In den letzten Jahren sind Diversity, Equity und Inclusion (DEI) zu zentralen Themen in der Unternehmenswelt geworden. Diese Initiativen zielten darauf ab, Arbeitsplätze gerechter und vielfältiger zu gestalten, Benachteiligungen abzubauen und eine integrative Kultur zu fördern. Gerade in den USA, wo gesellschaftliche Debatten über Gleichberechtigung und Chancengleichheit anhaltend tief und engagiert geführt werden, versuchten viele Unternehmen, durch DEI-Programme Zeichen für soziale Verantwortung und Modernität zu setzen. Doch in jüngster Zeit schwingt die Stimmung zunehmend um. Politischer Druck, öffentliche Kontroversen und interne Unternehmensentscheidungen führten dazu, dass manche Konzerne begannen, ihre DEI-Verpflichtungen zu reduzieren oder deren Bedeutung herunterzuspielen.
Dennoch zeigt sich an der wichtigen Schnittstelle zwischen Unternehmen und Aktionären ein interessantes Phänomen: Viele Investoren sind gegen zusätzliche Einschnitte bei DEI-Maßnahmen und bringen damit ihre Zurückhaltung gegenüber Rollbacks zum Ausdruck. Dieses Spannungsfeld wurde zuletzt eindrucksvoll bei den Aktionärsversammlungen großer Firmen wie Berkshire Hathaway und Levi Strauss sichtbar. Berkshire Hathaway, das von Warren Buffett geführte gewaltige Konglomerat, steht als Paradebeispiel für die komplexe Debatte um DEI. Bei der jährlichen Hauptversammlung in Omaha stimmten die Anteilseigner mit großer Mehrheit gegen diverse Vorschläge aus den Reihen von DEI-Kritikern. Diese Initiativen hatten unter anderem verlangt, dass das aus fast 200 operativen Unternehmen mit fast 400.
000 Angestellten bestehende Konglomerat umfangreiche Berichte über Risiken durch rassenbezogene Programme veröffentlichen und spezielle Ausschüsse einsetzen sollte, die DEI-Strategien überwachen. Eine ablehnende Haltung gegen solche Forderungen ist kein Zufall, sondern spiegelt wider, dass viele Aktionäre skeptisch gegenüber einem übermäßigen Einfluss von Kritikern sind, die DEI ersatzlos streichen möchten. Gleichzeitig lehnten die Aktionäre bei Berkshire jedoch auch Anträge ab, die weitergehende oder stärker verbindliche DEI-Maßnahmen einführen wollten, beispielsweise einen Bericht über Gehaltsunterschiede nach Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit. Dies offenbart eine interessante Zwiespältigkeit in der Anlegerlandschaft. Während klare Abkehr von Diversity-Initiativen abgelehnt wird, besteht ebenso eine gewisse Zurückhaltung gegenüber Vorschlägen, die über den Status quo hinausgehen und strenge Berichtspflichten oder spezielle Governance-Strukturen vorschlagen.
Dieses Muster ist nicht ein einziges Vorkommnis, sondern findet sich in zahlreichen anderen großen Firmen wieder. Die Saison der Hauptversammlungen 2025 legte offen, dass die Mehrheit der Aktionäre eine Flut von antidei-Protesten ablehnte. Entsprechend meldete der Dienst ISS Corporate bis Anfang Mai 17 zurückgewiesene Antidei-Anträge und weitere 14, die vorzeitig vom Wahlzettel genommen oder zurückgezogen wurden. Insgesamt wurden 52 solcher Anträge eingereicht, weitere Abstimmungen standen noch bevor. Bedeutende Unternehmen wie Apple, Disney, Deere & Company, Levi Strauss, Goldman Sachs, Boeing, Wells Fargo, American Express, Coca-Cola und Costco stimmten in ähnlicher Weise gegen diese anti-DEI-Initiativen.
Andrew Behar, CEO der Organisation As You Sow, die sich für unternehmerische Verantwortung in sozialen und ökologischen Belangen einsetzt, kommentierte diese Entwicklung: Aktionäre lehnten „überwältigend“ Vorschläge ab, die das Ende der DEI-Programme forderten. Stattdessen unterstützen sie bevorzugt merit-basierte Diversity-Maßnahmen, die auf finanzielle Leistungsfähigkeit und unternehmerischen Erfolg ausgelegt sind. Dieses Statement bringt auf den Punkt, was viele Investoren antreibt: Sie sehen DEI nicht als Selbstzweck, sondern vor allem als Faktor, der positive Effekte auf das Geschäft haben kann. Auf der anderen Seite hatten die sogenannten Pro-DEI-Vorschläge bei den diesjährigen Hauptversammlungen jedoch kaum Erfolg. Von rund 44 eingebrachten Pro-DEI-Anträgen erhielten bis Anfang Mai keine Unterstützung vonseiten der Aktionäre.
