In Zeiten von zunehmender Wasserknappheit und immer häufiger auftretenden Dürren gewinnen alternative Methoden der Wassernutzung immer mehr an Bedeutung. Vor allem in ariden Küstenregionen, die regelmäßig von dichtem Nebel umhüllt sind, bieten sogenannte Nebelfänger eine wertvolle Ressource zur Wassergewinnung. Das Prinzip ist dabei denkbar einfach: Wassertröpfchen aus dem Nebel kondensieren an speziellen Fangvorrichtungen und sammeln sich zu nutzbarem Wasser. Trotz der vermeintlichen Einfachheit steht die Technik hinter diesen Nebelfängern vor Herausforderungen wie Verstopfung und Effizienzverlust. Wissenschaftler der Virginia Tech in den USA haben nun einen bedeutenden Fortschritt erzielt und eine verbesserte Version der sogenannten Nebeltauharfe entwickelt, die genau diese Probleme meistert und damit die Wassergewinnung aus Nebel deutlich effektiver gestaltet.
Die ursprüngliche Idee der Nebeltauharfen basiert auf einem innovativen Aufbau mit vertikalen Drähten, die an die Nadeln kalifornischer Redwood-Bäume inspiriert sind. Diese Bäume erhalten einen signifikanten Anteil ihres jährlichen Wasserbedarfs direkt aus dem Nebel, der an ihren langen, schmalen Blättern kondensiert. Aus diesem natürlichen Vorbild entwickelte das Forschungsteam eine Harfe, bei der nur vertikale „Saiten“ nebeneinander angebracht sind, ohne das ansonsten bei herkömmlichen Netzstrukturen übliche horizontale Geflecht. Im Labor zeigte die Harfenstruktur hervorragende Werte und sammelte mehrere Male mehr Wasser als klassische Maschennetze. Doch in der realen Anwendung, speziell in den küstennahen Nebelgebieten wie Monterey Bay, traten bei größeren Harfen mit etwa ein Meter Breite und Höhe neue Probleme auf.
Die Oberfläche der vertikalen Drähte führte dazu, dass sich Wassertröpfchen an diesen bündeln und verkleben konnten. Das führte dazu, dass die Drähte an dichter werdenden Positionen miteinander verklumpten – ganz ähnlich, wie nasses Haar auf der Kopfhaut zusammenklebt. Diese Verklumpungen verringerten die Effizienz drastisch, da die freien Flächen zur Kondensation stark eingeschränkt wurden. Um diese Problematik zu lösen, entwickelten die Forscher eine hybride Version, die das Beste aus zwei Welten kombiniert: Die vertikalen Drähte der Nebeltauharfe und hin und wieder quer verlaufende horizontale Verbindungsdrähte, die ein Zusammenklumpen der „Saiten“ verhindern. Man kann sich den Aufbau wie den Hals einer Gitarre mit klar abgesetzten Bünden vorstellen, die die Saiten an deren Positionen fixieren.
Dieses Design verhindert effektiv die Verklumpung und schafft gleichzeitig optimale Bedingungen für die Kondensation und den Abfluss des aufgefangenen Wassers. Im veranstalteten Laborexperiment wurden verschiedene Konfigurationen getestet. Auf der einen Seite standen klassische Netze mit vielen Schnittpunkten, auf der anderen die reine Harfe, komplett ohne Querverbindungen. Nach Einschätzung der Forscher liegt die ideale Lösung im Bereich von wenigen horizontalen Verbindungsdrähten pro Quadratmeter. Modelle mit drei bis fünf solcher Verbindungen erzielten die höchsten Effizienzmatrizen und konnten den Wasserertrag im Vergleich zur normalen Netztechnik um ein Vielfaches steigern.
Die neue hybride Nebeltauharfe benötigt zudem keine chemischen Spezialbeschichtungen, die in bisherigen Nebelfängern häufig eingesetzt werden, um die Wasseranlagerung zu optimieren. Stattdessen wurde durch eine clever gestaltete Geometrie ein physikalischer Effekt genutzt, der Verstopfung vorbeugt und die Wasseraufnahme steigert. Das Forschungsteam verwendet für die Prototypen zudem unbeschichtete Edelstahl-Drähte, die robust und einfach herzustellen sind. Im Labor wurden diese mittels 3D-Druck zu schwach hydrophoben (also leicht wasserabweisenden) Drähten modelliert, um Daten zu messen und das Design zu optimieren, doch in der Praxis sind keine besonderen Materialien notwendig. Für die praktische Nutzung lässt sich das Design beliebig skalieren, indem man kleinere Einheiten der Nebeltauharfen modular aneinanderreiht und stapelt.
Ein weiterer Vorteil der Konstruktion ist, dass sie elektrische Felder zur Wassergewinnung integrieren kann. Erste Versuche mit angelegter Spannung zeigen, dass der Nebelfänger dann noch mehr Wasser einfängt, da Ladungsverteilungen die Kondensation begünstigen. Durch die Kombination aus der mechanischen Formgebung und elektrischen Anregungen könnte diese Technik künftig auch in großem Maßstab in Küstenregionen mit häufigem Nebel eingesetzt werden und einen relevanten Teil der Trink- und Brauchwasserressourcen liefern. Neben der Wassergewinnung für menschliche Bedarfe sieht der Projektleiter Jonathan Boreyko auch weitere Anwendungsfelder. So könnten Straßen, Autobahnen und Flughafen-Landebahnen, die häufig von Nebel betroffen sind und dadurch Verkehrsunfälle und Sicherheitsrisiken verursachen, mit solchen Nebeltauharfen ausgestattet werden.
Die Fallen könnten dort nicht nur Wasser sammeln, sondern auch die Nebelbildung reduzieren. Ebenso gibt es industrielle Einsatzfelder, bei denen etwa künstlich erzeugter Eisnebel bei der Herstellung von Druckgasen Probleme macht. Eine effiziente Nebelfänger-Lösung könnte helfen, solche Nebel abzuleiten und dadurch sekundäre Schäden zu vermeiden. Die Historie der Nebelfänger selbst reicht weit zurück – die Inkas nutzten bereits vor Jahrhunderten schlichte Methoden wie das Aufstellen von Gefäßen unter Bäumen bei Nebel, um dadurch Wasser zu sammeln. Auch bestimmte Wüsteninsekten entwickelten im Lauf der Evolution ausgeklügelte Oberflächenstrukturen mit abwechselnden wasserfreundlichen und wasserabweisenden Bereichen, um sich möglichst effizient mit Wasser aus Nebel zu versorgen.
In modernen Zeiten wurden diese Prinzipien auf Netze mit speziellen Chemikalien übertragen, die die Oberflächen hydrophob oder hydrophil machen. Die herausragende Idee der Virginia Tech Forscher ist jedoch, dass die Optimierung nicht mehr zwingend über Chemikalien erfolgt, sondern vor allem über die richtige geometrische Gestaltung und bestmögliche physikalische Bedingungen. Damit eröffnen sich nicht nur neue Wege für die Wasserversorgung, sondern auch nachhaltigere, langlebige und wartungsarme Konstruktionen, welche ohne noch mehr Chemikalien oder Spezialbeschichtungen auskommen. Insgesamt bietet die neue Hybrid-Nebeltauharfe eine revolutionäre Perspektive zur Wassergewinnung in besonders trockenen und wasserarmen Gebieten rund um den Globus. Besonders Küstenregionen mit häufigem Nebel könnten so einen dringend benötigten Wasserzubringer erhalten.