In den frühen 1990er Jahren war die Softwareentwicklung eine dynamische und spannende Welt, in der verschiedene Programmiersprachen und Entwicklungsumgebungen kämpften, um die Gunst der Entwickler. Eine Sprache, die damals besonders geschätzt wurde, war Pascal und insbesondere Object Pascal mit der Entwicklungsumgebung Delphi. Viele Entwickler schwärmten von der Fähigkeit von Delphi, nativ kompilierte, eigenständige Windows-Anwendungen zu erstellen, was zu jener Zeit ein großer Vorteil gegenüber anderen Systemen mit Interpreter oder Laufzeitumgebungen war. Visual Basic etwa, damals sehr populär, setzte oft auf eine Runtime, was zu einem teilweise trägeren Gefühl führte. Delphi überzeugte hingegen durch Geschwindigkeit, Effizienz und eine starke Integration von visuellen Komponenten, was die GUI-Entwicklung erheblich erleichterte.
Parallel zu Delphi existierte mit C++ Builder ein ähnliches Produkt für C++ Programmierer, das ebenfalls aus der Borland-Schmiede kam, bekannt für seine leistungsfähigen Entwicklungswerkzeuge. Doch mit dem Aufkommen neuer Sprachen und Frameworks wie .NET, Java und später JavaScript-Frameworks schien Delphi allmählich aus dem Rampenlicht zu verschwinden. Der kommerzielle Fokus verlagerte sich, und obwohl Delphi weiterhin von Embarcadero gepflegt wurde, bremste die damals Windows-exklusive Entwicklungsumgebung viele Entwickler aus, die plattformübergreifende Lösungen bevorzugten. In den letzten Jahren hat sich jedoch ein Interesse an Pascal und Delphi neu entfacht, insbesondere durch die Open-Source-Alternative Lazarus, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Beste aus Delphi in einer modernen, plattformübergreifenden Entwicklungsumgebung bereitzustellen.
Lazarus entstand aus einer Notwendigkeit heraus: Delphi war und ist zwar stark, aber proprietär und nur auf Windows verfügbar. Dies schränkt die Flexibilität der Entwickler ein, die Software für MacOS, Linux oder sogar Embedded-Systeme wie den Raspberry Pi erstellen möchten. Das Lazarus-Projekt wurde daher ins Leben gerufen, um Delphi-artige Programmierung unter Object Pascal auf verschiedenen Betriebssystemen zu ermöglichen und gleichzeitig Kosten für Lizenzen zu vermeiden. Der Name des Projekts ist dabei Programm: Lazarus steht symbolisch für die Wiederauferstehung von Delphi – ein totgeglaubtes System, das wiederbelebt wird. Eine der beeindruckendsten Eigenschaften von Lazarus ist seine echte Cross-Plattform-Fähigkeit.
Die IDE selbst läuft inzwischen auf Windows, MacOS, Linux und FreeBSD. Entwickler können also mit derselben Umgebung Anwendungen für unterschiedliche Betriebssysteme erstellen, ohne tiefe Anpassungen an der Codebasis vornehmen zu müssen. Außerdem sind die erstellten Anwendungen native Programme ohne Abhängigkeit von virtuellen Maschinen oder komplexen Laufzeitumgebungen. Dies führt zu performanten Anwendungen, die sich nahtlos in das jeweilige Betriebssystem integrieren. Die Entwicklungsumgebung selbst hat im Laufe der Jahre viele Verbesserungen erfahren und nähert sich in puncto Bedienkomfort und Features der kommerziellen Delphi-IDE an.
Früher war die Benutzeroberfläche von Lazarus eher modular und arbeitete mit mehreren unabhängigen Fenstern, was manchmal umständlich war. Seit einigen Versionen ist es möglich, eine anpassbare Single-Window-Benutzeroberfläche zu verwenden, die Tabbed-Panels und das Verschieben von Fenstern auf externe Monitore ermöglicht. Dadurch wird die Arbeit mit der IDE erheblich angenehmer, gerade für Entwickler, die auf mehreren Bildschirmen arbeiten. Ein wichtiger Pluspunkt von Lazarus ist die aktive Community und die Möglichkeit, direkt in der Open-Source-IDE selbst Plugins oder Erweiterungen zu erstellen. Tatsächlich ist die IDE in Lazarus geschrieben und man kann sie durch Neukompilierung mit zusätzlichen Bestandteilen erweitern.
