Der Streit um den Stablecoin TrueUSD (TUSD) zwischen Tron-Gründer Justin Sun und der Trust-Gesellschaft First Digital Trust (FDT) entwickelt sich zunehmend zu einem öffentlichen Prozess, der weit über die reine Finanzwelt hinaus Aufmerksamkeit erregt. Im Zentrum der Kontroverse steht der Vorwurf von Sun, dass FDT rund 456 Millionen US-Dollar an TUSD-Reservemitteln fehlgeleitet habe. Während FDT alle Anschuldigungen vehement zurückweist, hat Sun deutlich gemacht, dass er jegliche rechtliche Schritte – einschließlich Gerichtsverfahren – begrüßt, um die Vorwürfe aufzuklären und für Transparenz zu sorgen. Dieser Konflikt gewährt tiefe Einblicke in die Herausforderungen, denen Stablecoins und deren Verwahrer in einem noch unzureichend regulierten Umfeld gegenüberstehen. Außerdem werden grundsätzliche Fragen zur Aufsicht von Trust-Instituten in Hongkong und zur Sicherheit der Kundengelder aufgeworfen.
Justin Suns Position ist eindeutig: Er sieht sich in der Rolle des Beschützers der TrueUSD-Investoren und warnt vor einem möglichen Kollaps dieses Stablecoins, falls die mutmaßlich entwendeten Reserven nicht zurückgeführt werden. Sun, der als Berater beim Betreiber Techteryx tätig ist, behauptet, dass First Digital Trust seit 2023 nicht nur die Gelder an ein Unternehmen in Dubai namens Aria Commodities DMCC weitergeleitet habe, statt an den offiziell bestimmten Fonds, sondern dass dabei auch Verbindungen zwischen den involvierten Firmen falsch dargestellt wurden. Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung, bei der externe Fachleute involviert gewesen sein sollen, weist Sun auf eine komplexe finanzielle Verflechtung hin, die seiner Ansicht nach ein groß angelegtes Ponzi-System offenbaren könnte. Um den drohenden Schaden für TrueUSD und dessen Anleger abzuwenden, gewährte Justin Sun seinem Kooperationspartner Techteryx einen Kredit in Höhe von 500 Millionen US-Dollar. Er betont, dass diese Entscheidung nicht leicht gefallen sei, da er als Kreditgeber selbst ein erhebliches Risiko eingeht.
Dabei stellt Sun klar, dass es ihm nicht um persönliche finanzielle Vorteile gehe, sondern um den Schutz der Web3-Branche und der Allgemeinheit, um eine mögliche Kettenreaktion mit fatalen Auswirkungen zu verhindern. Auf der anderen Seite wehrt sich First Digital Trust entschieden gegen die Vorwürfe. Das Unternehmen bezeichnet Suns Behauptungen als „bösartige Rufschädigung“ und einen Versuch, den Marktanteil von FDT und dessen Stablecoin FDUSD zu beeinträchtigen. In den sozialen Medien wirft FDT Sun vor, eine koordinierte Kampagne zu fahren, die den Wettbewerb verzerren soll. Interessanterweise fiel infolge dieses Konflikts der Preis von FDUSD kurzfristig von seinem US-Dollar-Peg ab und erreichte zeitweise nur 0,91 US-Dollar.
Mit Blick auf die von Sun vorgebrachte Insolvenzaussage, wonach FDT seit 2023 bilanziell überschuldet sei, weist FDT dies zurück und verdeutlicht, dass laut ihrem letzten Finanzbericht die Kundengelder „vollständig rückzahlbar“ seien und das Unternehmen solvent bleibe. Die Bilanzzahlen, auf die Sun verweist, wurden zwar im Juni 2024 veröffentlicht und zeigten negative Nettovermögenswerte von etwa 101 Millionen Hongkong-Dollar, doch FDT betont, dass diese Werte nicht zwingend die momentane Lage widerspiegeln. Über den Streit um die Mittelverwendung hinaus fordert Justin Sun eine intensivere Regulierung der Trust-Institute in Hongkong. Er kritisiert, dass die derzeitigen Aufsichtsmechanismen mangelhaft sind und die Verwahrung von Kundengeldern nicht ausreichend überwacht werde. Sun plädiert dafür, die Kontrollmaßnahmen zu verschärfen, um künftige Missbrauchsfälle zu verhindern.
Der lokale Gesetzgeber Johnny Ng bekräftigte diese Forderung, indem er auf wiederholte Betrugsfälle im Trust-Sektor hingewiesen hat und eine Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen fordert. Um Whistleblower zu motivieren, Informationen über mögliche Unregelmäßigkeiten bei FDT preiszugeben, hat Justin Sun eine Belohnung von 50 Millionen US-Dollar ausgelobt. Er hofft dadurch, weitere Klarheit über die angebliche Geldverschiebung und mögliche Verstrickungen verschiedener Akteure zu erhalten. Dieses Vorgehen unterstreicht seinen erklärten Anspruch auf „Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit“ und seinen Willen, die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Der Vorwurf, dass FDT nicht nur als neutraler Mittelsmann fungiert habe, sondern aktiv an der vermeintlichen Veruntreuung beteiligt gewesen sei, stellt eine zentrale Streitfrage dar.
Sun nennt explizit weitere Dienstleister rund um TrueUSD und verweist auf gefälschte Dokumente und komplexe Fundtransfers, die ohne Wissen der wahren Investoren erfolgt seien. Im Mittelpunkt stehen zudem die Rollen von Vincent Chok, CEO von FDT und der Legacy Trust, sowie von Alex De Lorraine, CEO von Archblock Inc., dem Besitzer von TrueCoin, der laut Sun FDT in die Investition in den dubai-basierten Cayman-Fonds verleitet habe. Allerdings veröffentlicht FDT Screenshots des Vertrags mit Techteryx, in dem festgehalten wird, dass FDT ausdrücklich keine Stellung zu den Investitionsentscheidungen der Kunden nimmt. Dies soll nach Ansicht von FDT seine Neutralität belegen und die eigene Verantwortung einschränken.
Die anhaltende Auseinandersetzung wird vermutlich vor Gericht weiter ausgetragen werden, wobei jede Partei eigene Beweise und Berichte vorlegen möchte. Das Thema wirft indes ein Schlaglicht auf die Risiken, die mit Stablecoins verbunden sind, insbesondere wenn deren Reserven nicht transparent und sicher verwaltet werden. Die Diskussion um TrueUSD und First Digital Trust könnte wegweisend für die künftige Regulierung und das Vertrauen in digitale Assets sein. Die Forderungen nach effektiverer Aufsicht von Trust-Instituten, geeigneten Kontrollen und der Wahrung der Interessen von Anlegern könnte eine stärkere Regulierung und mehr Compliance im Blockchain-Ökosystem anstoßen. Zusammenfassend steht Justin Sun für einen offenen Dialog und eine rechtliche Klärung, die nicht nur das Schicksal von TrueUSD beeinflussen wird, sondern weitreichende Auswirkungen auf die Stabilität von Stablecoins und auf die Regulierung von Trust-Dienstleistern in Hongkong und darüber hinaus haben könnte.
Sein Engagement, trotz eigener Risiken, spiegelt die Bedeutung wider, die Stablecoins als Fundament der Krypto-Ökonomie einnehmen. Die anstehende juristische Auseinandersetzung dürfte nicht nur für die beteiligten Parteien, sondern auch für Investoren, Regulierungsbehörden und die gesamte Branche von großem Interesse sein.