Am 9. Mai 2025, dem traditionellen „Tag des Sieges“ in Russland, sorgte das Narva Museum mit einer symbolisch aufgeladenen Aktion für internationales Aufsehen. An der Fassade des Hermannschlosses, das direkt an der Grenze zu Russland am Ufer des Narva-Flusses liegt, wurde ein großes Poster angebracht, das den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Adolf Hitler in einem Bild vereint – ein starkes und deutliche politisches Signal, das direkt nach Russland gerichtet ist. Der Banner trägt die Aufschrift „PUTLER KRIEGSVERBRECHER“ und ist von der russischen Seite des Flusses gut zu sehen. Diese Geste ist eine Fortsetzung einer jährlichen Tradition des Museums, die seit 2023 besteht und unterschiedliche, aber stets kritische Botschaften gegen die Handlungen des russischen Regimes enthält.
Bereits im Vorjahr war ein Banner mit der Bezeichnung Putins als Kriegsverbrecher am Kirchturm der Burg zu sehen. Narva, eine Grenzstadt mit einer historisch belasteten Beziehung zu Russland, symbolisiert mit dieser Aktion klar die Abgrenzung zu der russischen Interpretation und Feier des 9. Mai. In Russland gilt dieser Tag als Siegesfeier über das nationalsozialistische Deutschland, begleitet von starker nationalistischer Propaganda und der Darstellung militärischer Stärke. Für Estland – und viele andere ehemals von der Sowjetunion besetzte Länder – ist der 9.
Mai jedoch ein zweischneidiges Ereignis: Während die Kapitulation Deutschlands das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutet, begann für Estland mit der sowjetischen Besetzung 1944 eine neue Phase der Unterdrückung, die bis zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit 1991 andauerte. Daher wird hierzulande der 8. Mai als Tag des Kriegsendes und der Befreiung gewürdigt, während der 9. Mai als Symbol für eine erneute Besatzung gilt. Das Narva Museum nutzt das Symbol des Hermannschlosses, eine historische Festung, die seit Jahrhunderten als Grenzposten zwischen Ost und West fungiert, für seine politische Botschaft.
Die Wahl des Putler-Bildes ist bewusst provokant: Die Kombination aus Putins Namen und Hitler verweist nicht nur auf die vermeintliche Diktatur und die Kriegsverbrechen des russischen Präsidenten, sondern erinnert auch an die ideologische Nutzung von Hitler als Inbegriff des Bösen in der sowjetischen Kriegspropaganda. Das Museum will damit die Kontinuität zwischen der historischen sowjetischen propagandaartigen Dämonisierung Hitlers und der aktuellen politischen Situation mit Putin herausarbeiten. Narva-Museumsdirektorin Maria Smorzhevskikh-Smirnova betonte, dass das Banner jedes Jahr aufgestellt wird, um an das von Russland geführte groß angelegte Kriegsgeschehen und dessen Verbrechen zu erinnern. Sie stellte klar, dass sie einen Diktator als solchen und begangene Kriegsverbrechen klar benennen möchte, um eine friedliche und souveräne europäische Zukunft zu unterstützen. Die Aktion geschieht in einem Kontext fortlaufender Medien- und Kulturpropaganda zwischen den direkt aneinander angrenzenden Städten Narva in Estland und Iwangorod in Russland.
Auf russischer Seite werden seit 2023 am 9. Mai große Bildschirme mit Propagandakonzerten und ähnlichen Inhalten aufgestellt, die auf die überwiegend russischsprachige Bevölkerung gerichtet sind. Dies verstärkt den Kontrast zwischen den politischen Narrativen auf beiden Seiten und unterstreicht die Bedeutung von Symbolen und öffentlichen Darstellungen im Konflikt zwischen Ost und West. Der „Tag des Sieges“ in Russland hat sich in den vergangenen Jahren von einer rein historischen Gedenkfeier zunehmend zu einem Instrument nationalistischer Selbstdarstellung und Machtdemonstration gegenüber sogenannten „unfreundlichen“ Staaten entwickelt, insbesondere solchen, die der NATO angehören. Militärparaden und propagandistische Aufmärsche sind Ausdruck nicht nur des staatlichen Selbstverständnisses, sondern auch ein Zeichen der Bereitschaft zu weiteren militärischen Abenteuern.
Die Initiativen wie jene an der Narva-Seite sollen dem gegensätzlichen europäischen Ideal von Frieden, Freiheit und Solidarität Ausdruck verleihen, wie sie am selben Tag in Estland und Europa mit dem „Europatag“ gefeiert werden. Die juristische Reaktion Russlands auf diese Symbolik ist bereits deutlich: Die Museumsdirektorin Smorzhevskikh-Smirnova wurde in Russland in Abwesenheit wegen angeblicher „Fake News über das russische Militär“ verurteilt. Für sie ist das ein „großer Ehren.“ Zudem hatte sie eine Ausstellung über die sowjetische Bombardierung von Narva 1944 organisiert, die die historischen Parallelen mit der aktuellen Situation deutlich macht und die Forderung nach Anerkennung russischer Kriegsgreuel nochmals hervorhebt. Historisch gesehen steht das Hermannschloss in Narva für Schutz und Verteidigung gegen Invasionen – seien es die schwedischen, russischen oder sowjetischen.
Heute dient es als Bühne für eine klare politische Stellungnahme gegen die Kriegstreiberei und die verbrecherischen Handlungen der russischen Führung. Diese Symbolik wird nicht nur von der lokalen Bevölkerung geschätzt, die am 9. Mai trotz der Spannungen ein öffentliches Konzert auf dem Rathausplatz in Narva genoss, sondern erreicht mit dem Banner auch Menschen auf der anderen Seite der Grenze. Das Aufhängen des Putin-Hitler-Banners ist ein provokanter Akt, der die Widersprüche zwischen den Sichtweisen auf den „Tag des Sieges“ und das Erbe des Zweiten Weltkriegs verdeutlicht. Während Russland diesen Tag als Triumph und patriotische Pflicht zelebriert und dazu eine aggressive Geschichtspolitik betreibt, nutzt Narva seine Grenzlage und historische Infrastruktur, um eine Gegenposition auszudrücken: ein Aufruf zu Frieden, Gerechtigkeit und der Verurteilung von Krieg und Diktatur.
Diese symbolische Handlung zeigt den anhaltenden Konflikt zwischen demokratischen Werten und imperialen Ambitionen im östlichen Europa. Gleichzeitig betont sie die Bedeutung von Erinnerungskultur und öffentlichem Diskurs im Kampf gegen politische Gewalt und Propaganda. Das Banner am Hermannschloss wird somit nicht nur zum politisch-medialen Signal, sondern auch zu einem Zeichen, das internationale Aufmerksamkeit auf den anhaltenden Krieg und die politische Lage in der Region lenkt. In einer Zeit, in der die Informations- und Propagandaschlacht zwischen Russland und dem Westen auf vielfältigen Ebenen ausgetragen wird, rückt Narva mit der markanten Aktion an einem so symbolträchtigen Tag den Kampf um Wahrheit und Geschichte ins Zentrum. Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen diese Form der kulturellen und politischen Konfrontation auf lokaler und internationaler Ebene haben wird.
Eines jedoch steht fest: Die Stadt an der Grenze zeigt klare Kante gegen Kriegstreiberei und für die Verteidigung der europäischen Werte von Frieden, Freiheit und Solidarität – gerade an einem Tag, der für so viele unterschiedliche Bedeutungen steht.