Die Regulierung von Kryptowährungen und insbesondere von Stablecoins steht weltweit im Zentrum der Aufmerksamkeit von Regierungen und Finanzaufsichtsbehörden. In Europa hat die Europäische Union mit der Verordnung über Märkte für Krypto-Assets, bekannt als MiCA, einen umfassenden Rechtsrahmen geschaffen, der klare Regeln für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen insbesondere im Bereich der Stablecoins einführt. Während viele Unternehmen in der Branche die neuen Vorschriften als wichtigen Schritt zur Legitimation und Sicherheit begrüßen, übt Paolo Ardoino, CEO des Stablecoin-Emittenten Tether, scharfe Kritik an den Regelungen. Er verteidigt entschieden die Entscheidung seines Unternehmens, sich nicht für eine MiCA-Zulassung für den US-Dollar-gebundenen Stablecoin USDT zu bewerben – und das mit gewichtigen Argumenten. Tether ist der weltweit größte Stablecoin-Emittent mit seinem USDT, der seit Jahren eine zentrale Rolle im Kryptomarkt einnimmt.
In Europa könnten die neuen MiCA-Vorschriften gravierende Auswirkungen auf den Handel und die Akzeptanz dieses Stablecoins haben. Ardoino warnte auf der Token2049-Konferenz in Dubai davor, dass die Anforderungen der MiCA-Verordnung insbesondere für Stablecoins riskant seien und für das europäische Bankensystem negative Folgen mit sich bringen könnten. Insbesondere kritisiert der Tether-CEO die Vorschrift, nach der mindestens 60 Prozent der Stablecoin-Reserven in versicherten Bareinlagen bei europäischen Banken gehalten werden müssen. Nach seiner Einschätzung birgt dies die Gefahr, dass kleinere und mittelgroße Banken in der EU in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten. Ardoino bezeichnet die MiCA-Lizenz daher als „sehr gefährlich“ – nicht nur für Tether, sondern für die gesamte Stabilität des europäischen Finanzmarktes.
Seine Entscheidung, keine MiCA-Zulassung für USDT zu beantragen, begründet Ardoino mit dem Schutz von mehr als 400 Millionen Nutzern weltweit, die ansonsten einem erhöhten Risiko ausgesetzt wären, wenn das Unternehmen sich diesen Anforderungen beugen würde. Ein weiterer zentraler Punkt seiner Kritik ist die Befürchtung, dass die Europäische Zentralbank vor allem den digitalen Euro fördern will, um die Kontrolle über das Zahlungs- und Finanzverhalten der Bevölkerung zu verstärken. Ardoino äußert die Vermutung, dass die MiCA-Regelungen weniger auf den Schutz von Verbrauchern als vielmehr auf die Förderung des eigenen digitalen Geldes ausgerichtet sind. Diese Sichtweise reflektiert eine breitere Debatte über die Rolle von Stablecoins in der Zukunft des Zahlungsverkehrs und den Einfluss staatlicher Institutionen auf digitale Währungen. Die MiCA-Verordnung ist nach jahrelanger Planung im Dezember 2024 in Kraft getreten und bildet einen bedeutenden regulatorischen Meilenstein für den EU-Krypto-Sektor.
Für Anbieter wie Tether, die ihren Firmensitz in anderen Ländern, in diesem Fall El Salvador, haben, bedeutet dies, dass ihre Produkte nur dann innerhalb der EU gehandelt oder genutzt werden dürfen, wenn sie die Regeln der MiCA erfüllen. Allerdings macht Tether deutlich, dass der Aufwand und die Anforderungen der Zulassung für USDT unverhältnismäßig hoch und in der Praxis kaum umsetzbar sind. Als Konsequenz aus den neuen Vorschriften haben zahlreiche große Kryptobörsen ihre Produktpalette angepasst. Kraken entfernte zum Beispiel fünf Stablecoins, darunter auch USDT, aus dem Handel, und Crypto.com kündigte an, in den kommenden Monaten zehn Stablecoins vom Markt zu nehmen, wenn diese nicht MiCA-konform sind.
Diese Maßnahmen spiegeln wider, wie stark die MiCA-Regulierung die Angebotslandschaft in Europa beeinflusst und wie Unternehmen versuchen, regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden. Neben der europäischen Regulierung betrachtet Ardoino auch die Situation in den USA und anderen Märkten. Er hebt hervor, dass der US-Markt aufgrund des intensiven Wettbewerbs zwischen lokalen Stablecoin-Herausgebern und der unterschiedlichen regulatorischen Landschaft andere Produktansätze erfordere. Die USA streben zudem an, durch eine Reserve von Bitcoin eine strategische Reserve aufzubauen, was nach Ardoinos Ansicht eine unvermeidliche Entwicklung ist, die das Potenzial hat, die globale Krypto-Landschaft nachhaltig zu verändern. Insgesamt verweist Ardoino darauf, dass im Krypto-Sektor eine Balance zwischen der notwendigen Regulierung und der Förderung von Innovationen gefunden werden muss.
Eine zu strenge gesetzliche Regulierung, wie er sie im MiCA-Rahmen sieht, könnte Innovationen behindern, die Marktdynamik negativ beeinflussen und zu einer Konzentration bei wenigen großen Instituten führen, die regulierungstechnisch besser aufgestellt sind. Tethers Standpunkt illustriert auch eine grundsätzliche Herausforderung der Krypto-Industrie: Wie kann ein global agierender Anbieter die vielfältigen und teilweise widersprüchlichen Anforderungen verschiedener Rechtsräume erfüllen, ohne die Zugänglichkeit und die Marktpräsenz seiner Produkte zu gefährden? Die Antwort darauf wird entscheidend sein für die Zukunft von Stablecoins und des gesamten Kryptosektors. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Paolo Ardoinos Kritik an der MiCA-Verordnung ein klares Signal an Regulatoren in Europa ist, die Bedeutung praktischer und umsetzbarer Rahmenbedingungen für innovative Technologien zu erkennen. Die Diskussion um die Zulassung von USDT unter MiCA spiegelt die komplexen Herausforderungen wider, vor denen Krypto-Unternehmen heute stehen: Sie müssen global agieren, regulatorische Risiken managen und gleichzeitig die Interessen und Sicherheit ihrer Nutzer gewährleisten. Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich der europäische Markt für Stablecoins entwickeln wird und welche Lösungen sich anbieten, um die Balance zwischen Regulierung und Innovation aufrechtzuerhalten.
Im Zentrum steht dabei immer die Frage, wie der Kryptosektor seinen Platz in einem zunehmend regulierten Finanzsystem behaupten kann.