In den letzten Jahren hat die Kryptowelt enorm an Bedeutung gewonnen, wobei immer mehr Menschen Bitcoin, Ethereum und andere digitale Vermögenswerte kaufen und handeln. Doch mit dem wachsenden Marktvolumen und der steigenden Anzahl wohlhabender Krypto-Anleger wächst auch das Interesse krimineller Organisationen an diesen potenziell lukrativen Zielen. Eine alarmierende Entwicklung ist der Anstieg gewaltsamer Raubüberfälle, bei denen Täter nicht nur auf den Diebstahl digitaler Vermögenswerte abzielen, sondern inzwischen auch physische Gewalt und Einschüchterung nutzen, um Zugang zu den Krypto-Beständen ihrer Opfer zu erzwingen. Diese Form der Kriminalität wird in der Fachsprache oft als „$5-Wrench-Attack“ bezeichnet – eine Metapher für die brutalen Methoden, bei denen der Täter buchstäblich mit einem Schraubenschlüssel (englisch „wrench“) auf das Opfer losgeht, um Zugriff auf dessen Krypto-Guthaben zu erzwingen. Jüngste Fälle zeigen, wie prekär die Sicherheitslage geworden ist.
Insbesondere im Jahr 2025 wurde von mehreren schwerwiegenden Angriffen auf prominente Krypto-Investoren berichtet, die zum Teil mit Entführungen, Körperverletzungen und Lösegeldforderungen in Kryptowährungen einhergingen. Im Mittelpunkt steht dabei die zunehmende Professionalität der Täter, die ihre Angriffe minutiös planen und sich oft über Tage hinweg die vollständige Kontrolle über ihre Opfer sichern, um Kryptowährungen zu erpressen. Ein besonders schockierendes Beispiel ist die Entführung von David Balland, Gründer der bekannten Krypto-Wallet-Firma Ledger, und seiner Frau Amandine. Im Januar 2025 wurden sie gewaltsam aus ihrem Zuhause in Paris entführt und an verschiedene Orte gebracht, um den Druck auf das Unternehmen zu erhöhen. Die Entführer forderten ein beträchtliches Lösegeld in Kryptowährungen, wobei sie zur Abschreckung sogar eine entstellte Hand von Balland fotografierten und dieses Bild an Ledger schickten.
Trotz der brutalen Umstände reagierte die Polizei schnell und organisierte eine großangelegte Suche, die zur Befreiung des Paares führte – unterstützt durch die Verfolgung und Sicherstellung eines Teils der Lösegeldzahlungen. Die Täter wurden teilweise festgenommen, was jedoch nicht den Ansatz der Problemlösung darstellt, da die Gefahr unvermindert bestehen bleibt. Ein anderer spektakulärer Angriff ereignete sich in den Philippinen, wo der südkoreanische Bitcoin-Händler Taehwa Kim unter dem Vorwand eines Verkaufs seines Lamborghini zu einem Treffen gelockt wurde. Die angebliche Probefahrt wandelte sich in eine Entführung, bei der Kim mehrere Tage gefangen gehalten und gefesselt war. Während die Täter es nicht schafften, an seine Kryptowährungen heranzukommen, beraubten sie ihn seines Luxusautos, einer teuren Armbanduhr und persönlicher Gegenstände.
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass häufig neben den digitalen Vermögenswerten auch materielle Besitztümer von Wert im Visier der Täter stehen. Die Risiken für öffentlich bekannte Persönlichkeiten im Krypto-Sektor zeigt der Fall der bekannten Streamerin und Cosplayerin Kaitlyn Siragusa, besser bekannt als „Amouranth“. Im November 2024 präsentierte sie stolz eine beträchtliche Menge an Bitcoin und Ether in ihrem Wallet in den sozialen Medien – knapp 20 Millionen US-Dollar an Kryptowährung und zusätzlich 80.000 US-Dollar in Ether. Im März 2025 wurden dann drei bewaffnete Täter in ihr Zuhause eingebrochen, mit der Absicht, ihre Kryptowährungen gewaltsam zu stehlen.
Siragusa berichtete über den Angriff und gab an, sich gegen die Täter gewehrt zu haben, was diese schließlich zur Flucht zwang. Diese Geschichte illustriert, wie öffentlich sichtbare Vermögenswerte im Social-Media-Zeitalter durchaus gefährlich sein können, wenn sich dadurch kriminelle Täter mobilisieren lassen. Auch in Südamerika ist die Bedrohung präsent, wie der Fall eines spanischen Geschäftsmannes in São Paulo zeigt. Dieser wurde von als Zivilpolizei verkleideten Kidnappern entführt und drohte eine Woche lang gequält zu werden, bis die Entführer eine enorme Summe von 50 Millionen US-Dollar in Kryptowährung forderten. Obwohl der Mann durch eine glückliche Gelegenheit fliehen und die Polizei alarmieren konnte, wurde der Vorfall als Warnsignal für das regionale Sicherheitsniveau und die teils skrupellosen Methoden der Täter gewertet.
