In der modernen Landwirtschaft spielen technologische Innovationen eine immer bedeutendere Rolle, um die steigenden Anforderungen an Effizienz, Nachhaltigkeit und Kostenreduzierung zu erfüllen. Ein vielversprechendes Beispiel hierfür sind die sogenannten „robotischen Insekten“ – große, beinbasierte Roboter, die von der Natur inspirierte Bewegungsmuster nutzen, um landwirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Besonders bemerkenswert ist ein Projekt der Firma Ground Control Robotics, die Roboter entwickelt, die an riesige Tausendfüßler erinnern. Diese mechanischen Geräte sind in der Lage, sich in schwierigem Gelände zu bewegen und Aufgaben wie die Unkrautbekämpfung sowie die Datenerfassung präzise zu übernehmen. Dabei zielt ihre Entwicklung auf einen Praxisnutzen ab, der über reine Laborexperimente hinausgeht.
Die Idee, Robotermodelle biologischer Lebewesen nachzubilden, ist nicht neu. Wissenschaftler und Ingenieure beobachten seit Jahrzehnten Tiere wie Schlangen, Salamander oder Würmer, um deren einzigartige Fortbewegungsweisen technisch nachzuahmen. Während viele dieser Projekte vor allem theoretischen oder spezialisierten Zwecken wie Katastrophenhilfe dienen, schlägt Ground Control Robotics einen neuen Weg ein, der direkt für die Landwirtschaft anwendbar ist. Der Fokus liegt auf einer Kombination aus einfacher Mechanik und cleverer Steuerung, die auch komplexe Umgebungen meistern kann, wie sie in der Landwirtschaft häufig vorkommen. Einzigartige Herausforderungen in der Landwirtschaft erfordern innovative Lösungen.
Während viele Roboterhersteller sich auf standardisierte Feldstrukturen mit ebenen Flächen und regelmäßigen Reihen konzentrieren, steht Ground Control Robotics vor der Herausforderung, unebenes, steiles und oft mit Hindernissen versehenes Gelände zu bewältigen. Perennierende Kulturen wie Weinberge, Blaubeersträucher oder Erdbeerpflanzen wachsen nicht in uniformen Reihen, sondern sind oft buschig, verzweigt und schwer zugänglich. Für diese Art von Kulturen gibt es bislang kaum automatisierte Unkrautbekämpfungssysteme, und der manuelle Einsatz ist sehr arbeitsintensiv und teuer. Bei Blaubeeren in Kalifornien können so Kosten für Unkrautunterdrückung von 300 US-Dollar pro Acre leicht überschritten werden, bei Erdbeeren sind die Kosten teilweise noch höher. Die Roboter von Ground Control Robotics bestehen aus mehreren miteinander verbundenen Segmenten, die jeweils mit Beinen ausgestattet sind.
Sie bewegen sich ähnlich wie ein Tausendfüßler fort, indem sie koordinierte Bewegungen einzelner Segmente und Beine nutzen, um sich effizient durch komplexes Terrain zu bewegen. Dabei helfen speziell konstruierte mechanische Lösungen, wie ein Kabelantrieb, der die Kraft von der Mittelachse zur Seite verlagert, was den Robotern erlaubt, sich flexibel an die Umgebung anzupassen. Durch diese Unidirektionale Nachgiebigkeit können die Roboter über Hindernisse klettern, die höher sind als sie selbst, indem sie sich quasi „durchschlängeln“ und so ein zuverlässiges Fortkommen gewährleisten. Dabei sind keine aufwendigen Sensoren oder komplizierte Steueralgorithmen notwendig, was die Kosten des Systems deutlich senkt. Einer der entscheidenden Vorteile der vielen Beine im Vergleich zu klassischen Laufrobotern mit vier Beinen ist die Fähigkeit, auch bei unvorhersehbaren und im Maßstab vergleichbaren Hindernissen eine konstante Fortbewegung zu garantieren.
