Vor der Küste Kolumbiens liegt eines der wertvollsten Schiffswracks der Welt, die San José, ein spanischer Schatzgaleone, die im Jahr 1708 während eines Gefechts mit britischen Kriegsschiffen versank. Was diese Entdeckung besonders bemerkenswert macht, sind die zahlreichen Goldmünzen, die Jahrzehnte danach mit hochtechnischen Tauchrobotern detailliert erforscht wurden. Die Münzen, bekannt als „Cobs“ oder „Macuquinas“, beeindruckten die Forscher mit ihren einzigartigen Darstellungen von Burgen, Löwen und Jerusalem-Kreuzen, die sowohl künstlerische als auch historische Bedeutung besitzen. Die Erforschung dieser Goldmünzen bringt nicht nur das Vermächtnis des spanischen Kolonialreichs ans Licht, sondern erweitert auch unser Verständnis von den wirtschaftlichen und symbolischen Aspekten der damaligen Handelswelt. Der San-José-Schatz enthält bis zu 200 Tonnen Gold, Silber und unbehandelter Edelsteine, ein Wert, der heute auf bis zu 17 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, was das Wrack zu einem der reichhaltigsten Rohstoffe macht, die jemals in den Weltmeeren entdeckt wurden.
Die durch den Einsatz von ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen gewonnenen hochauflösenden Bilder zeigten die handgeschlagenen Goldmünzen verstreut um das Wrack in einer Tiefe von etwa 600 Metern. Die Münzen haben einen durchschnittlichen Durchmesser von knapp 33 Millimetern und ein Gewicht von circa einer Unze, was ihre Bedeutung als beglaubigte Zahlungsmittel jener Zeit unterstreicht. Besonders auffällig ist die detailgetreue Prägung auf der Münzrückseite, die die sogenannten „Gekrönten Säulen des Herkules“ über Meereswellen zeigt, ein Symbol, das vor allem mit der Münzstätte in Lima verbunden ist. Die Vorderseite ziert eine Variation des Jerusalem-Kreuzes, bestehend aus einem großen Kreuz, umgeben von vier kleineren Kreuzen, flankiert von Wappenschildern, die Burgen und Löwen zeigen. Diese Symbole sind tief in der Heraldik und Geschichte Spaniens verwurzelt, wobei Löwen für Stärke und Burgen für Schutz und Macht stehen.
Das Jerusalem-Kreuz wiederum weist auf die religiösen und kulturellen Identitäten der Epoche hin und belegt den Einfluss der christlichen Symbolik in der kolumbianischen Kolonialgesellschaft. Die „Cobs“ waren von Hand gefertigt und hatten häufig unregelmäßige Formen, da sie aus Gold- oder Silberbarren geschnitten und mit Hammer und Stempel geprägt wurden. Diese Art von Münzen war über Jahrhunderte die Hauptwährung in den spanischen amerikanischen Kolonien und belegt die praktischen Herausforderungen und die Handwerkskunst der Münzherstellung im 18. Jahrhundert. Ergänzende Untersuchungen der Münzen zeigten auch die Markierungen von Probiermeistern, welche die Reinheit des Goldes garantierten.
Insbesondere die Erkennungszeichen von Lima, der damaligen Hauptstadt des spanischen Südamerikas, konnten an den Münzen identifiziert werden und bestätigten so ihren südamerikanischen Ursprung. Durch historische Aufzeichnungen und koloniale Dokumente konnte das Forscherteam um die maritime Archäologin Daniela Vargas Ariza die Herkunft der Münzen zweifelsfrei mit dem Wrack der San José in Verbindung bringen. Diese Entdeckung hebt die Bedeutung der Münzen als zeitgeschichtliches Zeugnis hervor, das erzählt von der ökonomischen Blüte, den Handelswegen und geopolitischen Rivalitäten jener Epoche. Die San José war Teil eines großen Schatzkonvois, der am 8. Juni 1708 von Cartagena aus auf dem Weg nach Europa war, als sie in einen Kampf mit britischen Kriegsflotten geriet.
