San Francisco, einst das Paradebeispiel für Progressive Politik und liberale Werte, befindet sich im Zentrum einer politischen Neuausrichtung, die von den mächtigsten Akteuren der Technologiebranche vorangetrieben wird. Eine Gruppe von Tech-Milliardären und einflussreichen Unternehmern träumen davon, die Stadt an der Bucht tiefgreifend zu verändern und eine rechtskonservative politische Agenda durchzusetzen, die sich fundamental von dem unterscheidet, was viele Bürger bisher kannten. Diese Bewegung, die bereits jetzt sichtbare Spuren hinterlässt, wirft Fragen über die Zukunft der Stadt, ihre politische Ausrichtung und die Rolle von Geld und Macht in der lokalen Demokratie auf. Angeführt wird diese neue Welle von Personen wie Garry Tan, dem CEO von Y Combinator. Tan ist nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein besonders aktiver und polariserender Akteur in der lokalen Politik.
Seine öffentliche Präsenz, insbesondere in den sozialen Medien, ist geprägt von Ausschreitungen gegen progressive Politiker, die er für die sozialen und sicherheitspolitischen Probleme der Stadt verantwortlich macht. Seine Angriffe gegen Stadträte sind dabei derart heftig, dass Tan mehrmals unter großem öffentlichen Druck Stellung beziehen und sein Verhalten entschuldigen musste. Die politische Agenda, die Garry Tan und seine Verbündeten verfolgen, gleicht einem republikanischen Programm, das auf eine Rückkehr zu härteren Strafverfolgungsmaßnahmen und einem stärker militarisierten Stadtbild abzielt. Sie fordern unter anderem mehr Polizeibudget, Abschaffung oder zumindest Rücknahme von Reformen im Strafjustizsystem sowie eine rigorose Bekämpfung von Drogenkonsum und Obdachlosigkeit – bevorzugt durch Inhaftierung statt durch Präventions- oder Hilfsprogramme wie Harm Reduction, die in San Francisco bislang eine wichtige Rolle spielten. Ein besonders kontroverses Element dieser politischen Ausrichtung ist die Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen.
Die Tech-Elite setzt sich für den Ausbau umfassender Videoüberwachungssysteme ein, die ihre Überwachungskapazitäten massiv erhöhen würden. Gleichzeitig sind Bekämpfung von Subventionen für Drogenabhängige und eine harte „War on Drugs“-Politik zentraler Bestandteil ihres Programms. Diese Politik steht in starkem Gegensatz zu den bisher vorherrschenden progressiven Ansätzen in San Francisco und wird von vielen als Rückschritt empfundener liberaler Errungenschaften gesehen. Ein Kernbestandteil des Plans ist dabei der Versuch, die kommunalen Machtstrukturen zu übernehmen und die gewählten progressiven Führungspersönlichkeiten auszutauschen oder zu marginalisieren. Garry Tan und Unterstützer seines Lagers investieren Millionen in lokale Wahlkampagnen und mobilisieren tech-fokussierte Interessengruppen, um eine Art Gegenmacht herzustellen.
Dabei versuchen sie, so genannte parallele Institutionen aufzubauen – alternative Medien, Schulen und gemeinnützige Organisationen – die ihr politisches Narrativ verbreiten und die Werte konservativer Tech-Eliten stärken sollen. Dabei stützt sich diese Bewegung auf ein Netzwerk von Persönlichkeiten, die tief in der Tech-Industrie verwurzelt sind und oftmals kontroverse, teils rechtspopulistische Positionen vertreten. Zu ihnen zählen bekannte Investoren und Unternehmer wie Peter Thiel, David Sacks oder Joe Lonsdale. Diese Figuren agieren oft über Schnittstellen zwischen Technologieunternehmen, politischen Kampagnen und einflussreichen Denkfabriken. Ihre Strategien erinnern an ein Ausbreiten eines „Mirror Worlds“, in dem etablierte gesellschaftliche und politische Strukturen mithilfe technologischer und finanzieller Mittel auf den Kopf gestellt werden – eine Art Schattenwelt, die bestehende Institutionen kopiert und gleichzeitig ideologisch umkehrt.
Die Ideologie hinter dieser Bewegung wird unterschiedlich beschrieben. Einige sprechen von „Techno-Optimismus“, geprägt von starkem Glauben an unbegrenzte Freiheit in den digitalen Medien, eine skeptische Haltung gegenüber politischen und gesellschaftlichen Konsensen, sowie die Ablehnung von Diversity- und Gleichstellungsmaßnahmen. Andere Journalisten kritisieren dieses Weltbild als eine Form von „technoautoritärem“ Denken, das autoritäre Tendenzen mit technologischer Kontrolle kombiniert. In jedem Fall ist es ein mächtiges Potenzial, da es von reichen, oft weiß-männlichen Führungspersönlichkeiten in der Technologiebranche getragen wird, die über enorme finanzielle Ressourcen verfügen. Das politische Klima in San Francisco ist über Jahrzehnte hinweg durch ein starkes progressives Engagement geprägt gewesen, das sich für soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz und liberale Freiheitsrechte einsetzt.
