Victoria’s Secret, einst ein Inbegriff von verführerischer Lingerie und glamourösen Modenschauen, sieht sich in jüngster Zeit mit erheblichen Herausforderungen konfrontiert. Die einstige Marktführerin erlebte in den letzten Jahren zahlreiche Rückschläge, die nicht nur die Markenwahrnehmung beeinträchtigten, sondern auch den Aktienkurs massiv belasteten. Gerade in dieser kritischen Phase wird das Unternehmen nun von dem aktivistischen Investor Barington Capital unter die Lupe genommen. Dessen Vorsitzender und CEO, James Mitarotonda, kritisiert in einem offenen Brief die aktuelle Unternehmensführung und fordert umfassende Veränderungen, um den Wert und das Wachstum von Victoria’s Secret wiederherzustellen.Der Hintergrund für die Intervention von Barington ist die signifikante Wertminderung des Unternehmens seit dem Börsengang im Jahr 2021.
Seitdem hat Victoria’s Secret mehr als die Hälfte seines Börsenwertes verloren, ein Rückgang, der sicherlich Anlass zu großer Sorge bei Investoren bietet. Mitarotonda hebt in seiner Kritik hervor, dass dieser Verlust nicht nur auf äußere wirtschaftliche Faktoren zurückzuführen sei, sondern auf tief verwurzelte operative und strategische Defizite, die dringend adressiert werden müssten.Ein zentrales Thema in der Kritik ist der Rückgang der Umsätze bei gleichzeitig fallenden Bruttomargen. Das steigende Inventar unterstreicht laut Barington ein gravierendes Missmanagement und verweist auf Ineffizienzen in der Produktstrategie und Lagerhaltung. Darüber hinaus sieht Mitarotonda das Unternehmen in einer Phase hoher Fluktuation im oberen Management, was nicht zur Stabilität und zum Erfolg beiträgt.
Vince Hillary Super, die CEO von Victoria’s Secret, wird in puncto Führungserfahrung in der Unternehmenswelt hinterfragt. Ihre bisherige Strategie, sich auf die Wiederbelebung der Pink-Linie und den Ausbau im athletischen Bekleidungssegment zu konzentrieren, scheint den Kern der Marke und vor allem die internationale Expansion zu vernachlässigen.Victoria’s Secret hat in den letzten Jahren versucht, sein Markenimage fundamental zu verändern. In der Vergangenheit war die Marke für ihre stark sexualisierte Positionierung und spektakuläre Runway-Shows bekannt, die besonders ein männliches Publikum ansprachen. Doch gesellschaftliche Veränderungen sorgten dafür, dass dieser Ansatz zunehmend kritisiert wurde.
Derzeit versucht das Unternehmen, einen neuen Weg zu finden, der weibliche Empowerment in den Vordergrund rückt und kulturelle Sensitivität zeigt. So wurde etwa die legendäre Laufstegshow mit weiblichen Führungskräften neu gestaltet, um diversere und progressive Werte zu präsentieren.Dennoch scheint die aktuelle Strategie einer gleichzeitigen Anpassung an verschiedene kulturelle Narrative die Marke laut Mitarotonda zu verwässern. Er sieht darin ein Risiko, das die klare Identität von Victoria’s Secret infrage stellt und den Erfolg des Kerngeschäfts, der Damenunterwäsche, belastet. Die schwierige Balance zwischen Tradition und Modernisierung geht offenbar zulasten der Markenwahrnehmung und im weiteren Sinne der wirtschaftlichen Performance.
Barington fordert eine Rückbesinnung auf klare, mutige und kreative Marketingkampagnen, die die Stärken der Marke hervorheben. Dabei schlägt Mitarotonda vor, bewährte Elemente wie die ikonische „Angels“-Kampagne wieder aufzugreifen, um die Bindung zu den Kernkunden zu stärken und den Wiedererkennungswert zu erhöhen. Für ihn steht im Zentrum ein konzentrierter Einkauf und Merchandising-Prozess, der die Disziplin und den Fokus der Marke stärken soll.Die Herausforderungen, vor denen Victoria’s Secret steht, sind jedoch nicht nur hausgemacht. Die Wettbewerbslandschaft in der Lingerie-Branche hat sich stark verändert.