Die Vielzahl der Fortbewegungspunkte reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Kontaktstellen und minimiert dadurch die Auswirkungen von Umweltstörungen. Das erhöht die Robustheit und Simplizität des Bewegungsprinzips und macht die Roboter besonders geeignet für den unstrukturierten Einsatz, etwa in Weinbergen auf steilen Hängen oder in unregelmäßig bewachsenen Feldern. Die Anwendungsmöglichkeiten der Roboter sind vielfältig. Zunächst setzen die Entwickler auf die Erfassung von Felddaten und die Erkennung von Unkraut, die eine gezielte Unkrautbekämpfung ermöglicht. Langfristig wird geplant, die Roboter mit Werkzeugen auszustatten, die aktiv Unkraut entfernen können, entweder mechanisch durch große mechanische „Kiefer“ oder zukünftig sogar durch den Einsatz von punktgenauem Laserlicht.
Sie sollen dabei kostengünstiger operieren als menschliche Arbeitskräfte und zudem eine nachhaltige Alternative zu chemischen Pflanzenschutzmitteln bieten. Ein weiterer großer Vorteil besteht darin, dass die Roboter sehr klein und wendig gestaltet werden können und so nahe an den Pflanzen arbeiten können, ohne diese zu beschädigen. Im Gegensatz zu größeren Maschinen, die Felder teilweise stark beeinträchtigen, bieten diese wendigen robotischen Tausendfüßler eine sanfte und zugleich effektive Lösung für anspruchsvolle Kulturen und Terrainbedingungen. Die Entwicklung solcher roboterbasierten Systeme hat neben der Landwirtschaft auch Potenzial in anderen Bereichen. Die Fähigkeit, sich autonom in unübersichtlichem Terrain zu bewegen, könnte auch bei Katastropheneinsätzen helfen, indem sie Such- und Rettungsmissionen auf schwierigem Gelände unterstützen.
Möglicherweise finden diese robotischen Insekten sogar Anwendung im militärischen Bereich, zumindest wenn sie entsprechend modifiziert werden, etwa durch Anpassungen der Gliedmaßen oder einer Fähigkeit, diese für spezielle Umgebungen einzuziehen. Aktuell arbeitet Ground Control Robotics gemeinsam mit Landwirten aus Georgia an der Feinabstimmung ihrer Roboter in praktischen Piloteinsätzen in Blaubeerfeldern und Weinbergen. Ziel ist es, die Mobilität, Sensorik und die Zuverlässigkeit in realen Einsatzszenarien zu optimieren. Die Entwicklungen könnten den Übergang von einem rein akademischen Forschungsprojekt hin zu einem marktreifen Produkt ermöglichen, das in Zukunft in größerem Maßstab eingesetzt wird. Damit bieten diese Entwicklungen einen faszinierenden und zukunftsträchtigen Blick auf die Landwirtschaft der nächsten Jahrzehnte.
Roboter, die sich an die Natur anlehnen und gleichzeitig robust, günstig und vielseitig einsetzbar sind, könnten die Handarbeit in anspruchsvollen Anbaugebieten erheblich erleichtern, Kosten senken und nachhaltige Anbaumethoden fördern. Die Verbindung von Bioinspiration, robophysikalischem Modellverständnis und praktischer Umsetzung zeigt, wie eng Forschung und angewandte Technik künftig miteinander verwoben sein werden. Die Zeiten, in denen Landwirtschaft vorwiegend manuelle Feldarbeit bedeutete, wandeln sich rasant. Stattdessen treten intelligente Maschinen in den Vordergrund, die nicht nur regelmäßig, schnell und präzise ihre Aufgaben erfüllen, sondern auch neue Maßstäbe bei Ressourceneinsatz und Kostenmanagement setzen. Riesige robotische Insekten wie die von Ground Control Robotics könnten dabei eine Schlüsselrolle einnehmen, besonders in komplexen und schwer zugänglichen Anbaugebieten.