Die Entscheidung, eine Spiele-Engine oder Programmiersprache im Entwicklungsprozess zu wechseln, ist eine der schwierigsten Herausforderungen für Spieleentwickler. Oft bedeutet ein solcher Wechsel einen erheblichen Produktivitätsverlust, technische Rückschläge und eine lange Einarbeitungszeit. Doch manchmal führt kein Weg daran vorbei, um die Vision eines Spiels besser zu verwirklichen. Das Projekt Architect of Ruin, das ursprünglich mit Rust und dem Bevy-Game-Engine-Framework entwickelt wurde, stellt ein Paradebeispiel für diese Herausforderung dar. Nachdem es lange Zeit im Bevy-Ökosystem entwickelt wurde, entschied sich das Team Anfang 2025, komplett auf Unity und C# zu migrieren – eine Entscheidung, die zunächst überrascht, letztlich aber durch pragmatische Gründe gerechtfertigt wird.
Rust hat sich in den letzten Jahren als eine Sprache mit hohem Potenzial für sichere und performante Anwendungen etabliert. Für Spieleentwickler ist vor allem die Kombination aus Sicherheit durch den Compiler, niedrigem Overhead und moderner Architektur von Interesse. Die Entscheidung, sich für Bevy als Engine zu entscheiden, war auch eine Herzensangelegenheit des Teams. Bevy bietet ein reines Entity-Component-System, das modern und sehr modular konzipiert ist. Für Entwickler, die Spaß an funktionalem Programmieren sowie an spannenden technischen Herausforderungen haben, ist das ein idealer Startpunkt.
Dennoch stießen die Entwickler von Architect of Ruin relativ schnell auf verschiedene Probleme, die den Fortschritt verlangsamten. Die Zusammenarbeit im Team gestaltete sich als schwierig, gerade da ein Teammitglied noch neu in der Programmierung war. Rust und Bevy forderten eine steile Lernkurve, die sich in der Produktivität niederschlug. Während Rust für Systeme optimal ist, sind schnelle und flexible Iterationen bei der Gameplay-Entwicklung eher hinderlich. Das geringe Vorhandensein von High-Level-Abstraktionen sowie die teilweise instabilen APIs von Bevy führten immer wieder zu Frustration.
Zudem stellte die doppelte Rolle von Bevy als aktive Open-Source-Community und sich immer noch in Entwicklung befindliche Engine einen besonderen Risikofaktor dar. Ständige Updates brachten zwar neue Features, erzeugten aber auch häufig Regressionen in grundlegenden Systemen wie dem Sprite-Rendering. Diese unvorhersehbaren Rückschläge gaben dem Team immer wieder Grund zur Sorge und bremsten den Fortschritt nachhaltig. Ein weiterer Faktor war der Einsatz von KI-Tools im Entwicklungsprozess, die für etablierte Sprachen wie C# bereits gut trainiert sind und dadurch sehr effizient bei Lernprozessen, Code Reviews und Problemlösungen unterstützen können. Bei Rust und Bevy war die Datenlage noch unzureichend, sodass der Einsatz von KI nicht die erwarteten Vorteile brachte.
In Zeiten, in denen Werkzeuge zur Beschleunigung der Entwicklung essenziell sind, ist dies ein klarer Nachteil. Obendrein spielte die Mod-Community eine eigene wichtige Rolle. Als ehemaliger Modder hat der leitende Entwickler großes Interesse daran, sein Spiel möglichst flexibel und erweiterbar zu gestalten. Die mangelnde Stabilität des ABI von Rust und das Fehlen eindeutig komfortabler Skripting-Lösungen erschwerten diese Vision zunehmend. Zwar lässt sich vieles theoretisch lösen, doch praktikable und vertrauenswürdige Implementierungen sind rar.
Diese gesammelten Herausforderungen führten zu einem umfassenden Umdenken. Anfang 2025 begann das Team deshalb, Alternativen zu evaluieren. Ein Vergleich zwischen Unreal Engine, Godot, der Fortsetzung mit Bevy und Unity wurde durchgeführt. Überraschenderweise rückte die Unity Engine trotz anfänglicher negativer Erfahrungen schnell in den Vordergrund. Die Verbissenheit einiger Entwickler, wie dem Leiter des Projekts, Unity komplett auszuschließen, wurde durch eine sachlichere Neubewertung ersetzt.