Neue Marken setzen auf Diversität, Komfort und Nachhaltigkeit, Themen, die bei der Zielgruppe immer wichtiger werden. Außerdem spielen Online-Vertriebskanäle eine immer größere Rolle, während klassische Einzelhandelsgeschäfte kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Diese Trends erfordern eine flexible und innovative Unternehmensstrategie, die auf veränderte Kundenerwartungen reagiert.Im Zuge der Umstrukturierung und Neuausrichtung hat sich Victoria’s Secret vom Mutterkonzern L Brands abgespalten und agiert nun als eigenständiges börsennotiertes Unternehmen. Dieser Schritt wurde mit der Hoffnung verbunden, die Marke agiler und fokussierter zu machen.
Doch bislang konnten die Erfolge nicht in dem Maße erzielt werden, wie sich Investoren und Marktanalysten das erhofft hatten.Die Rolle eines aktivistischen Investors wie Barington ist in solchen Situationen oft ein Katalysator für grundlegende Veränderungen. Durch seinen über einprozentigen Anteil am Unternehmen verfügt Barington über die notwendige Stimme, um Management und Vorstand zum Umdenken zu bewegen. Die Forderungen basieren dabei nicht nur auf kurzfristigen Gewinnmaximierungen, sondern auf einer strategischen Neuausrichtung, die langfristig Wert schaffen soll.Neben den finanziellen Aspekten zeigen die Analysen, dass ein stärkerer Fokus auf internationale Märkte künftig mehr Wachstumspotenzial bieten könnte.
Während Victoria’s Secret in den USA eine etablierte Marke ist, wurde die Expansion in anderen Regionen bisher vernachlässigt. Dies könnte eine wichtige Chance sein, um das Wachstum wieder anzukurbeln und neue Kundensegmente zu erschließen.Auch das Thema Innovation sollte eine größere Rolle spielen. Die Produktpalette beschränkt sich zwar immer noch stark auf traditionelle Modelle, doch der Markt verlangt zunehmend nach funktionaler, nachhaltiger und zugleich modischer Unterwäsche. Eine stärkere Integration neuer Technologien und nachhaltiger Materialien könnte Victoria’s Secret dabei helfen, zurück ins Zentrum der Aufmerksamkeit zu rücken.
Der Druck auf die Geschäftsführung ist angesichts der verschärften Kritik jedenfalls immens. Hillary Super und ihr Team stehen vor der Herausforderung, die Balance zwischen dem Erhalt der Markenidentität und der Anpassung an den modernen Markt erfolgreich zu meistern. Dabei gilt es, die Erwartungen von Investoren, Kunden und gesellschaftlichen Bewegungen in Einklang zu bringen.Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Victoria’s Secret sich in einer entscheidenden Phase befindet. Die Intervention von Barington Capital markiert einen Wendepunkt, der als Weckruf für tiefgreifende Veränderungen verstanden werden muss.
Die Zukunft der Marke wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, die strategischen Schwächen zu beseitigen, die Marke zu stärken und sich als moderne, relevante und finanzstarke Größenordnung auf dem internationalen Markt zu positionieren.Die kommenden Monate werden zeigen, ob Victoria’s Secret die Chance ergreift, zurück ins Rampenlicht zu treten und alte Erfolge mit neuer Dynamik zu verbinden. Die Kombination aus aktivistischen Investoren, Marktveränderungen und wachsendem Wettbewerb fordert die Lingerie-Ikone mehr denn je heraus – doch gerade in solchen Zeiten entstehen oft die größten Chancen für eine erfolgreiche Neuausrichtung.