Die Krypto-Industrie in den USA steht weiterhin vor erheblichen regulatorischen Herausforderungen, obwohl jüngste Schritte der US-Notenbank (Fed) für positive Signale gehalten wurden. Nic Carter, Mitbegründer von Castle Island Ventures und anerkannter Experte der Branche, äußerte sich kürzlich gegenüber CNBC kritisch zur Rolle der Fed als wesentlichem „Blocker“ für den Zugang von Banken zu Geschäften mit Kryptowährungen, insbesondere Stablecoins. Seine Aussagen werfen ein Schlaglicht auf die komplizierte und oft widersprüchliche Haltung der Zentralbank gegenüber innovativen Finanztechnologien und zeigen, wie regulatorische Maßnahmen selbst gut gemeinte Entschlüsse konterkarieren können.Operation Choke Point 2.0, ein Begriff, den Nic Carter im Jahr 2023 prägte, beschreibt eine verdeckte, koordinierte Kampagne von Regulierungsbehörden, die darauf abzielt, institutionelle Partnerschaften für Krypto-Unternehmen zu erschweren oder zu verhindern.
Die Fed spielte dabei eine zentrale Rolle im Umfeld dieses Programms, das durch eine Reihe von Leinregulierungen und Überwachungsmaßnahmen Banken vom Engagement im Kryptobereich abhielt. Insbesondere eine 2023 vom Fed-Vorstand einstimmig verabschiedete Policy Statement zu Abschnitt 9(13) manifestierte die Haltung, dass digitale Vermögenswerte höchstwahrscheinlich im Widerspruch zu den Grundsätzen sicherer und solider Bankpraktiken stehen. Das praktische Ergebnis war eine klare Warnung vor ernsten Vollstreckungsmaßnahmen bei Verstößen, was für Banken eine massive Hemmschwelle darstellte.Im April 2024 kündigte die Fed an, eine frühere Aufsichtsrichtlinie, die stabile Kommunikation seitens der Banken im Vorfeld geplanter Krypto-Aktivitäten verlangte, zurückzuziehen. Diese Richtlinie diente als de facto Verbotsmechanismus, der es vielen Banken faktisch unmöglich machte, mit Krypto-Firmen zusammenzuarbeiten.
Die Ankündigung wurde in der Krypto-Community zunächst als ermutigendes Signal interpretiert, doch Nic Carter und andere Branchenkenner sehen dahinter vor allem „viel heiße Luft“. Carter berichtet von zahlreichen Gesprächen mit Banken, die ausdrücklich darauf warten, dass die Fed klare Genehmigungen erteilt, bevor sie sich voll und ganz in den Stablecoin-Markt oder andere Krypto-Geschäfte wagen.Die Kritik geht über bloße Aussagen hinaus. Senatorin Cynthia Lummis, bekannt für ihre Unterstützung der Kryptowährungsbranche, bezeichnete den Schritt der Fed auf Twitter als „bloßen Lippenbekenntnis“. Sie wies darauf hin, dass die Fed weiterhin an schwerwiegenderen regulatorischen Anordnungen festhalte, allen voran das erwähnte Policy Statement, das eine weitreichende Wirkung entfaltet.
Im Gegensatz zu einfacher Mitarbeiteranweisungen sei diese Entscheidung vom Vorstand formell verabschiedet worden und somit aktuell bindendes Recht. Solange diese Politik nicht aufgehoben oder geändert wird, bleibt das regulatorische Umfeld für Krypto-Banken in den USA angespannt und von Unsicherheit geprägt.Die Schließung von drei Banken, die als besonders krypto-affin galten – Silvergate, Silicon Valley Bank und Signature Bank – wurde ebenfalls im Kontext von Operation Choke Point 2.0 diskutiert. Senatorin Lummis kritisierte die Fed scharf dafür, dass sie Banken stillgelegt habe, die keinesfalls insolvent waren, sondern aufgrund ihrer Aktivitäten mit digitalen Vermögenswerten in den Fokus geraten und letztlich zum Scheitern gebracht wurden.
