Oswald der Glückliche Hase, auch bekannt als Oswald the Lucky Rabbit, gehört zu den bedeutendsten, aber oft weniger beachteten Figuren der Animationsgeschichte. Sein Schöpferduo, bestehend aus Walt Disney und Ub Iwerks, führte Oswald 1927 als neuen animierten Charakter für Universal Pictures ein und revolutionierte damit die Welt des Zeichentrickfilms. Der Charakter war ein Meilenstein, der nicht nur die Entwicklung von Zeichentricktechniken beeinflusste, sondern auch als Vorläufer der bekanntesten Disney-Figur überhaupt, Mickey Mouse, gilt. Die Entstehungsgeschichte von Oswald ist eng mit den Anfängen des Disney-Studios verbunden. Nachdem Walt Disney und Ub Iwerks aufgrund von begrenzten finanziellen Mitteln die Alice Comedies und die Figur Julius the Cat beendet hatten, erhielten sie von Universal den Auftrag, eine neue Figur für die Reihe von Kurzfilmen zu kreieren.
Aufgrund der bereits starken Präsenz von Katzencharakteren in den Cartoons sollte es ein Kaninchen sein. So entstand Oswald – eine sympathische Figur mit großer Persönlichkeit und Charme. Oswald unterschied sich von anderen Zeichentrickfiguren seiner Zeit durch seine ausgeprägte Persönlichkeit und seine lebendigen Bewegungen. Walt Disney legte großen Wert darauf, dass Oswald mehr als nur eine einfache Zeichentrickfigur sein sollte. Er sollte Emotionen ausdrücken, charakteristische Verhaltensweisen zeigen und durch seine Handlungen und Gesten eindeutig als Individuum erkannt werden.
Die Animatoren studierten Live-Action-Filme berühmter Stummfilmstars wie Buster Keaton und Charlie Chaplin, um Oswald eine glaubwürdige Mimik und körperliche Darstellung zu verleihen. Dadurch wurden die Cartoons lebhaft und unterhaltsam. Der erste große Erfolg mit Oswald kam mit dem Kurzfilm „Trolley Troubles“ im Jahr 1927. Die Geschichte dreht sich um Oswald als Straßenbahnfahrer, der allerlei lustige und spannende Abenteuer erlebt. Obwohl der erste produzierte Oswald-Film „Poor Papa“ abgelehnt wurde, überzeugte „Trolley Troubles“ die Universal-Verantwortlichen sofort und etablierte Oswald als beliebten Charakter.
Die Reihe entwickelte sich schnell zu einem Kassenschlager und steigerte den Bekanntheitsgrad des damals jungen Walt Disney Studios erheblich. Die Einnahmen aus der Serie ermöglichten es Disney und seinem Bruder Roy, das Studio auszubauen, Ländereien zu erwerben und ihre kreativen Visionen weiter zu verfolgen. Doch trotz Oswalds Erfolg führte ein Vertragsstreit 1928 zu einem dramatischen Wendepunkt. Universal Pictures begann, die Rechte an Oswald direkt zu kontrollieren und schloss einen neuen Vertrag mit Charles Mintz ab, der viele der Animatoren von Disney abwarb. Walt Disney kehrte dem Oswald-Projekt den Rücken, entschlossen einen eigenen Charakter zu erschaffen, über den er die volle Kontrolle behielt.
Das Ergebnis war die Geburt von Mickey Mouse, die später zu der wohl bekanntesten und erfolgreichsten Zeichentrickfigur der Welt wurde. Die Geschichte Oswalds war damit jedoch keineswegs zu Ende. Während Disney sich auf Mickey Mouse konzentrierte, setzten andere Studios die Produktion der Oswald-Kurzfilme fort. Walter Lantz, ein prominenter Animationsproduzent, erhielt 1929 die Kontrolle über die Oswald-Reihe und entwickelte den Charakter weiter. Unter Lantz veränderte sich Oswald äußerlich – er bekam weiße Handschuhe, Schuhe und ein insgesamt niedlicheres Aussehen.
Auch die Geschichten wandelten sich und enthielten mehr Slapstick-Elemente. Oswald wurde für die nächsten Jahre ein beliebter Teil des Universal-Produkts, gewann in den 1930er Jahren sogar volle Synchronstimmen. Der Wandel von Oswalds Aussehen und Persönlichkeit spiegelte die Trends und Bedürfnisse der Zeit wider. In den frühen Jahren war er oft ein schelmischer, energiegeladener Charakter, der durch seine Situationskomik und Frustrationsmomente bestach. Mit der Zeit wurde er menschlicher und realistischer gezeichnet, wobei sich auch sein Humor anpasste.