In nur wenigen Tagen experimentierte das Team mit Kernfeatures wie Tilemaps, Charakteranimationen – welche das komplexe Management von Spine-Anbindung erforderten – und der Benutzeroberfläche. Diese Tests verliefen so erfolgreich, dass nach drei Tagen klar war, dass Unity eine deutlich produktivere Basis darstellen würde. Der drastische Produktivitätsschub zeigte sich nicht nur in der Entwicklungszeit. Auch Einsteiger ins Team fanden deutlich schneller Zugang, wie am Beispiel des weniger erfahrenen Bruders des Leiters zu beobachten war. Komponenten ließen sich mit weniger Boilerplate umsetzen, was nicht nur die Codebasis verschlankte, sondern auch die Wartbarkeit deutlich verbesserte.
Die API-Stabilität von Unity, gepaart mit einer ausgereiften Tool-Landschaft, erleichterten viele Schritte des Entwicklungszyklus. Auch bei der Shaderprogrammierung zeigte sich, dass visuelle Werkzeuge wie Shader Graph zwar den Einstieg erleichtern können, auf Dauer jedoch in ihrer Flexibilität und Refaktorierbarkeit begrenzt sind. Der Wechsel zu einer HLSL-basierten Shadererstellung brachte eine zusätzliche Effizienzsteigerung. Mit der abschließenden Entscheidung zur vollständigen Migration begann eine intensive Phase des Neuaufbaus. Sechs Wochen Arbeit wurden investiert, um die bestehenden Systeme und Spielinhalte von Bevy nach Unity zu portieren.
Die Mühe zahlte sich aus: Die Entwicklungsagilität stieg messbar, die Codebasis wurde bedeutend kompakter und die Motivation im Team verfestigte sich. Drei Monate nach dem Wechsel steht das Entwicklerteam vor einer deutlich verbesserten Workflow-Situation. Kleinere und größere Anpassungen können schneller umgesetzt werden, das Echtzeit-Feedback erleichtert es, Gameplay-Ideen unmittelbar zu testen und zu verfeinern. Gleichzeitig profitieren die Entwickler von einer Vielzahl etablierten Drittanbieter-Tools, wie dem AStar Pathfinding Project, die Wege für effiziente Problemlösungen ebnen. Trotz all dieser Vorteile bleiben offene Fragen, etwa im Bereich der Lokalisierung.
Während im Rust-Ökosystem mit Fluent eine nahezu ideale Lösung bestand, fehlt für Unity derzeit eine vergleichbare, etablierte Bibliothek. Dieses Manko wird möglicherweise noch zusätzlichen Aufwand in der Zukunft bedeuten. Insgesamt spiegeln die Erfahrungen des Architect of Ruin-Teams eine grundlegende Erkenntnis wider: Leidenschaft für eine Technologie und frühzeitige Begeisterung sollten immer durch pragmatische Abwägungen ergänzt werden. Eine ehrliche Evaluierung der eigenen Bedürfnisse und Projektanforderungen ist essenziell, um langfristig effizient bauen zu können. Der Wechsel von Rust und Bevy zu Unity klingt zunächst wie ein Rückschritt, ist jedoch Ausdruck einer strategischen Entscheidung zugunsten von Zugänglichkeit, schnellerer Iteration und größerer Teamproduktivität.
Es ist eine Erinnerung, dass jede Technologie ihre Stärken und Grenzen hat und dass die beste Wahl nicht immer die technisch spannendste oder modernste ist, sondern jene, die am besten zur spezifischen Projektsituation passt. Rust bleibt eine großartige Sprache mit einem enthusiastischen Community-Umfeld und wird sicherlich für viele Anwendungen und Projekte weiterhin erste Wahl sein. Doch in Fällen, in denen schnelle Entwicklung, Teamzusammenarbeit und Nutzung eines breit aufgestellten Tool-Ökosystems im Mittelpunkt stehen, ist Unity mit C# nach wie vor ein starker Kandidat. Diese Geschichte überzeugt vor allem durch ihre Offenheit, die auch Hindernisse und Fehler in der eigenen Einschätzung nicht verschweigt. Sie zeigt, dass es in der Spieleentwicklung oftmals notwendig ist, bestehende Komfortzonen zu verlassen und mutige Entscheidungen zu treffen, um das bestmögliche Resultat zu erzielen.
Der Wechsel mag zwar gegen persönliche Vorlieben sprechen, stellt aber am Ende des Tages sicher, dass das Projekt Architekt of Ruin die Spiel- und Entwicklungsqualität erreicht, die sich das Team vorgenommen hat. Zukünftige Berichte zur Umsetzung spezieller Unity-Features und technischen Details rund um den Port dürften wertvolle Einsichten liefern und zeigen, wie die Migration auch auf technischer Ebene erfolgreich gestaltet wurde. Für Entwickler, die vor ähnlichen Entscheidungen stehen, bietet das Beispiel lohnende Impulse, eigene Projekte kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls neu auszurichten.