Der Liquid Restaking-Sektor von Ethereum steht aktuell vor erheblichen Herausforderungen. Nachdem der Bereich im Jahr 2024 einen starken Boom verzeichnete und zeitweise zu den größten Protokollkategorien nach Total Value Locked (TVL) zählte, ist seitdem ein deutlicher Rückgang zu beobachten. Das im Liquid Restaking gebundene Kapital ist seit dem Dezember 2024 um etwa 37 Prozent gefallen, von über 18,3 Milliarden US-Dollar auf circa 12 Milliarden US-Dollar. Dieser nachlassende Trend wirft die Frage auf, welche Faktoren für die Abkühlung verantwortlich sind und welche Konsequenzen sich daraus für den DeFi- und Ethereum-Ökosystem ergeben. Liquid Restaking ist ein innovatives Protokollmodell, das es Nutzern ermöglicht, ihre bereits für Ethereum-Staking hinterlegten ETH erneut zu staken, um zusätzliche Belohnungen zu generieren.
Dabei bleibt der Zugriff auf die Liquidität mittels sogenannter Liquid Restaking Tokens (LRT) erhalten, wodurch Nutzer ihre Assets flexibler einsetzen können. Dieses Modell gewann anfangs große Aufmerksamkeit, da es das Potenzial bot, sowohl Sicherheit als auch Rendite zu erhöhen, ohne die Liquidität vollständig zu blockieren. Zu den bekanntesten und größten Akteuren im Liquid Restaking zählen EigenLayer, Kelp, Renzo und Ether.fi. EigenLayer war lange Zeit der Vorreiter im Liquid Restaking-Ökosystem.
Das Protokoll ermöglicht es ETH-Haltern, ihr Kapital mehrfach zu nutzen, indem es zusätzliche Sicherheit für andere Anwendungen im Ethereum-Netzwerk zur Verfügung stellt. Trotz der innovativen Technik ist das Total Value Locked bei EigenLayer seit seinem Höchststand im Juni 2024 von 5,4 Millionen ETH auf aktuell 4,4 Millionen ETH gefallen. Auch die anderen großen Liquid Restaking-Player verzeichnen deutliche Rückgänge. Kelp erlitt einen Wertverlust von rund zehn Prozent seit seinem April-Höchststand, während Renzo sogar einen drastischen Rückgang von über 60 Prozent hinnehmen musste. Die Ursachen für den Einbruch im Liquid Restaking-Sektor sind vielfältig.
Ein wichtiger Faktor ist das Auslaufen oder die Reduktion von Anreizen und Belohnungen, die in der Anfangsphase den Nutzerzustrom stark beschleunigt hatten. Wie mehrfach von Branchenexperten betont wurde, beruhte der frühe Boom vor allem auf hohen Belohnungen und Spekulationen rund um neue Token-Airdrops. Diese initialen „Belohnungspools“ und „Anreizmechanismen“ verloren jedoch zunehmend an Attraktivität, was zu einem Rückgang der TVL beitrug. Insbesondere die sogenannten Airdrop-Hypes führten zu einem kurzfristigen, aber kaum nachhaltigen Wachstum. Zusätzlich zu den reduzierten Anreizen haben einige Protokolle, darunter EigenLayer, ihre Parameter bewusst konservativer gestaltet.
Um Risiken zu minimieren und die langfristige Stabilität zu gewährleisten, wurden beispielsweise Einzahlungsobergrenzen eingeführt und die Anzahl der zugelassenen eigenständigen Validierungsdienste (AVSs) limitiert. Diese Maßnahmen signalisieren eine strategische Neuausrichtung weg von einem aggressiven Wachstum hin zu mehr Nachhaltigkeit und Risikokontrolle. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist die Rotation des Kapitals in alternative Renditechancen. Viele Anleger im Kryptowährungsbereich sind stets auf der Suche nach attraktiveren oder sichereren Möglichkeiten, ihre Einlagen zu vermehren. Während die Liquid Restaking-Modelle anfänglich verlockende Vermögenseffekte boten, haben sich in der Zwischenzeit neue, oft risikoreichere und kurzfristigere Finanzprodukte etabliert, die Kapitalströme abziehen.
