Die Faszination des Universums und seiner geheimnisvollen, oft katastrophalen Ereignisse wie die Kollisionen schwarzer Löcher oder nährstoffdichter Neutronensterne hat in den letzten Jahren ein neues Kapitel durch den sogenannten Bereich der multi-messenger Astronomie aufgeschlagen. Diese Disziplin kombiniert die Beobachtung von Gravitationswellen mit denen elektromagnetischer Strahlung, um einen vielschichtigeren, umfassenderen Blick auf solch dramatische kosmische Geschehnisse zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang setzt die Mission HERMES-PF (High Energy Rapid Modular Ensemble of Satellites Pathfinder) neue Maßstäbe, indem sie mit einem Netzwerk von sechs CubeSats den gesamten Himmel nach hochenergetischen Bursts durchkämmt und so entscheidend zur Verbesserung der Datenlage beiträgt. Im März 2025 wurde HERMES-PF erfolgreich gestartet und befindet sich seither in der Kommissionsphase. Ziel der Mission ist es, elektromagnetische Signale zu detektieren, die mit Gravitationswellenereignissen korrelieren, um so eine präzise Lokalisierung der Quellen im Weltraum zu ermöglichen.
Die besondere Herausforderung bei der Beobachtung solcher Ereignisse liegt darin, dass Gravitationswellendetektoren zwar hochsensitiv, jedoch stark richtungsunabhängig sind, während elektromagnetische Detektoren nur in einem relativ kleinen Himmelsabschnitt aktiv beobachten können und somit leicht ein Signal verpassen, wenn sie nicht genau in die richtige Richtung zeigen. HERMES-PF begegnet dieser Problematik, indem es eine Konstellation von sechs CubeSats in den Orbit bringt, die gemeinsam durch triangulative Methoden die Herkunftssignale auf eine Genauigkeit von etwa einem Grad im Himmelsmaßstab eingrenzen. Damit wird eine wesentlich bessere Genauigkeit bei der Identifikation der Quellen erzielt als dies mit einzelnen Satelliten oder bodengestützten Systemen möglich wäre. Diese großflächige Abdeckung stellt sicher, dass kein hochenergetischer Ausbruch unbemerkt bleibt, egal wo er im Himmel stattfindet. Die Plattform setzt zu einem bedeutenden Teil auf Commercial-Off-The-Shelf (COTS) Komponenten, was die Kosten gegenüber bisheriger Strahlungshärtung deutlich senkt, ohne die Funktionstüchtigkeit einzuschränken.
Jedes der CubeSats der Größe 3U verfügt über sechzig GAGG:Ce Szintillatorkristalle und zwölf Silizium-Silizium Drift Detektoren. Diese Kombination erlaubt eine breite Erfassung des Energiespektrums elektromagnetischer Signale mit extrem hoher zeitlicher Auflösung. Präzise Zeitmessung und Synchronisation der Detektoren sind essenziell, um die triangulative Positionierung und die korrekte Verknüpfung mit den Daten anderer Gravitationswellendetektoren zu gewährleisten. Das Design und der Betrieb basieren auch auf Erfahrungen, die mithilfe des Einzelsatellitenprojekts SpIRIT gesammelt wurden, das seit 2023 mit einer ähnlichen Sensorik im Erdorbit Daten sammelt. SpIRIT hatte allerdings mit Problemen in der Kühlung und der Downlink-Verbindung zu kämpfen, was die Beobachtungszeit einschränkte.
HERMES-PF versucht, diese Schwachstellen mit seiner Konstellation und verbesserten technischen Auslegung auszumerzen, um eine nachhaltige und breit abdeckende Beobachtung zu garantieren. Die Bedeutung von HERMES-PF nimmt mit dem Fortschreiten der Gravitationswellenforschung zu, vor allem in Vorbereitung auf neue Detektoren wie das Einstein-Teleskop, das voraussichtlich jährlich bis zu hundert neue Ereignisse detektieren kann – ein Vielfaches der derzeitigen Anzahl. Um diese Welle neu entdeckter Gravitationswellen mit entsprechenden elektromagnetischen Beobachtungen zu verknüpfen, ist ein System erforderlich, das jederzeit und überall im Himmel auf solche Signale reagieren kann. Hier setzt HERMES-PF mit seiner all-sky-Fähigkeit und präzisen Lokalisierung an, was die multi-messenger Astronomie auf ein neues Level heben wird. Durch die Kombination von Gravitationswellen- und elektromagnetischer Strahlungsbeobachtung eröffnen sich völlig neue Einblicke in den Ablauf und die physikalischen Mechanismen hinter kosmischen Katastrophenereignissen.
Beispielsweise können durch simultane Beobachtungen besser Einblicke in das Verhalten von Materie in extremen Gravitationsfeldern oder in den Nukleosynthese-Prozessen am Ursprung schwerer Elemente gewonnen werden. HERMES-PF steht damit an der Spitze eines wissenschaftlichen Paradigmenwechsels, der das Verständnis des Universums revolutionieren kann. Für die Zukunft verspricht die Mission, nicht nur in der Grundlagenforschung neue Erkenntnisse zu liefern, sondern auch als technologisches Demonstrationsprojekt zu dienen, das zeigt, wie kostengünstige CubeSat-Konstellationen effektive, weltumspannende Überwachungssysteme für astrophysikalische Phänomene realisieren können. Die flexible und modulare Struktur der CubeSats erlaubt eine einfache Erweiterung der Flotte, um Jenseits der sechs initialen Einheiten weitere Sensoren ins All zu bringen, die die Abdeckung noch weiter verbessern und die Genauigkeit der Lokalisierungen nochmals steigern könnten. Insgesamt ist HERMES-PF ein herausragendes Beispiel dafür, wie kleinere Satelliten mit innovativer Technik und cleverer Vernetzung enorme wissenschaftliche Fortschritte ermöglichen können.
Die Mission zeigt auf inspirierende Weise, wie private und öffentlich-wissenschaftliche Partner neue Wege in der Raumfahrt beschreiten. Langfristig wird die Fähigkeit, den gesamten Himmel nach hochenergetischen kosmischen Ausbrüchen zu scannen und diese präzise zu vermessen, das Tor zu einer noch nie dagewesenen Phase der Astronomie aufstoßen – einer Phase, in der wir das Universum nicht nur hören, sondern auch in seiner ganzen elektromagnetischen Vielfalt sehen und verstehen können.