Dennoch gab und gibt es auch Herausforderungen, die manche Bewohner als Beweis für eine gescheiterte Politik ansehen. Probleme wie Obdachlosigkeit, wachsende Kriminalität und eine angespannte Wohnraumsituation geben Kritikern der aktuellen Führung Antrieb und Argumente. Die Tech-Elite nutzt diese Stimmungslage, um ihre konservativen Reformvorschläge zu untermauern und politischen Einfluss zu gewinnen. Allerdings ist der Weg zu einer tiefgreifenden politischen Umgestaltung der Stadt keineswegs vorgezeichnet. San Francisco besitzt eine lebendige politische Basis, die sich weiterhin für progressive Ziele einsetzt und stärkeren Widerstand gegen rechtsgerichtete Bestrebungen zeigt.
Die politischen Netzwerke hier sind dicht verwoben, und Wahlen werden nicht nur durch Geld, sondern durch starke Gemeinschaften und überzeugende politische Programme entschieden. Das zeigt sich darin, dass vergangene Versuche von Business-geführten Kampagnen, die progressive Ausrichtung der Stadt zu brechen, nicht immer erfolgreich waren. Der Ton und die Methoden einiger der Tech-Akteure sorgen zudem für eine Gegenreaktion. Garry Tans beleidigende Ausbrüche auf Social-Media-Plattformen, wo er mehrfach sogar Todeswünsche gegen gewählte Vertreter äußerte, führten zu scharfer Kritik und beleuchteten die oft aggressive Stimmung hinter den Kulissen. Solche Vorfälle werfen auch ein schlechtes Licht auf die Bewegung und zeigen die Bruchlinien, die zwischen konservativen Tech-Milliardären und der bestehenden politischen Kultur San Franciscos verlaufen.
Trotz dieser Konflikte bleibt klar, dass die neue Tech-Elite eine nicht zu unterschätzende Rolle in der künftigen politischen Landschaft der Stadt spielen wird. Mit einem geplanten Investment von bis zu 15 Millionen US-Dollar in lokale Wahlkampagnen und durch die Nutzung ihrer Vorherrschaft in digitalen Medien, versuchen diese Akteure, die Kontrolle über die politischen Institutionen der Stadt zu erlangen und ihren Einfluss zunehmend zu festigen. Dies wirft wichtige Fragen für die demokratische Teilhabe in San Francisco auf: Welche Rolle spielen reiche Unternehmer in der Gestaltung öffentlicher Politik? Wie kann eine Gesellschaft verhindern, dass wirtschaftliche Macht politische Macht ersetzt? Und wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen technologischer Innovation und sozialer Verantwortung in einem urbanen Umfeld, das gleichzeitig weltbekannt für seine liberale Politik ist? Die Entwicklungen in San Francisco sind auch ein Spiegelbild größerer gesellschaftlicher Trends in den Vereinigten Staaten, wo technische Innovationen und wirtschaftliche Macht immer mehr in politische Einflussnahme münden. Diese Dynamik zeigt sich nicht nur in der Metropole Kaliforniens, sondern findet ihre Entsprechungen in ganzen Regionen, in denen Konzerninteressen und politische Ideologien eng verflochten sind. Garry Tan, Elon Musk, Peter Thiel und ihre Verbündeten stehen für eine neue Art Politaktivismus, die technologische Kontrolle, finanzielle Übermacht und eine konservative Agenda miteinander verbindet.
Sie propagieren eine Rückkehr zu strikten Sicherheitsmaßnahmen, eine harte Drogenpolitik und die Digitalisierung und Überwachung als Werkzeuge zur Stadtgestaltung. Damit hinterfragen sie tiefgehend die bisherigen Vorstellungen von einer offenen, vielfältigen und fortschrittlichen Metropole. Wie sich diese Auseinandersetzungen künftig entwickeln, bleibt spannend. San Francisco befindet sich an einem Scheideweg zwischen bewahrender Progressivität und einer rechtsgerichteten Transformation, die von technologischer Elite und plutokratischen Interessen angetrieben wird. Die kommenden Jahre werden zeigen, wer letztlich die Oberhand gewinnt – ob die Einwohner der Stadt ihre liberalen Wurzeln bewahren oder ob sich eine neue politische Ordnung unter dem Einfluss der Tech-Oligarchen durchsetzt.
Es ist ein Kampf um die Seele einer der ikonischsten Städte der Welt, dessen Ausgang weit über San Francisco hinaus Signale an andere politische Zentren und Gesellschaften senden wird.