Der Titel „Groom of the Stool“ klingt heute für viele Menschen befremdlich, ja sogar abstoßend. Tatsächlich handelte es sich um eine der ungewöhnlichsten und in gewisser Hinsicht auch unangenehmsten Positionen im königlichen Hof von England. Das Wort „Stool“ bezieht sich auf den tragbaren Nachttopf, der in einer Zeit ohne moderne sanitäre Einrichtungen unverzichtbar war. Die Hauptaufgabe des Groom of the Stool bestand darin, dem König bei seinen „stool motions“, also dem Stuhlgang, zu assistieren und diesen persönlich zu überwachen. Dabei handelte es sich jedoch weit mehr als nur eine schlichte Dienerstellung – dieses Amt entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem ebenso einflussreichen wie privilegierten Posten.
Der Ursprung des Amtes liegt in der Regierungszeit Heinrichs VIII., eines Monarchen, der für seine prunkvolle Hofhaltung und oft exzentrisches persönliches Verhalten bekannt war. Da die Gesundheit und das Wohlbefinden des Königs damals als sagenhaft wichtig für den Staat angesehen wurden, erhielt der Groom of the Stool eine besondere Verantwortung. Er übernahm die Kontrolle über die Ernährung des Monarchen, beaufsichtigte seine Mahlzeiten und plante die Tagesabläufe so, dass sie optimal an die gesundheitlichen Bedürfnisse des Königs angepasst waren. Die Rolle verlangte nicht nur Diskretion, sondern auch einen engen und persönlichen Zugang zu einer der mächtigsten Persönlichkeiten Englands.
Obwohl die Aufgaben auf den ersten Blick wenig glamourös erscheinen, war die Stellung des Groom of the Stool oft mit großem Prestige verbunden. Anders als man vermuten könnte, wurden diese Positionen meist mit Söhnen des Adels oder Mitgliedern des niederen Landadels besetzt. Diese Auswahl gewährleistete, dass der persönliche Hofdiener nicht nur zuverlässig, sondern auch vertrauenswürdig war und über das nötige gesellschaftliche Standing verfügte. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Groom of the Stool zu einer Art persönlichem Vertrauten und Sekretär des Königs. Sein Einfluss reichte weit über die rein praktischen Pflichten hinaus, da er oft Zugang zu vertraulichen Informationen des Monarchen hatte und bei wichtigen Entscheidungen zu Rate gezogen wurde.
Ein besonders interessanter Aspekt der Rolle ist, dass es keine historischen Belege dafür gibt, dass der Groom tatsächlich direkt bei der Reinigung des Königs nach dessen Stuhlgang geholfen hätte. Der Dienst umfasste mehr die Organisation und Überwachung als die tatsächliche körperliche Assistenz. Gleichwohl war der Groom dafür zuständig, den Monarchen bei der Entkleidung für diese privaten Momente zu unterstützen, was wiederum das Vertrauensverhältnis und die Nähe des Amtes zum Königshofs unterstreicht. Das Amt entwickelte sich zudem sprachlich weiter: Ab der Stuart-Dynastie wurde der Titel in „Groom of the Stole“ geändert, wobei sich die Bedeutung leicht wandelte. Der Begriff „Stole“ bezog sich nun auf einen langen Umhang oder einen historischen königlichen Mantel, was der Rolle im Laufe der Zeit eine noch stärkere Verbindung zu königlichen Privilegien und Status verlieh.
Diejenigen, die das Amt innehatten, konnten mit beträchtlichen Bezügen und besonderen Rechten rechnen – unter anderem hatten sie Anspruch auf Unterkünfte in jedem königlichen Palast, durften die getragenen Kleider des Monarchen übernehmen und sich sogar gebrauchte Einrichtungsgegenstände aus den königlichen Gemächern aneignen. Interessanterweise beschäftigte König Georg III., auch bekannt für seine psychischen Belastungen und Krankheit, während seiner langjährigen Regierungszeit eine ungewöhnlich große Anzahl von Grooms of the Stool. Insgesamt neun Personen füllten diese Position zu unterschiedlichen Zeiten aus. Einer von ihnen, John Stuart, später Premierminister Großbritanniens, zeigt eindrucksvoll, wie bedeutend und einflussreich die Rolle mitunter sein konnte – ein Beleg dafür, dass das Amt keineswegs bloß eine niederträchtige Hausarbeit war, sondern ein Karrieresprungbrett für hohe Ämter im Staat.
Die Auflösung des Amtes erfolgte erst 1901 unter König Eduard VII. In einer modernen, sich rapide verändernden Gesellschaft war der Groom of the Stool zunehmend ein Relikt aus einer längst vergangenen Ära und verlor seine ursprüngliche Bedeutung. Die Einführung moderner sanitären Anlagen, veränderte Hofstrukturen und der gesellschaftliche Wandel machten das Amt überflüssig. Dennoch bleibt der Groom of the Stool ein faszinierendes Beispiel für die Kombination von Intimität, Macht und gesellschaftlichem Rang in der Geschichte der britischen Monarchie. Das Amt des Groom of the Stool wirft zugleich ein Licht auf die engen und manchmal wenig schmeichelhaften Aspekte königlicher Macht.
Es zeigt, wie selbst die intimen Bedürfnisse eines Monarchen politisch und sozial instrumentalisiert werden konnten. Die Rolle war ein Sinnbild für Vertrauen, Diskretion und Zugang zu königlicher Macht – Attribute, die in der Vergangenheit oft den Unterschied zwischen Einflusslosigkeit und politischem Aufstieg ausmachten. Heute ist der Begriff fast nur noch in historischen Abhandlungen präsent oder dient als Kuriosum in der Hofgeschichte. Für Historiker und Kulturinteressierte hingegen bleibt der Groom of the Stool ein wertvoller Zugang, um die komplexen sozialen Verflechtungen und die Zeremonien rund um die Monarchie besser zu verstehen. Die Geschichte dieses besonderen Hofamtes erinnert daran, wie sich Hofkulturen und Dienstverhältnisse über Jahrhunderte hinweg wandelten und welch große Rolle persönliche Beziehungen innerhalb der Machtstrukturen spielten.
Abschließend kann man sagen, dass der Groom of the Stool zwar auf den ersten Blick als eine der abstoßendsten und „schmutzigsten“ Aufgaben in der Geschichte erscheinen mag, doch seine tatsächliche Bedeutung war weitreichend und hat tiefe Spuren in der britischen Hofgeschichte hinterlassen. Seine Existenz reflektiert, wie eng Macht, Dienst und persönliche Nähe miteinander verbunden waren und wie die Rolle sogar zu Karrieren und politischem Einfluss führen konnte. Darüber hinaus bietet die Rolle heute einen einzigartigen Einblick in die menschlichen und manchmal auch ungewöhnlichen Facetten königlicher Herrschaft.