El Salvador schrieb im Jahr 2021 Krypto-Geschichte, als es als erstes Land der Welt Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführte. Mit dieser bahnbrechenden Entscheidung wollte die Regierung unter Präsident Nayib Bukele neue Wege gehen, um technologische Investitionen anzuziehen, Überweisungskosten zu senken und den Millionen von Menschen ohne Bankkonto Zugang zu Finanzdienstleistungen zu ermöglichen. Die Hoffnung war, El Salvador in ein globales Krypto-Zentrum zu verwandeln, das Vorbildcharakter für andere Länder haben könnte. Doch fast drei Jahre später steht das Experiment vor ernsten Herausforderungen: 89 % der offiziell registrierten Bitcoin-Dienstleister sind vom Markt verschwunden oder haben ihren Betrieb eingestellt. Was steckt hinter diesem beunruhigenden Rückzug und was bedeutet das für die Zukunft der Kryptowährungen im Land? El Salvadors Bitcoin-Ökosystem sieht heutzutage anders aus als noch bei der Einführung.
Laut Daten der Zentralbank El Salvadors waren von den 181 Firmen, die offiziell für Bitcoin-Dienste zugelassen wurden, bereits Anfang 2025 nur noch 20 aktiv. Der Großteil, nämlich 161 Unternehmen, wurde als «nicht operierend» klassifiziert. Diese Entwicklung spricht für eine ernste Diskrepanz zwischen der anfänglichen Euphorie und der tatsächlichen Geschäftstätigkeit vor Ort. Ein wesentlicher Faktor für die hohe Anzahl an stillgelegten Firmen sind regulatorische Anforderungen, die viele nicht erfüllen konnten. Die Bitcoin-Gesetzgebung verpflichtet Dienstleister dazu, hohe Standards in Bezug auf Integrität, Transparenz und Sicherheit einzuhalten.
Dazu gehören Programme zur Bekämpfung von Geldwäsche, eine klare Dokumentation von Vermögenswerten und Schulden sowie robuste Cybersecurity-Maßnahmen, die dem Risiko ihres Geschäftsmodells angemessen sind. Für viele kleinere oder mittelständische Unternehmen im Krypto-Bereich waren diese Auflagen jedoch schwer zu erfüllen. Die notwendige technische Infrastruktur, die personellen Ressourcen und das Wissen rund um Regulierungs-Compliance sind oft limitiert. Gleichzeitig nimmt die Unsicherheit hinsichtlich der Akzeptanz und Nutzung von Bitcoin im Alltag weiter zu. Studien berichten, dass viele Salvadorianer nach anfänglicher Neugier die Nutzung von Bitcoin in alltäglichen Transaktionen eingestellt haben.
Die offizielle Chivo Wallet-Verwaltung des Staates als zentrales digitales Tool hatte mit technischen Problemen zu kämpfen und hat es nicht geschafft, breite Akzeptanz aufzubauen. Angesichts solcher Widerstände verloren viele Dienstleister den Anreiz, den operativen Betrieb aufrechtzuerhalten. Die kritische Haltung internationaler Institutionen wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) verschärfte die Lage zusätzlich. Der IWF übte mehrfach öffentlich Kritik an El Salvadors Bitcoin-Politik, warnte vor negativen Auswirkungen auf die finanzielle Stabilität und empfahl sogar die Einschränkung oder den Entzug des Rechtsstatus von Bitcoin als gesetzlichem Zahlungsmittel. Im Zuge von Verhandlungen über finanzielle Unterstützungsgelder geriet die Bitcoin-Strategie des Landes unter Druck und musste angepasst werden.
Die Legislative El Salvadors entschied schließlich, die verpflichtende Akzeptanz von Bitcoin für Unternehmen aufzuheben. Der Staat legt nicht mehr fest, dass alle Transaktionen in Bitcoin abgewickelt werden müssen. Dieser Schritt bedeutete de facto eine Abschwächung der ursprünglichen Bitcoin-Gesetzgebung und reduzierte den Druck auf Händler und Dienstleister. Trotzdem zeigt die Regierung bis heute öffentlichkeitswirksam Präsenz. Präsident Bukele verkündet regelmäßig den Ausbau der eigenen Bitcoin-Bestände und nennt eine Zahl von über 6.
