Der Film ‚Conclave‘ hat durch seine spannende Darstellung der Papstwahl viele Zuschauer fasziniert, besonders durch seine Kombination aus Drama, Intrigen und sakraler Zeremonie. Doch wie exakt entspricht die Handlung des Films tatsächlich dem realen Verfahren, das seit Jahrhunderten die Wahl des Oberhauptes der katholischen Kirche bestimmt? Der geheime und streng reglementierte Papstwahlprozess ist von tiefverwurzelten Traditionen und festgelegten Ritualen geprägt, die in der Öffentlichkeit selten Einblick gewähren. Deshalb zieht ‚Conclave‘ als filmische Umsetzung besondere Aufmerksamkeit auf sich, sowohl für Kenner als auch für Laien. Um die Genauigkeit des Films einzuschätzen, ist es notwendig, die tatsächlichen Schritte und Regeln der Papstwahl gegen die im Film gezeigten Elemente abzuwägen. Zunächst berücksichtigt ‚Conclave‘ viele der logistischen Abläufe, die der Realität entsprechen.
So präsentiert der Film etwa die Ballotage mit den geheimen Stimmzetteln, die den Kardinälen gereicht werden und anschließend in ein Chalice, einen großen Kelch, eingeworfen werden. Dieses Ritual wird von einem Gebet begleitet und findet in der strengen Geheimhaltung der Sixtinischen Kapelle im Vatikan statt. Auch die Verwendung von Rauchsignalen zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses – schwarzer Rauch bei keiner Mehrheit, weißer Rauch bei einem neuen Papst – findet sich realitätsgetreu wider. Das zeitliche Maß der Wahl, die im Film über drei Tage dauert, entspricht typischerweise der Dauer moderner Konklave. Historisch lagen die meisten Wahlen im 20.
und 21. Jahrhundert zwischen drei und vier Tagen, was die Authentizität in diesem Detail unterstreicht. Doch trotz der exakten wiedergegebenen Zeremonien und Rahmenbedingungen macht der Film an mehreren Stellen Abweichungen von den strengen Regeln des tatsächlichen Konklaves. Ein besonders auffälliger Aspekt ist die Rolle des Kardinals Thomas Lawrence, der im Film als Dekan des Kardinalskollegiums verschiedene Aktionen unternimmt, die in der Wirklichkeit verboten wären. Im Film kommuniziert er regelmäßig mit einem Monsignore außerhalb der Kapelle, bittet sogar um geheime Informationen und erhält Nachrichten zu Vorfällen außerhalb des Konklaves.
Im realen Papstwahlprozess hingegen sind die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle vollkommen von der Außenwelt abgeschottet, ohne jeglichen Zugang zu Telefonen, Fernsehen oder sonstigen Kommunikationsmitteln. Jeglicher Kontakt zur Außenwelt während der Wahl ist streng untersagt, um Einflüsse, Manipulationen oder gar Unruhe zu verhindern. Diese Regelung unterstreicht die Sakralität und Neutralität, mit der die Wahl vollzogen wird. Eine weitere bedeutende Diskrepanz befasst sich mit der im Film dargestellten Aufnahme eines Kardinals, der als ‚in pectore‘-Kardinal gilt – also eine geheime und bis dato unbezeichnete Ernennung durch den verstorbenen Papst erhielt. Laut kanonischem Recht ist ein solcher Kardinal nicht berechtigt, am Konklave teilzunehmen, solange die Ernennung nicht vor dem Tod des Papstes öffentlich bekanntgegeben wurde.
