Die Arbeitswelt erlebt seit einigen Jahren einen tiefgreifenden Wandel, doch die COVID-19-Pandemie hat den Prozess der Digitalisierung und des ortsunabhängigen Arbeitens massiv beschleunigt. Remote Work, also die Arbeit außerhalb eines traditionellen Büroumfelds beispielsweise von Zuhause aus, hat sich als dauerhaftes Element moderner Arbeitsmodelle etabliert. Diese Veränderung bringt nicht nur Flexibilität und eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben mit sich, sondern hat auch unerwartete wirtschaftliche Effekte, insbesondere im Bereich der Unternehmensgründungen. Aktuelle Forschungsergebnisse, wie die Studie "Entrepreneurial Spawning from Remote Work" des National Bureau of Economic Research, zeigen, dass die Zunahme von Homeoffice und anderen Formen des Remote Work die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Beschäftigte den Schritt in die Selbstständigkeit wagen und neue Firmen gründen. Die Zusammenhänge und Ursachen dafür sind vielschichtig und bieten interessante Einsichten für Arbeitnehmer, Unternehmer und politische Entscheidungsträger.
Remote Work schafft einen erweiterten Freiraum für unternehmerische Aktivitäten. Die Untersuchung nutzt groß angelegte Daten zur Internetnutzung und zeigt, dass Beschäftigte in Unternehmen mit hohen Anteilen an Remote-Arbeit während der Pandemie deutlich häufiger eigene Unternehmen gründen. Diese Gründungen entstehen nicht nur häufiger, sie sind darüber hinaus auch qualitativ hochwertiger als der Durchschnitt neuer Unternehmen. Ein Grund dafür liegt darin, dass Remote Work den Betroffenen Zeit und Schutz vor beruflichen Risiken bietet, die notwendig sind, um neue Geschäftsideen zu testen und unternehmerisch zu experimentieren, ohne gleich ihre finanzielle Stabilität zu gefährden. Das traditionelle Bild der Firmengründung ist oft mit einem hohen Risiko verbunden – das Aussteigen aus einem sicheren Angestelltenverhältnis, finanzielle Unsicherheiten, fehlende Stabilität.
Remote Work reduziert diese Risiken insofern, als dass betroffene Arbeitnehmer teilweise ihre bisherigen Jobs ausüben können, während sie gleichzeitig nebenbei ein Unternehmen aufbauen und so eine Einkommensquelle behalten. Die Flexibilität, die durch das Arbeiten von Zuhause oder an anderen Orten gegeben ist, erlaubt es den Angestellten, ihre Zeit effizienter zu nutzen, Arbeits- und Gründerprojekte besser zu kombinieren und so neue Geschäftsideen voranzutreiben. Die Studie stellt außerdem klar, dass der Effekt der Unternehmensgründung durch Remote Work nicht auf zufällige Fluktuationen des Arbeitsmarktes oder eine einfache Änderung der Präferenzen zurückzuführen ist. Vielmehr handelt es sich um einen kausalen Zusammenhang, der durch statistisch robuste Methoden belegt wird, einschließlich Instrumentvariablen und Panel-Event-Studien. Damit wird belegt, dass es sich nicht um eine bloße Korrelation handelt, sondern dass Remote Work aktiv die unternehmerische Initiative fördert.
Dieses Phänomen hat weitreichende Implikationen für die Wirtschaftspolitik und die Gestaltung des Arbeitsmarktes. Der Anstieg von Gründungen infolge von remote geleisteter Arbeit kann insgesamt die Innovationskraft erhöhen, da neue Unternehmen häufig als Triebfedern für neue Ideen, Produkte und Dienstleistungen gelten. Zudem können regionale Disparitäten verringert werden, da die Möglichkeit zur Fernarbeit die Standortabhängigkeit mindert und Gründer nicht mehr zwingend in wirtschaftlich starken Ballungszentren ansässig sein müssen. Allerdings bringt die Verschiebung hin zu mehr Remote Work und dem damit einhergehenden Unternehmertum auch Herausforderungen mit sich. Die Balance zwischen der bestehenden Anstellung und der Selbstständigkeit zu halten, bedeutet für viele Beschäftigte eine erhöhte Belastung und erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation und Disziplin.
Des Weiteren können soziale Aspekte wie Isolation und der Mangel an direktem kollegialen Austausch den kreativen und motivierenden Prozess erschweren, der für unternehmerische Tätigkeiten wichtig ist. Gleichzeitig stellt sich die Frage nach der Unterstützung von Gründern, die aus der Remote-Arbeit heraus Unternehmen starten. Es bedarf spezieller Förderprogramme, die auf die Bedürfnisse von Telearbeitern eingehen, etwa durch gezielte Coachingangebote, flexible Finanzierungsmöglichkeiten und digitale Netzwerke, die den Aufbau von Kontakten jenseits des physisch begrenzten Arbeitsumfelds erleichtern. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die rechtliche und arbeitsrechtliche Absicherung von nebenberuflichen Gründungen, die oft komplexe Fragen bezüglich Arbeitszeit, Vertragsgestaltung und Sozialversicherung umfasst. In Unternehmen selbst führt die Erkenntnis, dass Remote Work unternehmerische Aktivitäten fördert, zu einem Umdenken in der Personalarbeit.
Arbeitgeber können durch gezielte Anreize profitieren, indem sie Mitarbeitern Freiräume für kreative Projekte eröffnen und deren Innovationskraft fördern. Gleichzeitig sollten klare Richtlinien entwickelt werden, um Interessenkonflikte und eine Überlastung der Mitarbeiter zu vermeiden. Neben den individuellen und unternehmerischen Ebene betrifft die Dynamik auch die Gesellschaft insgesamt. Eine stärkere Gründungsaktivität trägt zur Vielfalt und Vitalität der Wirtschaft bei. Neue Firmengründungen schaffen Arbeitsplätze, fördern Wettbewerb und eröffnen Verbrauchern mehr Wahlmöglichkeiten.
Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten können so wichtige Impulse gesetzt werden, um Wachstum und Stabilität zu sichern. Die digitale Infrastruktur spielt dabei eine zentrale Rolle. Ohne eine zuverlässige und leistungsfähige Internetverbindung wäre das Arbeiten und Gründen aus der Ferne kaum möglich. Die kontinuierliche Verbesserung der Netzabdeckung, insbesondere in ländlichen Gebieten, und die Förderung digitaler Kompetenzen sind daher entscheidende Voraussetzungen, damit die positiven Effekte von Remote Work auf Unternehmensgründungen nachhaltig wirken können. Unter dem Strich zeigt sich, dass die Verschmelzung von Remote Work und unternehmerischem Handeln ein bedeutendes Zukunftsthema ist.