Tether, der weltweit größte Stablecoin-Emittent, hat kürzlich bekannt gegeben, dass er plant, einen separaten Stablecoin speziell für den US-amerikanischen Markt zu entwickeln. Diese Ankündigung erfolgte im Kontext der fortschreitenden Regulierung durch den sogenannten Guiding and Establishing National Innovation for US Stablecoins Act, kurz Genius Act. Trotz der zunehmenden regulatorischen Klarheit und der angekündigten Einhaltung dieser Vorschriften sieht CEO Paolo Ardoino den bestehenden Stablecoin USDT primär weiterhin als ein Instrument für Schwellenländer und unbanked Bevölkerungsgruppen außerhalb der USA. Stablecoins als digitale Währungen, die an den Wert traditioneller Währungen wie den US-Dollar gebunden sind, spielen eine zunehmend wichtige Rolle im globalen Finanzökosystem. Tether (USDT) ist seit Jahren die dominierende Stablecoin und wird weltweit auf Kryptowährungsbörsen und im Zahlungsverkehr genutzt.
Während die Regulierung in Märkten wie Europa und den USA zunehmend strenger wird, geht Tether einen interessanten Weg, indem es sein Produktangebot für unterschiedliche regionale Anforderungen differenziert. Die Rolle von USDT in Schwellenländern ist enorm. Weltweit gibt es laut Weltbank rund 1,4 Milliarden Erwachsener, die keinen Zugang zu traditionellen Bankdienstleistungen haben. Viele dieser Menschen leben in Regionen wie Subsahara-Afrika und Teilen Asiens. Dort wird USDT häufig als wichtige Alternative genutzt, um Geld zu sparen und zu transferieren, insbesondere angesichts von instabilen lokalen Währungen und begrenzten Finanzmöglichkeiten.
Etwa 37 Prozent der USDT-Nutzer verwenden den Stablecoin zum Sparen. Aufgrund der Stabilität des US-Dollars bietet USDT in diesen Märkten eine bedeutende Absicherung gegen lokale Währungsrisiken. In den USA sieht die Situation jedoch anders aus. Das Finanzsystem gilt dort als weiterentwickelt und bietet eine Vielfalt von Zahlungsoptionen. Laut Ardoino werden Stablecoins in den USA bisher nicht in dem Maße genutzt, um Zahlungsprozesse effizienter zu gestalten.
Aus diesem Grund plant Tether einen neuen Stablecoin, der speziell für den US-Markt konzipiert wird und sich mit neuen Funktionalitäten von USDT unterscheidet. Dieser US-inländische Stablecoin soll den spezifischen Bedürfnissen der US-amerikanischen Nutzer gerecht werden und wird somit als ein eigenständiges Produkt neben USDT existieren. Die regulatorische Landschaft ist für Stablecoin-Emittenten ein entscheidender Faktor. Der Genius Act stelle eine bedeutende regulatorische Entwicklung dar, die speziell die Unterscheidung zwischen ausländischen und inländischen Stablecoin-Anbietern hervorhebt. Tether zeigt sich offen dafür, sich vollumfänglich an die Vorgaben des Genius Acts anzupassen.
Ardoino hebt hervor, dass dieser Gesetzesvorschlag deutlich fortschrittlicher sei als die europäische Regulation MiCA, die laut ihm einige nachteilige Anforderungen wie das Halten von 60 Prozent der Reserven in europäischen Bankeinlagen vorsieht. Der Genius Act verlangt, dass Stablecoin-Anbieter ihre Reserven zu 100 Prozent in baräquivalenten Mitteln halten, bevorzugt in US-Staatsanleihen. Diese klare Anforderungen bieten aus Sicht von Tether eine soliden regulatorischen Rahmen, der gleichzeitig die Interessensvertretung von Emitenten berücksichtigt. Ardoino sieht jedoch noch ein großes Bedürfnis nach regulatorischer Klarheit, bevor der neue US-Produktstablecoin auf den Markt gebracht wird. Die US-Regierung hat zuletzt durch die Abstimmung im Senat erste Schritte unternommen, um den Gesetzgebungsprozess zu beschleunigen, aber der finale Durchbruch steht noch aus und wird nach der parlamentarischen Sommerpause erwartet.
Ein wesentlicher Motor hinter der Einführung eines separaten Stablecoins für den US-Markt ist das Bewusstsein, dass ein einheitliches Produkt nicht sämtliche Anwendungsfälle und Marktanforderungen weltweit abdecken kann. USDT wird seine Rolle als digitale Brücke vor allem in Regionen mit einem hohen Anteil unbanked Menschen weiter ausbauen. Die geplante US-Inlandslösung wird hingegen besser an die komplexen Anforderungen eines starken und hochregulierten Finanzmarkts wie den USA angepasst sein. Dabei könnte der neue Stablecoin zusätzliche Features bieten, die für den Zahlungsverkehr, Handel oder regulatorische Compliance in den USA notwendig sind. Zudem unterstreicht Tether damit seine Ambition, nicht nur als dezentraler Stablecoin-Anbieter tätig zu sein, sondern auch als ein Systemspieler, der sich in nationale Rechtsrahmen integriert.
Dies könnte das Vertrauen institutioneller Investoren erhöhen und die Akzeptanz von Stablecoins in bislang weniger erschlossenen Segmenten steigern. Die Entscheidung, zwei verschiedene Stablecoin-Produkte parallel zu betreiben, ist auch ein Ausdruck der differenzierten globalen Kryptomärkte. Während in Schwellenländern die Stabilität und der Zugang zu einfachen digitalen Mitteln im Vordergrund stehen, müssen in entwickelten Wirtschaftsräumen zusätzliche regulatorische Auflagen, Datenschutz und Technologiefeatures berücksichtigt werden. Diese Strategie zeigt den Reifegrad und die Flexibilität von Tether, sich auf verschiedene Marktbedingungen einzustellen. Die bevorstehende Verabschiedung des Genius Acts in den USA wird somit eine Weichenstellung für die Zukunft der Stablecoins darstellen.