Die vielschichtige Entwicklung sorgte dafür, dass Oswald über ein Jahrzehnt lang ein fester Bestandteil des animierten Unterhaltungsprogramms blieb. Neben den Kurzfilmen erschien Oswald auch immer wieder in Comics, wo seine Geschichten in den 1930er und 1940er Jahren erweitert wurden. In bestimmten Comicserien wurde er zu einem Vaterfigur, der zusammen mit zwei Adoptivkindern namens Floyd und Lloyd verschiedene Abenteuer erlebte. Dabei wandelte sich das Genre von reiner Slapstick-Komödie zu familienfreundlichen Geschichten mit Abenteuern, die sich an jüngere Leser richteten. Trotz seines einst großen Erfolgs verblasste Oswald mit dem Aufstieg von Mickey Mouse und anderen neuen Figuren immer mehr im öffentlichen Bewusstsein.
Unabhängig davon gab es immer wieder Versuche, den Charakter zurückzuholen oder neu zu interpretieren. Ein wichtiger Meilenstein in seiner jüngeren Geschichte war die Rückeroberung der Rechte durch The Walt Disney Company im Jahr 2006. Diese wurden durch einen ungewöhnlichen Tausch mit NBCUniversal erreicht: Disney gab den Sportkommentator Al Michaels an NBC ab und erhielt im Gegenzug die Markenrechte an Oswald sowie die Rechte an den original von Disney produzierten Oswald-Kurzfilmen. Die Rückkehr Oswalds zu Disney war begleitet von einer Renaissance seiner Bekanntheit durch Videospiele und Auftritte in Freizeitparks. Besonders das Videospiel „Epic Mickey“ (2010) brachte Oswald einer neuen Generation von Fans nahe.
In diesem Metaspiel wird Oswald als vergessene Figur dargestellt, die neidisch auf Mickey Mouse blickt und gleichzeitig um seinen Platz in der Geschichte kämpft. Die narrative Tiefe des Spiels und die emotionale Auseinandersetzung mit Oswalds Vergangenheit verliehen ihm neues Leben und machten ihn zu einem Kultcharakter. Auch in Disney-Parks wie California Adventure in Anaheim findet Oswald heute seinen Platz. Oswalds Service Station, präsentiert als nostalgische Tankstelle im Stil der 1920er Jahre, bietet exklusive Merchandise-Artikel und ist Fixpunkt für Besucher, die den Klassiker ehren wollen. Zudem erscheint er bei saisonalen Events und auch seine Partnerin Ortensia, die in den Originalfilmen als Freundin oder Ehefrau gezeigt wird, tritt seit einigen Jahren verstärkt in Erscheinung.
Im Bereich Film und Animation wurde Oswald ebenfalls wieder belebt. So feierte der Charakter in dem Kurzfilm „Get a Horse!“ (2013) sein erstes animiertes Comeback nach über 80 Jahren, wobei er in einem Mix aus traditionellem Schwarzweiß und moderner CGI-Technik auftrat. 2022 veröffentlichte Disney zudem eine handgezeichnete Kurzanimation, die den Charakter erneut würdigt und neue Fans begeistert. Heute erfreut sich Oswald dank der Digitalisierung vieler alter Kurzbfilme und Magazininhalte verstärkter Aufmerksamkeit. Einige seiner originalen Oswald-Kurzfilme sind in den USA inzwischen in die Gemeinfreiheit übergegangen, was ihre Verfügbarkeit für Sammler, Fans und Historiker deutlich erhöht.
So konnten lang verschollene Werke restauriert und weltweit veröffentlicht werden. Neben klassischen Medien gewinnt Oswald auch in der Popkultur neue Relevanz. In Videospielen wie Disney Speedstorm oder Disney Dreamlight Valley ist er als spielbarer Charakter vertreten und erscheint in diversen Kooperationen und Merchandise-Linien. Diese vielseitigen Auftritte sorgen dafür, dass Oswald nicht nur als historische Figur verstanden wird, sondern auch als lebendiges Element des Disney-Universums. Zukunftsaussichten Oswalds sind vielversprechend.
Ein geplantes Live-Action-Animationsprojekt von Jon Favreau für Disney+ soll die Geschichte des Hasen und seiner Welt modern erzählen. Auch ein kommender Horrorfilm mit Ernie Hudson in der Hauptrolle zeigt, wie vielgestaltig die Nutzung von Oswald heute ist. Die Kombination aus nostalgischem Wert, vielseitiger Anpassungsfähigkeit und einer treuen Fangemeinschaft macht ihn zu einer einzigartigen Figur mit großem Potenzial. Oswald der Glückliche Hase steht für die Anfänge des modernen Animationsfilms und die verbindende Kraft von Charakteren, die über Generationen hinweg begeistern können. Seine Geschichte erzählt von Innovation, Verlust und Wiederentdeckung und zeigt, wie wichtig Kreativität und Rechteverwaltung in der Unterhaltungsindustrie sind.
Wer Oswald entdeckt, betritt die Welt eines Pioniers, dessen Einfluss weit über seine Bildschirmzeit hinausreicht und dessen Vermächtnis in der heutigen Medienlandschaft lebendig bleibt.