Die Welt der Spieleentwicklung hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert, und kaum eine Technologie hat diesen Wandel so tief geprägt wie die Unity Engine. Hinter dem Erfolg der am weitesten verbreiteten Game Engine steckt eine Vielzahl von Talenten, Visionären und Entwicklern, die stets bestrebt waren, die Möglichkeiten der interaktiven Medien neu zu definieren. Einer dieser engagierten Entwickler ist Rune Skovbo Johansen, dessen Arbeit bei Unity Technologies von 2009 bis 2020 den Aufbau und die Optimierung zahlreicher Funktionen entscheidend prägte. Seine Reise begann bereits vor seiner offiziellen Anstellung, als er während seiner Masterarbeit an der Universität Aarhus ein bahnbrechendes Locomotion-System entwickelte. Dieses ermöglichte Charakteren, sich realistisch und dynamisch auf unebenem Terrain zu bewegen – ein Gebiet, das für die authentische Spieleanimation von großer Bedeutung ist.
Diese frühe Zusammenarbeit mit Unity war für Johansen nicht nur eine Möglichkeit, innovative Technik zu entwickeln, sondern auch sein Einstieg in die Spieleindustrie, die damals noch in den Kinderschuhen steckte und weit weniger bekannt war als heute. Bei Unity selbst war Johansen zunächst maßgeblich an der Entwicklung des sogenannten Animation View beteiligt, dem integrierten Editor zur Bearbeitung von Animationen innerhalb der Unity-Umgebung. Diese Funktion ermöglichte es Entwicklern, nahezu jede Eigenschaft eines GameObjects zu animieren – von Bewegungen bis hin zu Materialveränderungen und zusätzlichen Skriptaufrufen. Besonders hervorzuheben ist die technische Raffinesse dieses Features: ein effizienter Kurveneditor mit Zoom- und Rasterfunktionen, die eine intuitive und präzise Bearbeitung erlaubten. Mit dieser innovation schuf das Team um Johansen eine Grundlage, die bis heute das Herzstück der Animationsbearbeitung in Unity darstellt.
Neben der Animation widmete sich Johansen auch der direkten Verbesserung der Benutzeroberfläche des Editors. Seine Rolle als „Creative Programmer“ brachte ihn dazu, nicht nur hinter den Kulissen technische Lösungen zu entwickeln, sondern auch auf die Usability und Eleganz der Werkzeuge zu achten. Seine Arbeit an Multi-Object Editing, einem Feature das es ermöglichte, mehrere Objekte zugleich im Inspektor zu bearbeiten, zeugt von dieser Orientierung an der Benutzerfreundlichkeit. Obwohl diese Funktion aus technischer Sicht eine erhebliche Herausforderung darstellte, vor allem bei ausgefeilten benutzerdefinierten Komponenten, überzeugte das Ergebnis durch Effizienz und Zeitersparnis für Entwickler weltweit. Die enge Verbindung zur Community war für Johansen stets ein wichtiger Aspekt seiner Arbeit.
In den frühen Jahren von Unity, als das Unternehmen noch klein und überschaubar war, übernahm er selbst viele Aufgaben im Bereich Community Management. Er beantwortete Fragen in Foren, engagierte sich auf Plattformen wie UnityAnswers und verfasste zahlreiche Blog-Beiträge, die nicht nur Funktionen erklärten, sondern auch Tipps und Best Practices für Entwickler bereitstellten. Diese Leidenschaft für den Austausch und das Vermitteln von Wissen trug dazu bei, dass sich Unity rasch zu einer festen Größe in der Spieleentwicklung etablieren konnte. Eine der wohl wichtigsten Entwicklungen in Johansens Karriere bei Unity war seine Mitwirkung an der Einbindung und Optimierung des Mecanim-Animationssystems. Nachdem Unity 2011 das kanadische Startup Mecanim übernommen hatte, galt es, diese fortschrittliche Technologie für Animationszustandmaschinen und humanoide Charaktere in Unity zu integrieren.
Johansen erkannte früh die Herausforderungen, die besonders Entwickler ohne AAA-Erfahrung bei der Verwendung solcher komplexen Systeme haben würden. Sein Beitrag, ein automatisches Setup für humanoide Knochen, erleichterte die Konfiguration durch einen Algorithmus, der die Zuordnung der Rig-Knochen zu den Standardhumanoidknochen in vielen Fällen per Knopfdruck erledigte. Diese Innovation erhöhte nicht nur die Zugänglichkeit, sondern verbesserte auch die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Animationen deutlich. Die Einführung eines visuellen Benutzeroberflächensystems (UI) war ein weiterer Meilenstein in Unitys Entwicklung, an dem Johansen maßgeblich beteiligt war. Das 2013 begonnene Projekt mündete 2015 in der Veröffentlichung von Unitys eigenem UIsystem, dem sogenannten uGUI.