Einige wurden sogar abgelehnt oder vorab zurückgezogen. Diese beidseitige Skepsis gegenüber radikalen Forderungen – sowohl gegen weitere Abschwächungen als auch gegen zusätzliche Verschärfungen – lässt darauf schließen, dass viele Investoren eine moderate Linie bevorzugen, die die bestehenden Diversity-Maßnahmen bewahrt, ohne aber übermäßig regulierend eingreifen zu wollen. Die Diskussion um DEI in den USA steht übrigens nicht für sich allein, sondern ist Teil einer breiteren Debatte um Unternehmensführung und gesellschaftliche Verantwortung. Zum einen haben politische Kräfte im Kongress sowie in einzelnen Bundesstaaten begonnen, Diversity-Programme zu hinterfragen und deren fortbestehende Finanzierung und Förderung zu kritisieren. Zum anderen erfordert die zunehmende Aufmerksamkeit auf Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) von Unternehmen klare Richtlinien und Berichterstattungen, was auch die DEI-Initiativen betrifft.
In diesem Spannungsfeld zwischen Forderungen nach Transparenz und Zweifeln an der Effektivität von Diversity-Programmen bewegen sich die Entscheidungen der Aktionäre. Betrachtet man Unternehmen wie Levi Strauss, wird ebenfalls deutlich, dass die Positionen der Anleger vielschichtig sind. Levi Strauss, das als Bekleidungsunternehmen eine junge und vielfach diverse Zielgruppe anspricht, verankert Diversity stark in seiner Unternehmenskultur. Die Aktionärsabstimmungen signalisierten, dass viele Investoren zwar skeptisch gegenüber umfassenden Rollbacks sind, aber zugleich grundlegende und sinnvoll ausgestaltete DEI-Programme möchten, die den Unternehmenserfolg fördern und gesellschaftlichen Wert schaffen. Die Ablehnung radikaler Antidei-Projekte durch die Aktionäre könnte auch eine Reaktion auf frühere Erfahrungen sein.
Einige Unternehmen, die Diversity komplett zurückgefahren oder rein symbolische Maßnahmen eingeführt haben, wurden mit negativen Folgen konfrontiert – zum Beispiel sinkender Mitarbeiterzufriedenheit, erschwertem Zugang zu Talenten oder einem schlechten Unternehmensimage. Investoren berücksichtigen heute daher deutlich stärker, wie soziale und kulturelle Faktoren die langfristige Rentabilität beeinflussen. Diese neue Dynamik unterstreicht die Bedeutung eines ausgewogenen Ansatzes. Unternehmen sind gefordert, ihre DEI-Strategien nicht nur aus Imagegründen zu verfolgen, sondern die Programme effizient zu gestalten, klar zu kommunizieren und echte Fortschritte messbar zu machen. Investoren möchten Transparenz und Nachvollziehbarkeit, aber auch eine pragmatische Haltung, die Überregulierung vermeidet und Raum für flexible Anpassungen an Marktbedingungen lässt.
Auch der gesellschaftliche Wandel spielt eine wichtige Rolle. Die Generationen, die heute als Arbeitnehmer, Kunden und Anleger aktiv sind, zeigen sich deutlich diversitätsbewusster und erwarten von Unternehmen, dass diese Vielfalt nicht nur oberflächlich abgebildet wird, sondern echte Chancen eröffnet. Damit verschärfen sich die Herausforderungen für Firmen, die DEI-Initiativen streichen wollen oder als lediglich politisch motivierte Maßnahmen betrachten. Zugleich sind Unternehmen mit großer Belegschaft – wie etwa Berkshire mit Hunderttausenden Mitarbeitern – vor allem daran interessiert, handhabbare und praktikable Konzepte umzusetzen, die breite Akzeptanz finden. Zusammenfassend zeigt die diesjährige Hauptversammlungssaison in den USA exemplarisch, dass die Frage der Diversity-Programme weiterhin hochkomplex und umkämpft ist.