Die irische Landschaft ist reich an Geschichte, Legenden und mystischen Geschichten, die oft tief im Naturraum verwurzelt sind. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel hierfür findet sich in Killruddery House & Gardens, einem historischen Anwesen am südlichen Rand von Dublin in den Wicklow Mountains. Seit mehr als 400 Jahren im Besitz der Familie Brabazon, öffnet Killruddery nicht nur die Türen zu einer langen Dynastie, sondern auch zu einer einzigartigen Verbindung von Geschichte, Natur und moderner Klangkunst. Die Installation „The Ancestors“ von Dr. Joseph Young macht diese Verbindung auf innovative und sinnliche Weise erlebbar und lädt Besucher zu einer klanglichen Reise durch die Geschichte und Landschaft ein.
Killruddery House & Gardens ist bekannt für seine grandios erhaltenen Gärten aus dem 17. Jahrhundert, die ein seltenes Beispiel für historische Gartenkunst in Irland darstellen. Trotz wechselnder Landschaftstrends blieben die ursprünglichen Designs und Pflanzenarrangements erhalten und bewahren so den Geist vergangener Epochen. Besucher können dabei Orte erkunden, die von vielschichtigen Geschichten durchdrungen sind: vom geheimnisvollen Gartenlabyrinth „The Angles“, über den Aussichtspunkt „The Rock“ mit Blick auf den Little Sugarloaf bis hin zu versteckten Elementen wie dem „Haha“, einer landschaftsgestalterischen Barriere, die den öffentlichen Bereich von den landwirtschaftlich genutzten Flächen trennt. Die Geschichte des Anwesens reicht jedoch noch viel weiter zurück.
Ursprünglich war das Land Teil eines klösterlichen Besitzes, wo angeblich Mönche Hopfen und Heilkräuter anbauten – Pflanzen, die nicht nur zur Gesundheit dienten, sondern auch tief in der irischen Tradition verwurzelt sind. Diese Schicht der Geschichte fügt sich organisch mit der späteren Nutzung als herrschaftliches Anwesen zusammen und bietet eine reiche Erzählkulisse, die in der Klanginstallation „The Ancestors“ weiterlebt. Die Installation selbst basiert auf einem faszinierenden Konzept namens „Stone Tape Theory“. Diese spekulative Idee besagt, dass starke emotionale Ereignisse, die an einem Ort stattfinden, in Form von Schwingungen oder energetischen „Spuren“ in Gebäuden, Landschaften oder anderen materiellen Strukturen gespeichert bleiben und unter bestimmten Bedingungen wieder hörbar oder spürbar werden können. Joseph Young greift diese Theorie auf, um die Vergangenheit von Killruddery nicht nur zu erzählen, sondern sie für Besucher hörbar zu machen.
Dabei fungieren Smartphones als digitale Medium zwischen Vergangenheit und Gegenwart, indem sie geopositionierte Klangspuren abspielen, die direkt an den jeweiligen Orten des Anwesens erlebt werden können. Die Tonaufnahmen, mit Hilfe der binauralen Technik erstellt, erzeugen einen 3D-Sound-Eindruck, der Besucher tief in die akustische Welt vergangener Zeiten eintauchen lässt. Es entsteht das Gefühl, direkt Zeuge von flüsternden Gesprächen aus vergangenen Jahrhunderten, verborgenen Geräuschen des Anwesens oder vielleicht sogar von den „Geistern“ früherer Bewohner zu sein. Diese Klangschichten verweben sich mit der natürlichen Geräuschkulisse des Gartens – dem Zwitschern der Vögel, dem Rascheln der Blätter und der sanften Brise – und schaffen so eine immersive Atmosphäre, die Geschichte fühlbar macht und gleichzeitig die Verbindung von Mensch, Natur und Erinnerung feiert. Die Idee, historische Orte auf neue Weise erfahrbar zu machen, ist nicht nur ästhetisch spannend, sondern eröffnet auch dem kulturellen Erbe neue Perspektiven.
Indem Vergangenheit auditiv erlebbar wird, entsteht eine Form der Erinnerung, die emotionaler und direkter wirkt als herkömmliche Texte oder visuelle Darstellungen. Besucher können so auf eine ganz persönliche Reise gehen, bei der die Grenzen zwischen realer und imaginierten Welt verschwimmen und die Vergangenheit als lebendiger Teil der Gegenwart erfahrbar wird. Besonders bemerkenswert ist, dass Killruddery als eines der wenigen irischen „Big Houses“ seine ursprüngliche Familie seit mehr als 400 Jahren bewahren konnte und auch in schwierigen Zeiten wie dem Krieg um Unabhängigkeit und inneririschen Konflikten standhielt. Die aktuelle Generation wird durch Jack Brabazon, den 15. Earl of Meath, repräsentiert, was diesem Ort eine authentische Beziehung zur historischen Erzählung verleiht.
Diese Kontinuität verleiht der Klanginstallation zusätzlich Tiefe, da Teile der Aufnahmen Interviews mit Familienmitgliedern und Stimmen direkt von der historischen Quelle enthalten. Zusätzlich zu der Klanginstallation wurde ein spezieller Begleitplan mit dem Titel „Mapping the Ancestors“ entwickelt, welcher die Besucher auf ihrer Erkundungstour durch die Gärten leitet und zugleich Einblicke in das Projekt und die Geschichte des Anwesens bietet. Für Liebhaber und Sammler steht außerdem ein Vinyl-Album unter dem Titel „Sonic Hauntings in a Big House“ zur Verfügung. Erschienen auf dem irischen Label Farpoint Recordings, umfasst es Feldaufnahmen, Interviews und atmosphärische Musikkompositionen, die die klanglichen Texturen von Zeit und Erinnerung auf dem Anwesen hörbar machen. Dieses innovative Kunstprojekt ist auch ein Beispiel dafür, wie moderne Technologie und kreative Konzepte zur Bewahrung und Vermittlung von kulturellem Erbe beitragen können.
Die Verknüpfung von digitalen Medien mit realen Orten bietet neue Möglichkeiten, Geschichte lebendig und spannend zu gestalten und gleichzeitig Besucher aller Altersgruppen zu begeistern. Die Installation „The Ancestors“ wird voraussichtlich im Sommer wieder für Besucher geöffnet sein und verspricht, ein ganz besonderes Erlebnis zu werden, das Geschichte mit der Gegenwart auf eine neue Art verbindet. Mehr Informationen erhalten Interessierte über die offizielle Website von Killruddery sowie die Projektseiten von Joseph Young, der als ausgewiesener Experte für binaurale Klangtechniken und „Sonic Hauntology“ gilt – eine Kunstform, die sich mit dem Hören und Erleben von Vergangenem in der Gegenwart beschäftigt. Während Irland sich weiterhin von traditionellen opulenten Lebensstilen und Kulturen wie dem Torfrauch verabschiedet, steht das Land vor einer spannenden Transformation seiner sensorischen Landschaften. Die olfaktorische und akustische Vergangenheit wird auf neue Wege erforscht, um Brücken zwischen alten und neuen Identitäten zu schlagen.
In diesem Kontext symbolisieren Projekte wie „Haunted Histories in the Garden“ einen bedeutenden Beitrag zur Erinnerungskultur und Kulturvermittlung. Killruddery House & Gardens ist damit nicht nur ein Ort der Vergangenheit, sondern auch ein lebendiges Zentrum für künstlerische Innovation und kulturelle Begegnung. Die Verbindung von Natur, Geschichte und Klangkunst schafft eine einzigartige Plattform, auf der Besucher die vielschichtige Geschichte Irlands mit allen Sinnen erleben und nachfühlen können.