Das Phänomen der sogenannten Superager, also älterer Menschen, die kognitive Leistungen auf dem Niveau deutlich jüngerer Generationen erbringen, fasziniert seit Jahren die Wissenschaft. Während viele ältere Erwachsene natürliche altersbedingte Abnahmen in Gedächtnis und kognitiven Fähigkeiten zeigen, zeichnen sich Superager durch außergewöhnliche Gedächtnisleistungen aus, die mit denen von Menschen im mittleren Lebensalter vergleichbar oder sogar überlegen sind. Die Erforschung der neurologischen Grundlagen dieses Phänomens ist von großer Bedeutung, um den Prozess des gesunden Alterns besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für kognitive Stärkung im hohen Alter zu identifizieren.Eine kürzlich vorgestellte Studie auf dem Internationalen Kongress der International Society for Magnetic Resonance in Medicine (ISMRM) im Jahr 2025 hat mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) und maschineller Lernverfahren zentrale Gehirnregionen und Netzwerke beschrieben, die Superager von altersgleichen kognitiv durchschnittlichen Erwachsenen unterscheiden. Die Forschergruppe unter der Leitung von Dr.
Laiz Laura de Godoy von der University of Pennsylvania in Philadelphia nutzte einen Random Forest Algorithmus, eine Form des maschinellen Lernens, um spezifische neuronale Muster zu identifizieren, die als Merkmale für Superager gelten können.Im Fokus der Untersuchung standen insgesamt elf funktionelle Netzwerke im Gehirn, darunter das Salienznetzwerk, das Standardmodusnetzwerk, das exekutive Kontrollnetzwerk sowie zusätzliche sensorische Netzwerke wie auditiv und visuell. Besonders bedeutsam erwiesen sich hierbei drei Kernnetzwerke: das Salienznetzwerk, das Standardmodusnetzwerk und das exekutive Kontrollnetzwerk auf der rechten Gehirnhälfte. Diese Netzwerke sind bekannt für ihre zentrale Rolle bei Aufmerksamkeit, Selbstreferenz, Gedächtnis und exekutiven Funktionen, welche alle essentielle Bestandteile der kognitiven Leistungsfähigkeit darstellen.Das Salienznetzwerk unterstützt das Erkennen und Priorisieren relevanter Reize aus der Umwelt und steuert die Aufmerksamkeitsressourcen gezielt.
Eine verbesserte Funktion und Konnektivität dieses Netzwerks bei Superagern kann demnach die Fähigkeit erklären, sich trotz altersbedingter Herausforderungen gut zu konzentrieren und Informationen effizient zu verarbeiten. Das Standardmodusnetzwerk ist mit innerer Reflexion, Erinnerungen und autobiographischem Wissen assoziiert und ist bei normalen altersbedingten kognitiven Beeinträchtigungen oft vermindert aktiv. Die robuste Aktivierung dieses Netzwerks bei Superagern könnte wiederum eine wichtige Rolle bei der Erhaltung episodischer Erinnerungen spielen. Das exekutive Kontrollnetzwerk überwacht kognitive Prozesse, steuert Impulse und unterstützt komplexe Entscheidungsfindungen – Fähigkeiten, die für die geistige Unabhängigkeit im Alter zentral sind.Darüber hinaus gelang es der Studie, die Relevanz weiterer sensorischer Bahnen herauszustellen, insbesondere des visuell-lateralen und visuell-medialen Netzwerks, die bisher bei der Betrachtung kognitiver Resilienz im Alter weniger Beachtung fanden.
Diese Entdeckung unterstreicht, dass neben den klassischen kognitiven Netzwerken auch sensorische Hirnareale eine Rolle bei der Aufrechterhaltung überlegener kognitiver Funktionen spielen können. Die Beteiligung dieser Netzwerke könnte eine verstärkte Verarbeitung und Integration sensorischer Informationen ermöglichen, was indirekt die Gedächtnisleistung und Aufmerksamkeit stärkt.Die zugrundeliegende methodische Herangehensweise mit dem Random-Forest-Modell nutzt den sogenannten "Mean Decrease in Gini" als Maß für die Bedeutung verschiedener Netzwerk-Knotenpunkte. Durch die Analyse hochauflösender 7-Tesla-fMRT-Daten konnte das Forschungsteam präzise kartieren, welche Hirnregionen am stärksten differenzierend für Superager sind. Dieses datengetriebene Modell überprüfte dabei sowohl vorab definierte Netzwerke als auch das gesamte Hirn, was zu einer umfassenden und objektiven Charakterisierung führte.
Die Erkenntnisse dieser Studie bestätigen frühere Forschungsergebnisse hinsichtlich der Rolle der zentralen kognitiven Netzwerke, erweitern aber das Verständnis um neue Einblicke in sensorische Hirnregionen. Sie heben hervor, dass kognitive Resilienz im Alter ein komplexes Zusammenspiel mehrerer funktioneller Systeme darstellt und nicht auf einzelne Hirnareale reduziert werden kann. Diese multidimensionale Sichtweise eröffnet neue Forschungsfelder, die die Integration sensorischer Prozessoren in den Kontext des geistigen Alterns einbinden.Von klinischem Interesse ist, dass ein besseres Verständnis der neuronalen Grundlagen von Superagern dazu beitragen kann, gezielte Interventionen zu entwickeln, um die Hirnressourcen bei älteren Menschen zu optimieren. Durch gezielte Trainingsprogramme, Lifestyle-Maßnahmen oder sogar neuartige neurotechnologische Ansätze könnten in Zukunft spezifische Netzwerke angepeilt werden, um kognitive Abbauprozesse zu verlangsamen oder gar teilweise rückgängig zu machen.