100 Bitcoin im Staatsportfolio, das mutmaßlich über eine halbe Milliarde US-Dollar wert sein soll. Die genaue Herkunft dieser Mittel und ihre Verwendung bleiben jedoch undurchsichtig und stoßen auf Kritik von Beobachtern und Finanzexperten. Neben den regulatorischen und politischen Herausforderungen spielt auch die Infrastruktur eine bedeutende Rolle. Die Aufrechterhaltung eines funktionierenden Krypto-Ökosystems bedarf stabiler Netzwerke, sicherer Wallet-Systeme und praxisnaher Anwendungen, die den Alltag der Nutzer bereichern. In El Salvador fehlt es bislang an einer lebendigen Landschaft an Anbietern, die sowohl technische Qualität als auch Kundenorientierung vereinen.
Die wenigen aktiven Firmen, zu denen auch die offizielle Chivo Wallet zählt, dominateiren den Markt, jedoch ohne einen umfassenden Wettbewerb oder breite Palette an innovativen Angeboten. Ein weiterer Aspekt ist die kulturelle und wirtschaftliche Realität der Bevölkerung. Viele Salvadorianer sind skeptisch gegenüber komplexen digitalen Zahlungsmitteln, insbesondere wenn keine klare Mehrwert-Erfahrung erkennbar ist. Zudem sind technische Barrieren wie mangelnder Internetzugang, fehlende digitale Kompetenz und instabile Stromversorgung im Land nicht zu unterschätzen. Zwar stellte die Bitcoin-Einführung ursprünglich finanzielle Inklusion in den Vordergrund, doch die Umsetzung blieb hinter den Erwartungen zurück.
Experten aus der Kryptowährungsbranche, wie Hon Ng vom Unternehmen Bitget, weisen darauf hin, dass der rechtliche Rahmen zwar innovativ sei, jedoch die geschäftlichen Voraussetzungen vor Ort nicht ausreichend berücksichtigt würden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen seien mit hohen Compliance-Anforderungen oft überfordert. Die Diskrepanz zwischen gesetzlichen Ansprüchen und praktischen Möglichkeiten führe dazu, dass viele Firmen sich aus dem Markt zurückziehen. Es bleibt offen, wie stark die salvadorianische Regierung künftig regulierende Maßnahmen durchsetzen will und bis zu welchem Grad sie Innovationen durch flexible Rahmenbedingungen fördert. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten kündigt die Regierung weiterhin ambitionierte Projekte wie die sogenannten Volcano Bonds an – Bitcoin-gestützte tokenisierte Staatsanleihen, die gemeinsam mit Partnern wie dem Stablecoin-Anbieter Tether entwickelt werden sollen.
Jedoch haben sich diese Vorhaben mehrfach verzögert, und ihr tatsächlicher Starttermin liegt weiterhin in der Zukunft. Die Frage, ob El Salvador seine Vision eines Bitcoin-Hubs langfristig verwirklichen kann, ist somit komplex und mit Unsicherheiten behaftet. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Bitcoin-Experiment in El Salvador eine wertvolle Lektion für die weltweite Kryptowährungs-Gemeinschaft darstellt. Die Ambitionen des kleinen mittelamerikanischen Staates sind groß, doch die Umsetzung erfolgt in einem schwierigen Spannungsfeld aus regulatorischen Anforderungen, technischer Infrastruktur, Nutzerakzeptanz und internationalem Druck. Die hohe Zahl an inaktiven Serviceanbietern sollte nicht nur als Scheitern gewertet werden, sondern auch als Hinweis darauf, wie wichtig kohärente Strategien, realistische Rahmenbedingungen und intensive Aufklärungsarbeit sind, wenn Kryptowährungen in größere Wirtschaftsstrukturen integriert werden sollen.
El Salvador steht vor der Herausforderung, ausgewogene Lösungen zu finden, die Innovation fördern, aber auch Stabilitätsrisiken minimieren. Ob das Land es schafft, die verbliebenen Krypto-Unternehmen zu stärken und ein nachhaltiges Ökosystem aufzubauen, wird in den kommenden Jahren entscheidend sein – nicht nur für El Salvador selbst, sondern als Modellprojekt für andere Länder, die den Weg der digitalen Währungen einschlagen wollen.