Virtuelle Maschinen haben sich in den letzten Jahren zu einem unverzichtbaren Werkzeug für Entwickler, Administratoren und Technikbegeisterte entwickelt. Sie ermöglichen es, verschiedene Betriebssysteme sicher und effizient auf einem physischen Rechner auszuführen, ohne das Hostsystem zu verändern oder zu belasten. Insbesondere im Linux-Umfeld ist das Verwalten solcher Maschinen durch spezialisierte Tools essentiell. Während GTK-basierte Applikationen wie virt-manager oder GNOME Boxes oft die bevorzugte Wahl für viele sind, fehlt es KDE-Nutzern bislang an einer nativen, gut integrierten Lösung für das Plasma-Desktop-Umfeld. Aus diesem Grund entsteht Karton, ein Virtual Machine Manager, der nicht nur mittels modernster Technologien wie Qt-Quick und Kirigami aufsetzt, sondern auch eine tiefgreifende Integration in KDE gewährleistet und die Verwaltung von virtuellen Maschinen erheblich vereinfacht.
Die Ausgangssituation zeigt, dass viele KDE-Anwender auf GTK-basierte Manager zurückgreifen, obwohl diese optisch und funktional nicht optimal in das Plasma-Interface eingebettet sind. Die dadurch entstehende Inkonsistenz im Benutzererlebnis ist spürbar, und die meisten verfügbaren Qt-basierten Optionen sind veraltet oder werden nicht mehr aktiv gepflegt. Karton hat sich zum Ziel gesetzt, diese Lücke zu schließen, indem es eine moderne, native KDE-Lösung bietet, die auf einem libvirt-Backend aufbaut. Libvirt ist ein bewährtes Framework, das niedrigstufige Virtualisierungsprozesse abstrahiert und somit eine plattformübergreifende Verwaltung virtueller Maschinen ermöglicht.Die Entwicklung von Karton hat im Rahmen des Google Summer of Code (GSoC) 2025 durch den Entwickler Derek Lin, der auch als kenoi bekannt ist, einen bedeutenden Schub erhalten.
Als Student an der University of Waterloo setzt Derek mit Begeisterung seine Fähigkeiten ein, um Karton zu einem ausgereiften Virtual Machine Manager zu machen. Unter der Mentorschaft erfahrener KDE-Entwickler wie Harald Sitter sowie Tobias und Nicolas Fella zeigt sich das Projekt als äußerst vielversprechend.Im Sinne einer optimalen Benutzererfahrung fußt Kartons Interface auf Qt-Quick und Kirigami, die für responsive und ansprechende Benutzeroberflächen im KDE-Ökosystem bekannt sind. Das ermöglicht nicht nur eine harmonische Integration in den Plasma-Desktop, sondern macht Karton auch zukunftssicher und plattformübergreifend einsetzbar. Neben der UI-Überarbeitung konzentriert sich die Entwicklung stark auf die Erweiterung der Funktionalitäten, vor allem durch die Verknüpfung mit libvirt.
Dadurch kann Karton virtuelle Maschinen nicht nur starten und stoppen, sondern auch konfigurieren, installieren und überwachen.Ein bedeutender Fortschritt war die Einführung eines eigenen Domain-Installers, der virt-install ersetzt und direkt über libosinfo GLib API Informationen aus den OS-Installationsabbildern ausliest. Damit ist Karton in der Lage, maßgeschneiderte XML-Konfigurationsdateien für virtuelle Maschinen zu generieren. Dieser Ansatz erleichtert nicht nur die Wartung und Erweiterung der Software erheblich, sondern sorgt auch für eine verbesserte Kompatibilität und Stabilität der virtuellen Umgebungen. Das vermeidet die Abhängigkeit von externen Shell-Befehlen und ermöglicht eine robuste, native Steuerung.
Der Entwicklungsprozess von Karton ist geprägt von kontinuierlichem Lernen und Adaptation. Derek Lin berichtet davon, eigene Erfahrungen mit Tools wie GNOME Boxes, virt-manager und UTM gesammelt zu haben, um die Stärken und Schwächen solcher Manager besser zu verstehen. Auch das Testen des virsh Command Line Interfaces sowie das direkte Arbeiten mit libvirt-Domain-XML-Konfigurationen haben dazu beigetragen, ein fundiertes Verständnis für die Virtualisierungsautomatisierung zu entwickeln. Zudem ist Lin aktiv darin, seine Arbeit durch Merge Requests in die Hauptentwicklung einzubringen und Feedback von erfahrenen Entwicklern einzuholen, was für eine nachhaltige Qualitätssteigerung sorgt.Neben der reinen Funktionalität liegt ein besonderes Augenmerk auf der Benutzeroberfläche und Usability.
