In den letzten Jahren hat sich die digitale Transformation als zentrale Triebfeder für Wachstum und Innovation in Europa etabliert. Besonders innerhalb der EU-Kommission und deren Generaldirektionen, wie DG CONNECT, wird die Digitalisierung mit Nachdruck vorangetrieben. Dennoch sorgt eine aktuelle Änderung des Verhaltenskodexes für Aufsehen: EU-Tech-Beamte wurden angewiesen, bei Sitzungen konsequent auf elektronische Geräte zu verzichten und sich zugleich in klassischer, konservativer Manier zu kleiden – Männer sollen eine Krawatte tragen. Ein Schritt, der auf den ersten Blick wie ein Rückfall in vergangene Zeiten wirkt, wirft jedoch ein Licht auf die sich wandelnden Anforderungen und Erwartungen an europäische Führungskräfte in einem sich rasant entwickelnden Technologieumfeld.Die Verordnung zur Änderung des Verhaltenskodexes wurde infolge von Beschwerden und Beobachtungen des DG CONNECT-Direktor-Generals Roberto Viola sowie der Kabinettsmitglieder der zuständigen Technologie-Kommissarin Henna Virkkunen ausgegeben.
Über das Verbot der Nutzung elektronischer Geräte hinaus fordert der neue Verhaltenskodex eine distanzierte Gesprächsführung: Beamte sollen nur dann sprechen, wenn sie dazu aufgefordert werden oder sich selbst kurz vorstellen – ansonsten wird Zurückhaltung erwartet. Notizen müssen klassisch mit Stift und Papier angefertigt werden – ein kontrastreiches Bild im Zeitalter von Smartphones, Tablets und Laptops.Auf den ersten Blick könnte man in dieser Maßnahme eine Rückkehr zu altmodischen Bürostandards erkennen, doch dahinter verbirgt sich ein tiefergehender Sinn. In sensiblen politischen und technischen Gesprächen spielen Datenschutz, Geheimhaltungsaspekte sowie die Vermeidung jeglicher Ablenkung eine wichtige Rolle. Die Verwendung von elektronischen Geräten birgt Risiken wie Informationslecks oder Sicherheitslücken.
Zudem soll der Fokus auf das Wesentliche gelenkt werden, indem physische Ablenkungsquellen minimiert werden. Die Forderung, sich „richtig“ zu kleiden, drückt zudem eine Wertschätzung gegenüber den Gesprächspartnern aus und symbolisiert Seriosität sowie Respekt im professionellen Umgang, was insbesondere bei hochrangigen Verhandlungen von Bedeutung ist.Die neue Richtlinie hebt die Verschiebung in den Prioritäten auf, die innerhalb der EU im Bereich der digitalen Regulierung zu beobachten ist. Kommissarin Henna Virkkunen und ihr oberster Beamter Roberto Viola sind stark involviert in die Überwachung und Kontrolle großer amerikanischer Technologiekonzerne, darunter auch Unternehmen wie Elon Musks Plattform X. Dies bringt eine enorme Verantwortung mit sich, die nicht nur Fachwissen, sondern auch diskrete und kontrollierte Kommunikationswege verlangt.
Gerade bei kontroversen Themen wie der Regulierung digitaler Inhalte oder Datenschutz spielen Vertrauen und Verlässlichkeit in der Kommunikation eine entscheidende Rolle.Innerhalb der Europäischen Union bestehen unterschiedliche Kulturen und Erwartungen, was den Umgang mit Technik, Datenschutz und Protokoll betrifft. Der neue Verhaltenskodex kann als Mittel der Harmonisierung verstanden werden, der Bewusstsein für Sicherheitsanforderungen schafft und zugleich eine professionelle Arbeitsatmosphäre fördern will, in der alle Beteiligten mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Respekt agieren. Obwohl einzelne Beamte die neuen Regeln durchaus skeptisch sehen und sie als überholt oder unnötig kritisieren, reflektiert die Maßnahme das Bemühen, den hohen Ansprüchen und der Komplexität des europäischen Digitalrechts gerecht zu werden.Ein weiterer Grund für die Verschärfung der Regeln dürfte die gestiegene Anzahl und Wichtigkeit interner Meetings sein, wie ein Offizieller erwähnte: Es finden nunmehr mehr Sitzungen mit der Kommissarin Virkkunen und deren Kabinett statt als noch zu Zeiten ihres Vorgängers Thierry Breton.
Diese Zunahme an hochrangigen Gesprächen erfordert eine klare Struktur und einen angemessenen Rahmen, der sachliche Diskussionen fördert und Unklarheiten sowie Ablenkungen von vornherein ausschließt.In Zeiten, in denen die digitale Welt schnelllebiger denn je ist und gleichzeitig Sicherheitsbedenken rund um den Umgang mit Daten und Kommunikation wachsen, zeigt die EU mit diesem Schritt, dass sie in manchen Bereichen auf traditionelle Werte von Diskretion, Respekt und formaler Etikette setzt. Dabei soll nicht der Fortschritt behindert werden, sondern vielmehr ein Rahmen geschaffen werden, in dem technologische Innovationen mit einer verantwortungsbewussten und gut organisierten Administration Hand in Hand gehen.Diese Entwicklung steht in einem gewissen Kontrast zu vielen öffentlichen Vorstellungen über die Digitale Transformation, die oft mit Flexibilität, Offenheit und ständiger Verbindung zu digitalen Medien assoziiert wird. Doch gerade in der politischen Verwaltung, die komplexe internationale Interessen bündelt und in hochsensiblen Themenfeldern agiert, sind klare Kommunikationsregeln essenziell.
Der Verzicht auf elektronische Notizen und die Beachtung einer formellen Garderobe sollen dazu beitragen, dass Meetings produktiv, fokussiert und höflich verlaufen – Werte, die im digitalen Zeitalter oft in den Hintergrund geraten.Darüber hinaus erinnern diese Regeln daran, dass die Digitalisierung und der Umgang mit Technik zwar Fortschritte ermöglichen, aber auch herausfordern. Die Balance zwischen der Nutzung digitaler Werkzeuge und einer professionellen, respektvollen Arbeitsweise muss stetig neu austariert werden. Besonders auf EU-Ebene, wo die Grundlage für zahlreiche Richtlinien und Gesetze gelegt wird, ist ein sensibler und kontrollierter Umgang unabdingbar.Insgesamt illustriert der neue Verhaltenskodex für EU-Tech-Beamte einen spannenden Spagat: Die Zukunft wird digital gestaltet, doch im Zentrum stehen weiterhin Werte wie Respekt, Seriosität und Verbindlichkeit.
Die Forderung„Krawatte statt Laptop“ markiert so nicht etwa eine Rückkehr in die Vergangenheit, sondern eine bewusste Adaption von Traditionen, die den komplexen Anforderungen digitaler Governance gerecht werden wollen. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese formalen Vorgaben auf die Effizienz und Atmosphäre innerhalb der EU-Behörden auswirken und ob sie als Vorbild für andere Institutionen dienen können, die ebenfalls an der Schnittstelle von Technik und Politik agieren.