Hierdurch entsteht zwar kein genereller Liquiditätsverlust innerhalb des Ökosystems, aber eine Abwanderung von Liquidität aus den Liquid Restaking Protokollen. Trotz dieser Herausforderungen gibt es Akteure, die sich aus dem Abwärtstrend herauslösen konnten. Ether.fi sticht hierbei als positiver Gegenentwurf hervor. Das Protokoll hat es geschafft, seit Anfang 2024 seinen TVL von nur 44.
000 ETH auf beeindruckende 2,75 Millionen ETH zu steigern. Dieses Wachstum wird vor allem auf eine verbesserte Nutzerintegration, ein wachsendes Community-Engagement und die Einführung des eigenen Governance-Tokens ETHFI zurückgeführt. Das Modell von Ether.fi kombiniert nicht nur Liquid Restaking-Funktionen, sondern entwickelt auch erweiterte Services, die eine Art „Defibank“ etablieren wollen – das heißt, eine umfassende Banking-Suite mit Kreditkarten, Punktsystemen und weiteren Anreizmechanismen. Das Beispiel Ether.
fi verdeutlicht, dass Liquid Restaking weiterhin Potenzial hat, wenn Protokolle auf mehr als nur kurzfristige Renditen setzen und nachhaltige Ökosysteme aufbauen. Das Einbinden von Community-Governance, realen Ertragsmöglichkeiten und nutzerfreundlichen Tools sorgt für eine höhere Bindung und Attraktivität auch in volatilen oder risikobewussten Marktphasen. Langfristig gesehen steht die Liquid Restaking-Branche an einem Scheideweg. Die Konsolidierung hin zu mehr Nachhaltigkeit und Risikokontrolle bietet die Chance, Vertrauen bei institutionellen und privaten Investoren gleichermaßen zu gewinnen. Gleichzeitig wird es entscheidend sein, innovativ zu bleiben und über bloße finanzielle Anreize hinauszugehen.
Dies könnte durch die Einführung neuer Anwendungsfälle, verbesserte Sicherheitsprotokolle oder eine nahtlosere Integration in das Ethereum-Ökosystem geschehen. Der Rückgang des TVL im Liquid Restaking zeigt exemplarisch die Dynamik eines jungen und schnelllebigen DeFi-Sektors. Innovationsdruck, regulatorische Unsicherheiten und das ständige Wechselspiel von Angebot und Nachfrage prägen den Markt. In dieser Phase zeigt sich, dass reine Anreiz- und Belohnungsmechanismen allein keine langfristige Tragfähigkeit garantieren. Der Fokus muss sich zunehmend auf Nutzererlebnis, Sicherheitsaspekte und funktionale Erweiterungen richten.
Für Ethereum als führende Smart-Contract-Plattform bleibt Liquid Restaking ein vielversprechendes Konzept, um die Sicherheit des Netzwerks zu erhöhen und zugleich die Kapitalbindung der Nutzer effizienter zu gestalten. Indem das Kapital mehrfach genutzt werden kann, verbessert sich die Kapitalproduktivität, was wiederum positiven Einfluss auf das gesamte Ökosystem hat. Die Herausforderung besteht darin, diesen Mechanismus so zu gestalten, dass Risiken minimiert und nachhaltige Anreize geschaffen werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Liquid Restaking-Sektor von Ethereum aktuell durch eine Konsolidierungsphase geht, die von einem Rückgang der TVL und verändertem Nutzerverhalten geprägt ist. Die Ausdünnung der Anreizmechanismen sowie die Suche der Anleger nach neuen Renditchancen führen dazu, dass viele Protokolle in ihrer bisherigen Form unter Druck geraten.