Derzeit arbeitet das Team an einem neuartigen virtuellen Maschinen-Viewer, der über die spice-client-glib Library direkt Framebilder von laufenden VMs ausliest und in einem QQuickItem rendern kann. Obwohl sich der Viewer noch in einem frühen Entwicklungsstadium mit Einschränkungen hinsichtlich Benutzerinteraktion befindet, markiert er einen vielversprechenden Schritt hin zu einer voll integrierten Steuerung und Visualisierung virtueller Maschinen innerhalb von KDE.Ein weiteres wichtiges Ziel besteht darin, Support für Snapshot-Funktionen zu implementieren, mit denen Nutzer den Zustand ihrer virtuellen Maschinen sichern und zu einem späteren Zeitpunkt wiederherstellen können. Diese Funktionalität ist insbesondere für Entwickler und Testumgebungen wichtig, da sie schnelle Rollbacks und flexible Testszenarien ermöglicht. Ebenso wird an einem Bereich für das Monitoring gearbeitet, der CPU- und RAM-Nutzung visualisiert und so den Überblick über Ressourcenverbrauch erleichtert – eine Funktion, die viele professionelle Virtualisierungsmanager bereits anbieten und die die Benutzerfreundlichkeit deutlich erhöht.
Die geplanten Erweiterungen umfassen auch eine Reorganisation des UI-Layouts, um Arbeitsflächen noch effektiver zu nutzen und den fensterbasierten Workflow zu optimieren. Dabei orientiert sich Karton an bewährten Konzepten anderer Virtual Machine Manager, etwa dem populären UTM Interface. Darüber hinaus sollen erweiterte Konfigurationsoptionen für die Installation und das Passthrough von Geräten verfügbar sein, sodass auch komplexere Virtualisierungsszenarien umsetzbar werden.Die offene, gemeinschaftliche Entwicklung ist ein weiterer Eckpfeiler von Kartons Fortschritt. Mit einem aktiven Kommunikationskanal auf Matrix unter karton:kde.
org sind Entwickler und Anwender eingeladen, Vorschläge einzubringen, Fehler zu melden und neue Features zu diskutieren. Dieser partizipative Ansatz sichert nicht nur die Relevanz der Software, sondern fördert auch die Annäherung an die Bedürfnisse der KDE-Community.Obwohl Karton sich noch in der Entwicklungsphase befindet und der Entwicklerteam vor einigen Herausforderungen steht, etwa dem Umgang mit der Komplexität von libvirt-Domain-Konfigurationen und der Stabilisierung der Viewer-Komponente, zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die neue Anwendung einen wichtigen Beitrag zur KDE-Ökosystem bereichern wird. Der Fokus auf moderne Technologien, starke Integration und Benutzerfreundlichkeit verspricht, Karton langfristig als Standard Virtual Machine Manager für KDE zu etablieren.Die Basis, auf der Karton aufbaut, ermöglicht neben der Desktop-Nutzung auch eine Perspektive für plattformübergreifende Verfügbarkeit, beispielsweise für mobile KDE-Plasmoid-Lösungen oder andere Systeme, die Qt unterstützen.
Damit kann Karton die Virtualisierung auch für eine breitere Zielgruppe verfügbar machen. Nicht zuletzt macht die konsequente Nutzung der libvirt-Bibliothek es möglich, verschiedene Hypervisoren unkompliziert zu unterstützen, was haben viele Virtual Machine Manager heutzutage nicht bieten.In der heutigen Zeit, in der Virtualisierung in Unternehmen und der privaten Nutzung immer bedeutender wird, steht die Entwicklung von Karton für den Anspruch, modernes, benutzerfreundliches und leistungsfähiges VM-Management innerhalb der KDE-Welt zur Verfügung zu stellen. Der Vorteil einer nativen, plattformunabhängigen KDE-Anwendung liegt dabei nicht nur in der ästhetischen Integration, sondern auch in der Optimierung der Systemressourcen und der Sicherheit.Zusammenfassend bietet Karton nicht nur eine innovative Antwort auf die bisherige Lücke im KDE-Umfeld bezüglich Virtual Machine Management, sondern schafft auch eine solide Grundlage für zukünftige Erweiterungen, die das Arbeiten mit virtuellen Maschinen intuitiver, sicherer und effizienter machen.
Die kontinuierliche Arbeit von engagierten Entwicklern, kombiniert mit den Ressourcen und der Unterstützung der KDE-Community, macht Karton zu einem Projekt, das unbedingt im Auge behalten werden sollte – sowohl von bestehenden KDE-Nutzern als auch von Virtualisierungsinteressierten Linux-Anwendern weltweit.