Im Film jedoch wird diese Person überraschend ins Konklave aufgenommen, was in der Realität nicht denkbar ist, da seine Rechte als Kardinal nach dem Tod des Papstes erlöschen würden, sofern die Berufung geheim bleibt. Die Darstellung dieser Figur dient im Film dazu, zusätzliche Spannung und Konflikte zu erzeugen, reflektiert aber keine echte Praxis innerhalb der Kirche. Auch die Darstellung von Intrigen und Skandalen innerhalb der Wahlversammlung zeigt eine gewisse künstlerische Übertreibung. Während es keine Geheimnisse darüber gibt, dass politische und persönliche Faktoren die Wahl beeinflussen können, versucht die katholische Kirche traditionell, problematische Kandidaten vor Beginn des Konklaves sorgfältig auszuschließen. Idealerweise gelten die ‚Generalversammlungen‘ vor dem Konklave als Forum, um mögliche Skandale oder Bedenken zu diskutieren und zu klären.
In der Realität ist es sehr unwahrscheinlich, dass große Geheimnisse oder belastende Informationen während der Wahl an die Öffentlichkeit gelangen oder gar aufgedeckt werden. Allerdings sind Gerüchte oder politische Bewegungen nicht unbekannt. Historisch gesehen gab es immer wieder Versuche, Kandidaten durch gezielte Gerüchte zu schwächen oder deren Chancen zu beeinflussen. Doch die bewusste Enthüllung neuer Skandale während der eigentlichen Wahl ist weitgehend eine fiktive Zuspitzung der Realität. Die filmische Inszenierung von Rivalitäten und verdeckten Machtkämpfen zwischen Kardinälen und deren Versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen, erinnert stark an politische Thrillerszenarien.
Dies sorgt für Spannung und dramatische Wendungen, ist aber nicht uneingeschränkt repräsentativ für die tatsächlichen Abläufe. Neben narrativen Elementen gibt es auch kleinere, aber auffällige Details in der visuellen Umsetzung, wie ungenaue Kostüme oder liturgische Abläufe ohne Altar, die von Fachleuten kritisiert wurden. Solche Unterschiede sind zum Teil auf filmische Produktionsentscheidungen zurückzuführen, die eher auf Atmosphäre als akkurate Nachbildung setzen. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ‚Conclave‘ ein ausgewogenes Bild des Wahlprozesses vermittelt. Die logistischen und zeremoniellen Bestandteile erscheinen durchweg authentisch, was es dem Publikum erleichtert, einen Eindruck der historischen und spirituellen Bedeutung der Papstwahl zu gewinnen.
Die Charakterführung und Handlung dagegen geben der Geschichte Raum zur künstlerischen Freiheit mit Elementen von Drama, Geheimnissen und Regelverstößen, die in der Wirklichkeit so nicht vorkommen dürfen. Für jemanden, der ein grundlegendes Verständnis der Papstwahl gewinnen möchte, bietet der Film wertvolle Orientierung. Für Kenner oder solche, die Wert auf absolute Genauigkeit legen, sind die zahlreichen Abweichungen allerdings klar erkennbar. Die Papstwahl ist ein eng reglementierter Prozess, dessen Regeln sich über Jahrhunderte entwickelt und bewährt haben, um eine faire und spirituell fundierte Entscheidung zu gewährleisten. Der Film gibt Einblick in diesen hoch geheimen und bedeutungsvollen Ablauf, ohne dabei den Anspruch auf vollständige Dokumentation zu erfüllen – vielmehr vereint er Fakten und Fiktion zu einer faszinierenden Erzählung.
Interessierte Zuschauer und Leser sollten diese Balance kennen und den Film als eine dramatisch verdichtete Interpretation verstehen, die den wahren Reichtum der katholischen Tradition nur teilweise reflektiert. Wer noch tiefer in das Thema einsteigen will, tut gut daran, ergänzende Literatur, Dokumentationen oder offizielle Quellen rund um das Konklave zu konsultieren. Dort erfährt man mehr über die strengen Wahlordnungen, die historischen Hintergründe und die spirituellen Überlegungen, die diese einzigartige Institution prägen. So wird der Eindruck, den ‚Conclave‘ vermittelt, differenziert und um fundiertes Wissen bereichert.