Großbritannien hat kürzlich bekannt gegeben, dass weitere 2,5 Milliarden Pfund in die Erforschung und Entwicklung der Fusionsenergie fließen. Dieses ambitionierte Investment soll vorrangig das Spherical Tokamak for Energy Production (STEP)-Projekt unterstützen, das an der Stelle eines ehemaligen Kohlekraftwerks in Nottinghamshire errichtet werden soll. Trotz der enormen Finanzspritze zeigt sich bei Außenstehenden und Experten Skepsis, ob diese Investition angesichts des bisher erreichten Fortschritts gerechtfertigt ist. Seit seiner ersten Finanzierungsrunde von 220 Millionen Pfund im Jahr 2022 sind zahlreiche Fragen offen geblieben, wie viel Konkretes aus dem STEP-Projekt tatsächlich entstanden ist. Die steigenden Gelder erscheinen vielen als Wette auf eine Vision, die noch stark in der Zukunft liegt.
Doch was verbirgt sich hinter der Fusionsenergie, warum ist sie so begehrt, und wie realistisch ist es, in den nächsten Jahrzehnten eine funktionierende Fusionskraftanlage zu errichten? Fusion, die Energiequelle der Sonne, beruht auf dem Prozess, bei dem leichte Atomkerne miteinander verschmelzen und dabei enorme Mengen an Energie freisetzen. Die Umsetzung auf der Erde verspricht einen nahezu unbegrenzten und sauberen Energieschub, bei dem keine langfristigen radioaktiven Abfälle wie bei Kernspaltungskraftwerken entstehen. Theoretisch könnte die Fusion das globale Energieproblem revolutionieren und den Klimawandel bremsen. Praktisch gestaltet sich die Realisierung jedoch extrem kompliziert. Die Verschmelzung von Wasserstoffisotopen wie Deuterium und Tritium erfordert ein Plasma von über 100 Millionen Grad Celsius und gleichzeitig eine extrem stabile Einschließung der geladenen Teilchen.
Tokamaks sind die bekannteste Technologie, um diese Bedingungen zu schaffen. Dabei handelt es sich um ringförmige Anlagen, die mit starken Magnetfeldern das Plasma umschließen und kontrolliert erhitzen. Das STEP-Projekt folgt einem speziellen Ansatz: dem sogenannten sphärischen Tokamak, dessen Konstruktion einer Apfelschale ähnelt statt des typischen Donut-ähnlichen Torus. Diese Bauweise verspricht eine kompaktere, stabilere und kosteneffizientere Lösung. Das Ziel ist es nicht nur, einen experimentellen Reaktor zu bauen, sondern einen Prototypen, der unter annähernden Bedingungen eines echten Kraftwerks betrieben werden kann.
Damit soll der technische und wirtschaftliche Nachweis erbracht werden, dass Fusion als Energiequelle endlich praktikabel wird. Bislang befindet sich das Projekt jedoch überwiegend in der Konzeptions- und Planungsphase. Die erste Phase, die Konzeptentwicklung, Standortwahl und Genehmigungsverfahren umfasst, war für das vergangene Jahr angepeilt, doch bemerkenswerte Fortschritte blieben aus. Aktuell läuft die Auswahl von Industriepartnern für Bau und Engineering, ebenso wie Kooperationen mit akademischen Einrichtungen, beispielsweise mit der Seoul National University zur Entwicklung hochtemperaturfähiger supraleitender Magnetkabel. Ein Bau à la STEP ist für die 2030er Jahre geplant, mit Betrieb ab etwa 2040 und angestrebter Nettonennleistung von mindestens 100 Megawatt.
Eine solide Erfolgsgeschichte bleibt aufgrund der Komplexität der Fusionsforschung noch aus. Andere internationale Projekte, etwa das National Ignition Facility (NIF) in den USA oder chinesische Forschungsanlagen, erzielen zwar immer wieder Fortschritte, darunter auch Fusionignition – der Punkt, an dem die Reaktion selbsttragend wird – doch der Energiegewinn bleibt vor allem wegen des hohen Energieverbrauchs zur Eingangsversorgung noch unzureichend. Zudem konnte trotz länger laufender Plasmen, etwa bei chinesischen Tokamaks mit Minutenlaufzeit, keine endgültige Marktreife erreicht werden. Angesichts der wirtschaftlichen Belastung durch die hohen Investitionskosten sind kritische Stimmen nicht aus der Luft gegriffen. Eine Summe von 2,5 Milliarden Pfund stellt für ein Land, das mit beträchtlicher Staatsverschuldung und politischen Unsicherheiten ringt, ein bedeutendes finanzielles Engagement dar.
Die britische Regierung weist jedoch darauf hin, dass es sich um die geplante Auszahlung aus ursprünglich beauftragten Budgets handelt und die voranschreitenden Projektarbeiten termingerecht und budgetkonform ablaufen. Offiziellen Angaben nach hat man bereits mit dem Abriss der alten Kohleanlagen begonnen und arbeitet an der Verfeinerung des zukünftigen Reaktorstandorts. Auch wenn die Fusionsenergie noch in den Kinderschuhen steckt, könnte eine erfolgreiche Kommerzialisierung weitreichende Auswirkungen haben. Sie würde nicht nur erneuerbare Energien ergänzen, sondern auch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen drastisch verringern und langfristig eine nahezu unerschöpfliche, emissionsarme Stromquelle darstellen. Der Druck, schnell zu handeln und neue Energielösungen zu entwickeln, wächst mit den globalen Klimazielen ständig.
Daher fördert die Regierung trotz der Risiken weiterhin mit Nachdruck die Technologieentwicklung und sucht den Schulterschluss mit internationalen Forschungspartnern und der Industrie. Die Zukunft der Fusionsenergie hängt maßgeblich von technologischen Durchbrüchen ab. Fortschritte in der Magnettechnologie, Materialwissenschaften und Plasmainstabilitätskontrolle sind entscheidend, um die Effizienz zu steigern und die Reaktoren marktfähig zu machen. Eine besondere Herausforderung ist die Herstellung und Verfügbarkeit von Tritium, das als Brennstoff in der Fusion essentiell ist. Einige Experten sehen die kommenden zwei Dekaden als wahrscheinlichen Zeitraum, in dem erste Demonstrationsanlagen ans Netz gehen könnten – wenn alle Entwicklungsstadien vergleichbar den aktuellen Plänen verlaufen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die britische Investition in Höhe von 2,5 Milliarden Pfund für das STEP-Projekt und die gesamte Fusionsforschung ein klassisches Beispiel für langfristige Risikobereitschaft mit potenziell revolutionärer Wirkung darstellt. Trotz eines Mangels an schnellen Ergebnissen symbolisiert diese Finanzierungsrunde ein Bekenntnis zum Ziel, die Sonne auf die Erde zu holen – saubere, sichere und unbegrenzt verfügbare Energie. Ob das Vorhaben gelingt, wird in den nächsten Jahrzehnten maßgeblich die Energieversorgung und damit auch die geopolitische und wirtschaftliche Landschaft prägen. Die Diskussion um Fusionsenergie ist damit weit mehr als eine wissenschaftliche Frage. Sie steht sinnbildlich für die Suche nach nachhaltigen Lösungen in einer Welt, die immer stärker von Klimawandel und Ressourcenknappheit bedroht ist.
Großbritannien setzt in dieser Zukunftsvision auf Innovation, Wissenschaft und eine mutige Investitionsentscheidung. Nur die Zeit wird zeigen, ob der gewaltige Aufwand am Ende Früchte trägt oder ob der Traum von der kontrollierten Kernfusion weiterhin unerreichbar bleibt.