Die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den USA und China beeinflussen zunehmend globale Unternehmen und Industrien. Besonders deutlich macht sich diese Entwicklung im Bereich der Chemieindustrie bemerkbar – ein Sektor, der auf reibungslose Handelsbeziehungen und offene Märkte angewiesen ist. JP Morgan hat kürzlich darauf hingewiesen, dass die Handelsspannungen das Wachstum von Eastman Chemical Company, einem der führenden Akteure auf dem Chemiesektor, erheblich beeinträchtigen. Die Analysten bei JP Morgan senkten ihre Prognosen für das Unternehmen und warnten vor einem herausfordernden Umfeld, das sich negativ auf Umsatz, Gewinn und zukünftige Wachstumsaussichten auswirken könnte. Eastman Chemical ist bekannt für seine spezialisierte Produktpalette, insbesondere im Bereich der Spezialpolymere, die eine bedeutende Rolle im globalen Markt spielen.
Der US-Hersteller ist seit Jahren gut positioniert, um von der wachsenden Nachfrage in diversen Industriezweigen zu profitieren. Doch die jüngsten Entwicklungen im geopolitischen Bereich, insbesondere die Zölle zwischen den USA und China, werfen dunkle Schatten auf die erwartete Geschäftsentwicklung. JP Morgans Analyst Jeffrey J. Zekauskas zeigte sich in seiner Analyse besorgt, dass die anhaltenden Handelsunsicherheiten das Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen stellen könnten. Die neuesten Quartalszahlen von Eastman zeigten bereits erste Anzeichen dieser Belastungen.
Im ersten Quartal 2025 lag das bereinigte Ergebnis je Aktie (EPS) bei 1,91 US-Dollar, was die Erwartungen leicht übertraf. Allerdings blieb der Umsatz mit 2,29 Milliarden US-Dollar unter den Analystenschätzungen von 2,33 Milliarden US-Dollar. Dies ist ein deutliches Signal dafür, dass trotz guter Margenkontrolle die Umsatzentwicklung unter den aktuellen Handelsbedingungen leidet. Für das zweite Quartal prognostiziert Eastman ein bereinigtes EPS zwischen 1,70 und 1,90 US-Dollar, was deutlich hinter den Konsenserwartungen von 2,18 US-Dollar zurückbleibt. Die Probleme sind dabei nicht nur vorübergehender Natur.
Eastman berichtete, dass das normalerweise saisonal bedingte Volumenwachstum im zweiten Quartal, das meist durch den Einsatz in der Bauindustrie generiert wird, nur leicht ansteigen wird – und zwar weit unter dem Niveau, das üblicherweise zu dieser Zeit zu erwarten ist. Der Grund dafür sind die erhöhten Handelsunsicherheiten, die Unternehmen wie Eastman zwingen, Vorsicht walten zu lassen und geplante Investitionen und Produktionskapazitäten anzupassen. Ein weiterer gewichtiger Faktor sind die anhaltenden US-China Zölle, die zunehmend spürbare Auswirkungen auf die Gewinnmargen haben. Obwohl Eastman laut Zekauskas bislang kaum direkten operativen Schaden durch die Zölle erlitten hat, weil Kunden auf bereits im Inland vorhandene Materialien zurückgreifen, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sich die schwierigen Handelsbedingungen langfristig verschärfen und die Lieferketten sowie Absatzmärkte beeinträchtigen. Für Eastman sind die Verkäufe von Spezialpolymeren in China ein bedeutender Geschäftsbereich, mit einem Umsatzvolumen von rund 340 Millionen US-Dollar und einem geschätzten EBITDA von etwa 100 Millionen US-Dollar.
Darüber hinaus dürfte die geplante Wartung in der Produktion zu höheren Kosten im zweiten Quartal führen, was sich zusätzlich negativ auf die Erträge auswirkt. JP Morgan äußerte Zweifel an den von Eastman prognostizierten operativen Cashflows für 2025 in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar, da bereits im ersten Quartal ein negativer Cashflow von 167 Millionen US-Dollar aufgetreten ist. Diese Diskrepanz könnte auf eine unterbewertete oder zu optimistische Einschätzung der zukünftigen operativen Leistung hindeuten. Infolge dieser Entwicklungen passte JP Morgan seine Bewertungskennzahlen für Eastman an. Die Analysten senkten die Kaufempfehlung von „Overweight“ auf „Neutral“ und reduzierten das Kursziel von 112 US-Dollar auf 76 US-Dollar.
Gleichzeitig wurden die Gewinnschätzungen für 2025 von 8,45 US-Dollar auf 7,40 US-Dollar pro Aktie zurückgenommen und für 2026 von 9,00 US-Dollar auf 7,80 US-Dollar. Trotz dieser Kürzungen geht die Analyse davon aus, dass sich der Druck auf die Gewinne in der zweiten Jahreshälfte möglicherweise abschwächt, wenn sich der Effekt der Lagerbereinigung in der Lieferkette entspannt. Der Fall von Eastman Chemical illustriert eindrucksvoll, wie sensible Wirtschaftsbereiche wie die Chemieindustrie von geopolitischen Spannungen betroffen sind. Handelskonflikte verhindern nicht nur unmittelbare Umsätze, sondern wirken sich auch auf Investitionsentscheidungen, Produktionskapazitäten und langfristige Wachstumsstrategien aus. Für Anleger und Marktbeobachter ist es essenziell, diese Faktoren bei der Bewertung von Unternehmen in exportorientierten Branchen zu berücksichtigen.
Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Eastman Chemical vor bedeutsamen Herausforderungen steht. Die handelspolitischen Unsicherheiten, getragen vor allem von den Spannungen zwischen den USA und China, behindern das übliche saisonale Wachstum und setzen das Unternehmen unter erheblichen Margen- und Ertragsdruck. Die vorsichtige Haltung von JP Morgan spiegelt die zunehmende Vorsicht wider, mit der Investoren und Analysten die künftigen Entwicklungen betrachten. Für Eastman wird es in den kommenden Monaten entscheidend sein, wie gut das Management auf die widrigen Bedingungen reagieren kann und inwieweit es gelingt, den Kernmarkt in China trotz der Zölle zu stabilisieren. Diese Situation steht stellvertretend für den globalen Trend, dass Handelskonflikte und protektionistische Maßnahmen tiefgreifende und nachhaltige Auswirkungen auf international tätige Unternehmen haben können.