Mehrfach kam es in Frankreich zu Übergriffen insbesondere auf Angehörige einflussreicher Krypto-Unternehmer. So wurde die Tochter des CEO einer französischen Krypto-Börse zusammen mit ihrem kleinen Sohn bei einem Spaziergang in Paris von maskierten Angreifern attackiert, die sie entführen wollten. Der Einsatz der Passanten und der Mut der Frau verhinderte eine Entführung, aber die Verletzungen bleiben akut und verdeutlichen die steigende Gefährdungslage. Kurz zuvor wurde in Paris auch der Vater eines französischen Krypto-Unternehmers entführt, gefoltert und zur Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von mehreren Millionen Euro in Kryptowährung gezwungen. In beiden Fällen bemerkten Sicherheitsexperten Ähnlichkeiten in der Vorgehensweise, was auf mögliche organisierte Tätergruppen hindeutet, die gezielt wichtige Akteure der Branche ins Visier nehmen.
Angesichts dieser Vorfälle rückt die Sicherheit von Individuen – nicht nur der Schutz der digitalen Vermögenswerte – in den Fokus der Kryptoherde. Experten, wie Ben Davis, CEO einer Blockchain-Versicherungsfirma, weisen darauf hin, dass die Angriffe vermehrt in den privaten Räumen der Betroffenen erfolgen und mit höherer Brutalität und Planung verbunden sind als noch vor wenigen Jahren. Er betont zudem, dass das klassische Bild von Krypto-Raubüberfällen, die vor allem auf Reisen oder unterwegs stattfinden, nicht mehr zeitgemäß ist. Die Reaktion der Behörden verweist ebenfalls auf die ernste Bedrohungslage. So trat der französische Innenminister Bruno Retailleau Anfang Mai 2025 mit Vertretern der Kryptobranche zusammen, um Gegenmaßnahmen zu besprechen.
Die Gespräche konzentrierten sich auf verbesserte Schutzkonzepte, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Polizei und Krypto-Unternehmen sowie verstärkte Aufklärungsarbeit gegenüber den Anlegern. Denn das steigende Risiko gewalttätiger Überfälle könnte das Vertrauen in die Branche nachhaltig schädigen und potenzielle Investoren abschrecken. Für Krypto-Anleger bedeutet die aktuelle Entwicklung, dass neben technischen Schutzmaßnahmen wie Cold Wallets und sicheren Passwörtern auch die physischen Sicherheitsvorkehrungen erheblich verbessert werden müssen. Die Einrichtung von Alarmanlagen, Einsatz von Sicherheitspersonal und das Vermeiden der öffentlichen Bekanntgabe von Besitzständen könnten gerade für High-Net-Worth-Individuals entscheidend sein. Auch die Sensibilisierung für die Risiken in sozialen Medien ist ein wichtiger Faktor.
Darüber hinaus gewinnt die Versicherungsbranche für digitale Vermögenswerte zunehmend an Bedeutung. Firmen, die maßgeschneiderte Policen gegen Entführung, Erpressung und Diebstahl mit gewaltsamen Methoden anbieten, können einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Krypto-Community leisten und den Betroffenen zumindest einen Teil des finanziellen Schadens abfedern. Die Verbindung zwischen digitaler und physischer Sicherheit wird immer enger, weshalb sich die Krypto-Branche zunehmend als multidisziplinäres Feld versteht. Cybersecurity-Experten arbeiten heute Hand in Hand mit Sicherheitsfirmen, Rechtsberatern und polizeilichen Einheiten, um ein umfassendes Schutzkonzept zu entwickeln. Dies soll verhindern, dass die zunehmenden Gewalttaten nicht nur Einzelfälle bleiben, sondern zur Normalität werden und die Branche destabilisieren.
Zusammenfassend unterstreicht der Trend der gewaltsamen Krypto-Raubüberfälle die Notwendigkeit einer ganzheitlichen Sicherheitsstrategie, die sowohl technische als auch physische Schutzmaßnahmen umfasst. Für Krypto-Anleger gilt es, wachsam zu bleiben, ihre Sicherheitskonzepte regelmäßig zu überprüfen und sich der Risiken bewusst zu sein, die mit dem Besitz von Kryptowährungen einhergehen. Nur durch ein nachhaltiges gemeinsames Vorgehen von Unternehmen, Behörden und Anlegern kann diese neue Form der Kriminalität eingedämmt und der Wachstumsmarkt Kryptowährungen langfristig geschützt werden.