Seiner Kritik an den anfänglichen Layoutlösungen folgte sein Vorschlag für ein flexibles Ankersystem namens RectTransform. Dieses löste alte Limitierungen auf und ermöglichte es Designern und Entwicklern, UI-Elemente unabhängig und feinjustiert an beliebigen Punkten relativ zur Elternkomponente zu verankern. Das innovative Konzept der sogenannten „Freeform Anchors“ findet sich heute nicht nur in Unity, sondern auch in anderen führenden Engines wie Unreal und Godot – ein Beleg für den nachhaltigen Einfluss von Johansens Arbeit. Neben dem RectTransform entwickelte er auch wichtige Funktionen für die automatische Layoutsteuerung, die Verwendung von Animationen für Interaktionen und die Navigation per Tastatur oder Gamepad. Diese Features tragen heute essentiell zu modernen Spieloberflächen bei, indem sie vielseitige Anpassungen und flüssige Nutzererfahrungen ermöglichen.
Es ist bemerkenswert, dass Johansen trotz des Wachstums von Unity als Unternehmen und der zunehmenden Spezialisierung der Teams fast alle seine Projekte mit einem hohen Maß an Eigeninitiative und kreativer Freiheit umsetzen konnte. So entstanden unter anderem auch mehrere Demo-Projekte und Präsentationen, die nicht nur der internen Entwicklung, sondern auch der externen Nutzerbasis zugutekamen. Beispiele hierfür sind Charakteranimations-Demos für Third-Person-Shooter sowie interaktive Tutorials, welche die Funktionalität der Unity Engine anschaulich vermitteln. Nicht alle Ideen erreichten jedoch die Marktreife. Manche Projekte, wie ein neues System für kundenspezifische Build-Konfigurationen oder eine Funktion, die es ermöglichen sollte, Änderungen im Play-Modus zu speichern, blieben aus verschiedenen Gründen unvollendet.
Hier spiegelt sich ein alltäglicher Entwicklungsalltag wider, in dem Prioritäten sich ändern und Ressourcen knapp sind. Eine der schmerzhaftesten Erfahrungen im Verlauf seiner Karriere bei Unity war für Johansen die abrupte Auflösung seines Teams für das neue Input-System. Gemeinsam mit dem Kollegen René Damm hatte er über mehrere Jahre eine moderne und flexible Alternative zum alten, limitierten Unity Input Manager entwickelt. Die Lösung sollte eine breite Vielfalt von Eingabegeräten, Mehrspieler-Konzepten und VR-Technologien unterstützen. Doch interne Organisationsdynamiken und Kommunikationsprobleme führten dazu, dass das Team ohne Vorwarnung aufgelöst wurde – ein Rückschlag, der viele seiner Hoffnungen und Erwartungen infrage stellte.
Im Anschluss fand Johansen eine neue Heimat im Scene Management Team, wo er zusammen mit Kollegen an der dringend benötigten Verbesserung der Prefab-Workflows arbeitete. Die Einführung von sogenannten Nested Prefabs, also verschachtelten prefabs, stellte eine der meistgewünschten Funktionen der Unity-Community über viele Jahre hinweg dar. Johansen war federführend bei der Ausarbeitung der Frontend-Workflows, bei der Verbesserung der Benutzerführung im Umgang mit Overrides und bei der Entwicklung eines konsistenten Systems von Icons und Symboliken, das die Komplexität von Prefab-Operationen transparenter machte. Diese Neuerungen wurden 2018 erstmals vorgestellt und fanden bei der Entwicklergemeinschaft große Anerkennung. Zudem arbeitete Johansen an experimentellen oder prototypischen Features wie Prefab-Black-Boxing, das eine bessere Kapselung von Prefabs anstreben sollte, um Fehlbedienungen und Fehlerquellen zu reduzieren.
Obwohl einige dieser Konzepte nie vollständig realisiert wurden, zeugen sie von seinem unermüdlichen Bestreben, die Qualität und Bedienbarkeit von Unity stetig zu verbessern. Seine Innovationsfreude zeigte sich auch bei kleineren, aber spürbaren Verbesserungen, wie der Weiterentwicklung des Partikelsystems. Während eines Hackweeks 2019 kümmerte er sich unter anderem um die Optimierung gestreckter Partikel und die realistischere Darstellung von Feuerbewegungen, die kürzlich in Unity 2020.1 ausgeliefert wurden. Doch nicht nur technische Herausforderungen und Innovationen prägten seine Zeit bei Unity.
Auch kulturelle Veränderungen im Unternehmen beeinflussten seine Haltung und schließlich seine Entscheidung, Unity zu verlassen. Die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung, verbunden mit einer weniger offenen Unternehmenskultur, führten zu einem Gefühl der Entfremdung. Dazu kamen Umstrukturierungen und Entscheidungen von Führungsebenen, die für ihn schwer nachvollziehbar waren. Erst die Aussicht, als unabhängiger Entwickler eigene Spieleprojekte zu realisieren, brachte ihn dazu, nach mehr als einem Jahrzehnt Abschied zu nehmen. Nach seinem Abschied im Jahr 2020 konzentrierte sich Johansen auf sein eigenes VR-Spiel „Eye of the Temple“, das im Oktober 2021 veröffentlicht wurde und bis heute positive Resonanz erhält.