Diese Ereignisse illustrieren den hohen politischen und wirtschaftlichen Einsatz, der hinter der regulatorischen Konfrontation steckt und die Risiken, die Krypto-nahe Finanzinstitutionen eingehen.Ein weiterer zentraler Streitpunkt bleibt die Vergabe von sogenannten Masterkonten durch die Fed an Krypto-Banken. Masterkonten sind Bankkonten bei der Fed für Banken selbst. Sie erlauben den Zugang zum Zahlungsverkehrssystem der Zentralbank und das Verwahren von Guthaben direkt bei der Fed. Trotz mehrfacher Forderungen und dem rechtlichen Vorgehen von Häusern wie Custodia Bank, deren CEO Caitlin Long sogar die Fed verklagt hat, weigert sich die Zentralbank bislang, solche Konten an Krypto-Banken zu vergeben.
Diese Blockade gilt als ein weiterer signifikanter Bremsklotz für die vollständige Integration der Krypto-Industrie in das traditionelle Finanzsystem.In diesem Kontext wird auch auf die Hoffnung gesetzt, dass neue Stablecoin-Gesetzgebungen, die in den USA demnächst erwartet werden, einige Probleme entschärfen könnten. Drei Hauptgesetze befinden sich aktuell in unterschiedlichen Stadien im Kongress: der STABLE Act im Repräsentantenhaus, der GENIUS Act im Senat sowie begleitende legislative Maßnahmen. Eine der Kernfragen in den Verhandlungen betrifft die Regulierung von unterschiedlichen Stablecoin-Modellen, insbesondere solchen, die Zinsen abwerfen oder algorithmisch gesteuert werden. Trotz der Hoffnung auf bessere regulatorische Klarheit ist noch nicht sicher, wann eine Einigung erzielt wird und wie umfassend die Reformen letztlich sein werden.
Die Diskrepanz zwischen einer öffentlichkeitswirksamen Ankündigung der Fed und der tatsächlichen regulatorischen Praxis illustriert einen weiteren Trend im US-Krypto-Regulierungsumfeld: Obwohl es immer wieder Signale für eine offenere Haltung gegenüber dezentralen Finanzprodukten und digitalen Vermögenswerten gibt, verharren einige der wichtigsten institutionellen Gatekeeper in einer Haltung des Abwartens oder der aktiven Verweigerung. Dieser Status quo erzeugt erhebliche Unsicherheiten bei Banken und Krypto-Unternehmen und hindert sie daran, neue Geschäftsmodelle zu etablieren oder zu skalieren.Darüber hinaus haben andere Aufsichtsbehörden wie die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) und das Office of the Comptroller of the Currency (OCC) in jüngster Vergangenheit Teile von Operation Choke Point 2.0 abgebaut. Zum Beispiel haben sie „Reputationsrisiken“ nicht mehr als ausschlaggebendes Kriterium dafür herangezogen, Banken von Krypto-Geschäften abzuhalten.
Diese Schritte werden von vielen Akteuren als positive Entwicklungen angesehen, können jedoch keineswegs den Einfluss der Fed ausgleichen. Die Behörden scheinen weiterhin unterschiedliche Gewichtungen und Prioritäten in ihrer Regulierung vorzunehmen, was den Markt mit volatilen Signalen konfrontiert.Nic Carters Fazit ist klar: Ohne eine klare, einheitliche und verbindliche Erlaubnis der Fed werden viele Banken weiterhin zögern, in den Krypto-Sektor voll einzusteigen. Die aktuelle Situation gleicht einer Blockade, die zwar nicht offen ausgesprochen, aber durch politische und regulatorische Instrumente durchgesetzt wird. Dies behindert letztlich auch die Weiterentwicklung der Krypto-Ökosysteme in den USA und gefährdet deren Wettbewerbsfähigkeit gegenüber internationalen Märkten, in denen regulatorische Rahmenbedingungen teilweise flexibler gestaltet werden.