Die Musikindustrie erlebte vor Kurzem eine Phase des Aufbruchs, als Kryptowährungen und Web3-Technologien die Szene dominierten. Künstler wie Snoop Dogg, Nas und Grimes sorgten mit hochkarätigen NFT-Drops für Schlagzeilen und erzeugten eine regelrechte Euphorie rund um die Verbindung von Musik und Blockchain. Doch dieser Aufschwung wurde durch den dramatischen Preisverfall von Kryptowährungen wie Ethereum stark gedämpft. Was bedeutet dieser Kryptocrash für die Musikbranche und insbesondere für den aufkeimenden Markt der Musik-NFTs? Trotz des gegenwärtigen Gegenwinds gibt es Hoffnung auf nachhaltige Innovation und neue Geschäftsmodelle, die aus dieser Phase hervorgehen könnten. Der Preisverfall von Ethereum, einer der zentralen Währungen für NFT-Transaktionen, war gravierend.
Innerhalb weniger Monate sank der Wert von etwa 4800 US-Dollar auf rund 1100 US-Dollar, ausgelöst durch den Zusammenbruch der Terra/Luna-Kryptowährungen, die Verluste von rund 60 Milliarden US-Dollar verursachten. Diese Marktturbulenzen propagierten eine Kettenreaktion innerhalb der Kryptowelt, die großer Akteure wie Celcius und Three Arrows Capital in Schwierigkeiten brachte, was wiederum enormes Misstrauen bei Investoren und Nutzern hervorrief. Die Musik-NFT-Landschaft war unmittelbar von diesen Entwicklungen betroffen. Handelsvolumen auf Plattformen wie Opensea brachen von fünf Milliarden US-Dollar auf knapp über 500 Millionen US-Dollar ein. Künstler und Plattformen, die zuvor von minutienschnellen Ausverkäufen profitierten, sehen sich nun mit einem nachlassenden Interesse konfrontiert.
Plattformen wie Sound.xyz, die zuvor täglich Musik-NFTs mit bekannten Künstlern wie Vic Mensa oder Snoop Dogg veröffentlichten, drosseln ihre Veröffentlichungen und stellen die Weiterentwicklung ihrer Angebote in den Vordergrund. Gründer und Branchenexperten betonen, dass sich der Fokus nun weniger auf kurzfristige Marktbewegungen, sondern auf langfristig tragfähige Geschäftsmodelle verschiebt. Für Musiker und Labels bedeutet dieser Wandel, dass viele Projekte verschoben oder angepasst werden müssen. So hat etwa die NFT-Plattform von Monstercat Records, RELICS, die Veröffentlichung eines neuen Drops wegen der Marktlage auf unbestimmte Zeit verschoben.
Andere wiederum, wie das Projekt omgkirby in Zusammenarbeit mit dem Künstler Channel Tres, setzen auf den Mehrwert echter geistiger Eigentumsrechte und glauben daran, trotz des ungünstigen Marktumfelds erfolgreich zu sein. Dies unterstreicht einen wichtigen Trend: Die Nachfrage verschiebt sich zunehmend von spekulativen Produkten hin zu NFTs, die echten Mehrwert und Rechte für die Fans bieten. Ein weiterer Aspekt, der musikalische Akteure vor Herausforderungen stellt, betrifft die Volatilität bei der Auszahlung in Kryptowährungen. Als Snoop Dogg im März eine NFT-Kollektion herausbrachte, erwirtschaftete er 100 ETH, damals ungefähr 260.000 US-Dollar wert.
Durch den Preisverfall hat sich der Wert dieses Betrags mehr als halbiert. Während unklar bleibt, ob er die Einnahmen schnell in Fiatgeld umwandelte oder im Ethereum bestand, ist deutlich, dass viele andere NFT-Projekte und deren Initiatoren Verluste durch die Kryptowährungsschwankungen erleiden. Einige, wie etwa die Colors Community DAO, reagieren darauf mit der Absicherung großer Teile ihres Krypto-Treasurys in USDC, einem stabilen Krypto-Dollar-Pendant, um Risiken zu minimieren. Trotz aller skeptischen Stimmen bleibt die Begeisterung für Musik-NFTs keinesfalls erloschen. Einige Künstler und Kollektive, wie Headless Chaos, konnten selbst in schwierigem Marktumfeld beträchtliche Umsätze erzielen.
