass China nicht mehr nur aktiv Kredite vergibt, sondern auch der größte Gläubiger dieser Länder geworden ist. Diese Veränderung beeinflusst nicht nur die wirtschaftliche Stabilität der Entwicklungsländer, sondern wirft auch Fragen zu globaler Macht, geopolitischer Strategie und nachhaltiger Entwicklungsförderung auf. Der Aufstieg Chinas als größter Schuldner-Gläubiger in aufstrebenden Volkswirtschaften ist das Ergebnis einer Kombination aus jahrzehntelangen Investitionen und einem strategisch bewussten Ausbau von Infrastrukturprojekten in Regionen wie Afrika, Asien, Südamerika und dem pazifischen Raum. Über Institutionen wie die staatliche China Export Import Bank und zunehmend auch kommerzielle chinesische Kreditgeber wurden gigantische Summen in neue Häfen, Eisenbahnen, Straßen und Energieprojekte investiert, um Wachstum zu fördern – und gleichzeitig den Einfluss Pekings auf internationaler Ebene auszubauen.
Trotz des immensen Ausmaßes dieses Engagements hat China seine Kreditvergabe in den letzten Jahren jedoch drastisch eingeschränkt. Gründe hierfür sind steigende Risiken durch nicht zurückbezahlte Kredite, global wirtschaftliche Unsicherheiten und teilweise auch interne politische Strategien, die eine striktere Regulierung und Rückforderung unbezahlter Schulden fordern. Die Folge dieser Kehrtwende ist ein bisher kaum beachteter Wandel: China wird mehr und mehr zum größten Schuldeneintreiber in Entwicklungsländern. Die Konsequenzen dieses Wandels sind komplex und vielschichtig. Für viele verschuldete Staaten bedeutet die Verpflichtung, hohe Schulden zurückzuzahlen, oft eine erhebliche Belastung ihrer Haushalte.
Steuermittel, die eigentlich für Infrastruktur, Bildung, Gesundheitsversorgung oder soziale Sicherung vorgesehen sind, werden für Schuldendienstleistungen aufgewendet. Länder wie Sri Lanka, Kenia, Pakistan, Sambia und Laos stehen exemplarisch für diese Situation, in der Schuldenzahlungen die Entwicklung stark behindern und den sozialen Frieden gefährden können. Besonders kritisch wirkt sich diese Entwicklung auf ärmere und wirtschaftlich fragile Länder aus. Hier führt der zunehmende Druck durch chinesische Gläubiger zu Spannungen, politischen Gegenreaktionen und in manchen Fällen sogar zu einer Verschlechterung der Beziehungen zu China. Beispiele aus dem ostafrikanischen Raum verdeutlichen, wie Staaten in Wahlkampagnen gegen die wahrgenommene Dominanz Pekings agieren und dies die lokale politische Landschaft beeinflusst.
Ein damals von China finanzierter Eisenbahnstreckenabschnitt in Kenia wurde etwa als Symbol von Korruption und Missmanagement kritisiert und war im Kontext der Wahl ein zentrales Thema. Ein weiterer Aspekt ist die Frage der Schuldenstruktur. Während westliche Förderungen häufig als Zuschüsse gewährt werden, setzt China vor allem auf Kredite mit klar definierten Rückzahlungs- und Zinssätzen. Diese unmittelbarere Form der Finanzierung birgt Risiken, insbesondere im Hinblick auf die Fristen der Rückzahlung und den Mangel an abgestimmter Schuldenerleichterung. Die Anfang der 2020er Jahre auslaufenden Karenzzeiten für viele chinesische Kredite erhöhen den Druck auf die Haushalte der betroffenen Länder und stellen ihre politische Handlungsfähigkeit infrage.
Darüber hinaus ist die Rolle der strategisch bedeutsamen Rohstoffvorkommen zu nennen. Länder wie die Demokratische Republik Kongo mit ihren wichtigen Batteriemetallen wie Lithium und Nickel behalten trotz des allgemeinen Rückgangs chinesischer Kreditvergabe eine Sonderstellung. Pekings Interesse an diesen Ressourcen hält eine stabile, wenn auch complex strukturierte Wirtschaftsbeziehung aufrecht und beeinflusst die Wahl der Kreditpolitik. Chinas Wandel vom aktiven Kreditgeber zum größten Schuldeneintreiber stellt daher einen Paradigmenwechsel dar, der nicht nur wirtschaftliche, sondern insbesondere auch geopolitische Implikationen hat. Die Art und Weise, wie China mit den Rückforderungen umgeht, wie flexibel oder starr die Bedingungen gestaltet sind und in welchem Maß internationale Kooperationen zur Entlastung beitragen, kann langfristig die globale Entwicklungspolitik neu definieren.
Internationale Beobachter und Experten betonen, dass sich China inzwischen in einem Lernprozess befinde, der darauf abzielt, das Risiko von Zahlungsausfällen zu minimieren und zugleich Schuldner nicht zu überfordern. Der Begriff des "Schuldenfallen-Diplomatie", der in der Vergangenheit häufig verwendet wurde, um Pekings Vorgehen zu kritisieren, wird von einigen Analysten als zu einseitig gesehen. Stattdessen gelte es, die wirtschaftlichen, politischen und kommerziellen Interessen differenzierter zu betrachten und die wachsende Bedeutung kommerzieller Banken in China zu berücksichtigen. Dennoch ist klar, dass ohne koordinierte internationale Hilfsmaßnahmen und eine ernsthafte Entlastung der Haushalte der am meisten gefährdeten Entwicklungsländer sich die Situation zuspitzen wird. Die weltweiten Herausforderungen wie steigende Rohstoffpreise, reduzierte Hilfszahlungen aus westlichen Ländern und protektionistische Handelsstrategien verschärfen die Probleme zusätzlich.