So bleibt die Plattform lebendig und offen für Anpassungen und Fehlerbehebungen, die von den Nutzern selbst kommen – ein Modell, das im proprietären Bereich nur selten realisiert wird. Diese Offenheit fördert die Innovation und garantiert, dass Lazarus mit den Bedürfnissen moderner Softwareentwicklung Schritt hält. Die Programmiersprache dahinter, Object Pascal, bietet nach wie vor viele Vorteile. Sie ist klar strukturiert, einfach zu erlernen und bietet starke Typisierung sowie objektorientierte Programmier-Features. Der Fokus liegt auf Lesbarkeit und Effizienz gleichzeitig, was sie gerade für Einsteiger und Profis attraktiv macht.
Das breite Angebot an fertigen Komponenten und Controls, darunter auch für Datenbanken (SQLite3), Grafik und Desktop-GUI-Elemente, ermöglicht die schnelle Entwicklung robuster Anwendungen. Auch wenn Lazarus nicht die ästhetisch modernste Umgebung ist oder SDKs aller großen Frameworks integriert, handelt es sich um ein stabiles, ausgereiftes Toolset, das unkompliziert native Anwendungen ausspuckt. Das macht es besonders für kleine Unternehmen, Freelancer oder Entwickler interessant, die kostengünstig programmieren möchten, ohne auf Qualität und Plattformunabhängigkeit verzichten zu müssen. Besonders spannend ist der Einsatz von Lazarus auf ungewöhnlichen Geräten wie dem Raspberry Pi. Hier ist die Möglichkeit, nativen Code zu erstellen, besonders wertvoll, da Ressourcen begrenzt sind und Effizienz gefragt ist.
Der Aufwand, native Anwendungen mit einer gut gepflegten Bibliothek von UI-Komponenten, Grafik und Datenbankzugriff zu erstellen, ist erheblich sinkend im Vergleich zu anderen Lösungen, die auf Virtualisierung oder Interpretern basieren. Ein weiterer Vorteil von Lazarus ist die Unterstützung von Datenbanken durch eine Vielzahl von Komponenten, die die Integration von SQLite3 und anderen Datenbank-Systemen kinderleicht macht. Damit lässt sich eine Vielzahl von Anwendungen aus dem Bereich Business-Software, Verwaltungssysteme oder auch kleine Web-Service-Clients umsetzen. Diese Flexibilität hat Lazarus über die Jahre zu einem verlässlichen Werkzeug für verschiedenste Projekte gemacht. Doch Lazarus hat auch seine Herausforderungen.
So ist die Oberfläche im Vergleich zu modernen, kommerziellen IDEs wie Visual Studio oder JetBrains-Produkten weniger poliert und es fehlt manchmal an Komfortfunktionen, die man von kommerziellen Tools gewohnt ist. Zudem ist die Verbreitung eingeschränkter, sodass manche Entwickler sich erst an die Besonderheiten der Umgebung gewöhnen müssen. Wer sich aber die Mühe macht, findet ein mächtiges und vor allem kostenloses Tool, das sich stetig weiterentwickelt. Der Weg von Delphi über Lazarus hin zur plattformübergreifenden Entwicklung zeigt, wie lebendig ältere Technologien bleiben können, wenn sie offen und aktiv weiterentwickelt werden. Besonders für Entwickler, die effizienten nativen Code bevorzugen, ohne auf teure Lizenzen angewiesen zu sein, scheint Lazarus eine der besten Lösungen auf dem Markt zu sein.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lazarus eine beeindruckende Wiederbelebung von Delphi und Object Pascal darstellt. Es bietet den Charme und die Leistung von nativen Anwendungen, die Flexibilität plattformübergreifender Entwicklung und eine starke, engagierte Community im Rücken. Während es noch nicht allen kommerziellen Alternativen den Rang abläuft, steht es als Beweis dafür, dass bewährte Technologien zeitlos sein können und immer wieder neue Chancen zur Innovation bieten – ganz wie die biblische Figur, nach der die IDE benannt ist.