Trotz der Verteidigung durch spanische Kanonenschiffe explodierte die San José infolge eines trefferbedingten Brandes ihrer Pulverkammer und sank. Die Überreste des Schiffs, inklusive der reichen Ladung, blieben jahrhundertelang verborgen, bevor sie in der jüngeren Vergangenheit anhand moderner archäologischer Techniken lokalisert werden konnten. Die Entdeckung und Erforschung des Wracks hat in Kolumbien sowie international für großes mediales und historisches Interesse gesorgt. Während Kolumbien versucht, die Artefakte zu bergen und in einem geplanten Museum auszustellen, gibt es kontroverse Rechtsstreitigkeiten um die Eigentumsrechte an dem Schatz. Spanien erhebt Anspruch aufgrund internationaler Gesetze, die festlegen, dass Wracks von Kriegsschiffen ihr Eigentum bleiben – auch wenn diese Jahrhunderte alt sind.
Kolumbien hingegen argumentiert, dass diese Gesetze primär den Schutz moderner Kriegstechnologien sicherstellen sollen und nicht für Schatztruhen vergangener Jahrhunderte angewandt werden dürften. Die Münzen vom San-José-Wrack sind somit nicht nur materiell von großer Bedeutung, sondern symbolisieren auch die komplexen historischen und aktuellen Verflechtungen zwischen Kolonialgeschichte, kulturellem Erbe und moderner Souveränität. Die kunstvollen Darstellungen auf den Münzen geben nicht nur Aufschluss über die Münzkunst und Bildsymbolik der lV spanischen Kolonialzeit, sondern auch über die wirtschaftlichen Strukturen und Hoffnungen einer Epoche, die von kolonialen Rivalitäten, globalem Handel und religiösem Glauben geprägt war. Die Detailtiefe der Abbildungen — Burgen, Löwen und Jerusalem-Kreuze — offenbart eine Vielzahl kultureller und politischer Botschaften, die Spanien zu jener Zeit transportieren wollte, um seine Macht und Legitimität in Übersee zu festigen. Moderne Technologie wie ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge hat es ermöglicht, diese versunkenen Schätze in ihrer ursprünglichen Umgebung zu studieren, ohne sie physisch bergen zu müssen.
Die Auswertung der hochauflösenden Bilder eröffnet neue Wege, historische Artefakte zu analysieren und zu katalogisieren, womit auch zukünftige Generationen Zugang zu diesen wichtigen Fundstücken haben. Neben den Münzen wurden im Wrack auch Alltagsgegenstände, Teile der Schiffsausrüstung sowie Kanonen entdeckt, die ein realistisches Bild vom Leben an Bord eines spanischen Galleonenschiffs im 18. Jahrhundert zeichnen. Die San José und ihr Schatz sind daher nicht nur eine Geschichte von Reichtum und Abenteuer, sondern auch ein wertvolles Fenster in das Leben vergangener Zeiten, in denen Imperien auf dem Spiel standen und die Meere voller Gefahren und Chancen waren. Die Geschichte der San José zeigt eindrucksvoll, wie maritime Archäologie, Geschichte und moderne Technik miteinander verwoben sind, um das Erbe einer vergangenen Epoche zu bewahren und neu zu interpretieren.
Die Entdeckung dieser einzigartigen Goldmünzen rund um die Symbole von Burgen, Löwen und Jerusalem-Kreuzen lässt uns nicht nur von Reichtum und Macht träumen, sondern auch von der Bedeutung von Kunst, Identität und Geschichte, die in jedem Fundstück verborgen liegt. Es bleibt spannend, wie zukünftige Forschungen und mögliche Bergungsaktionen das Bild um dieses legendäre Schiff und seine Schätze weiter vervollständigen werden, und welche neuen Erkenntnisse sie über die Geschichte Spaniens und seiner Kolonien bringen werden.