Auch vielversprechende Newcomer zeigen, dass innovative digitale Kunst und Musik im NFT-Format gefragt bleiben. Interessanterweise gewinnt in diesem Zusammenhang das sogenannte Free-Mint-Modell an Bedeutung. Hierbei erhalten Fans kostenlos Musik-NFTs, was das Risiko für sie eliminiert und eine starke Bindung an die Künstler fördert. Die Chainsmokers haben dieses Konzept jüngst umgesetzt, indem sie eine Kollektion von 5.000 NFTs verschenken, die zudem Beteiligungen an Streaming-Erlösen enthalten.
Warner Records plant ebenfalls eine kostenlose NFT-Kollektion mit generativer Musik. Für Musiker wie Lyrah, deren Songs bereits in bekannten HBO-Produktionen verwendet wurden, sind NFTs nicht nur ein kurzzeitiger Trend, sondern ein Weg, neue Formen der Fanbindung und Rechteverwaltung zu erproben. Sie entwickelt Web3-Musikverträge, um beispielsweise die Verteilung von Tantiemen digital abzubilden und neue Eigentumsformen zu ermöglichen. Damit rückt der Fokus weg von der reinen Hype-Welle hin zu realem Nutzen, den NFTs durch gemeinsames Eigentum, Zugang und exklusive Erlebnisse bieten können. Die Zukunft der Musik-NFTs hängt jedoch auch von der Finanzierung ab.
Venture-Capital-Firmen investieren weiterhin Milliarden in den Bereich, auch wenn der Fokus sich zunehmend auf nachhaltige und realistischer bewertete Projekte richtet. Andreessen Horowitz (A16z), eine der bekanntesten VC-Firmen im Krypto-Bereich, hat kürzlich einen Investitionsfonds in Höhe von 2,2 Milliarden US-Dollar aufgelegt, in dem Musik als eines der Schlüsselbereiche für Innovation und Disruption gilt. Gleichzeitig verfügen viele Startups noch über großzügige finanzielle Reserven aus der Hochphase des NFT-Booms und können so die schwierige Marktphase überstehen. Die Herausforderungen der Gegenwart könnten also als Katalysator für langfristige, disruptive Lösungen in der Musikindustrie dienen. Die Erfahrungen der jüngsten Monate haben eines deutlich gezeigt: Der „NFT-Goldrausch“ war von einer spekulativen Blase geprägt, die sich nun zurückbildet.
Dennoch eröffnet die Blockchain-Technologie in Verbindung mit Musik neue Möglichkeiten, die weit über kurzfristige Trends hinausgehen. Künstler können neue Arten von Digitalrechten schaffen, Fans direkter an Einnahmen beteiligen und innovative Community-Modelle entwickeln. Während der Markt sich konsolidiert und Akteure lernen, mit Volatilität umzugehen, werden nachhaltige Geschäftsmodelle entstehen, die Web3-Musik in eine neue Ära führen. Die Musikbranche steht an einem Wendepunkt, an dem der Fokus auf realen Mehrwert, technischer Weiterentwicklung und der Integration von Blockchain in die bestehenden Ökosysteme liegt. Für Künstler, Labels und Fans bedeutet dies, dass langfristiges Denken und strategisches Handeln wichtiger sind als kurzfristige Spekulation.
So können die Potenziale der Technologie ausgeschöpft und zugleich die Risiken minimiert werden. In diesem Sinne ist die aktuelle Phase zwar eine Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine Chance zur Neuausrichtung und Stärkung der Musikindustrie im digitalen Zeitalter.