Cuttlefische, diese geheimnisvollen und hochintelligenten Meerestiere, sind bekannt für ihre beeindruckende Fähigkeit, ihre Hautfarbe blitzschnell zu verändern und so mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Doch neueste wissenschaftliche Untersuchungen enthüllen eine weitere, faszinierende Form der Verständigung: Cuttlefische 'sprechen' offenbar mit ihren Armen. Diese Entdeckung liefert nicht nur tiefere Einblicke in die komplexe Kommunikation der Meeresbewohner, sondern zeigt auch, wie sich Tierintelligenz in völlig unterschiedlichen Lebensräumen entwickelt hat. Die Studie wurde von einem Forscherteam der École Normale Supérieure in Paris und des Italienischen Instituts für Technologie durchgeführt und basiert auf präzisen Beobachtungen zweier Arten von Sepien, nämlich der Sepia officinalis und der Sepia bandensis. Über mehrere Monate hinweg dokumentierten die Wissenschaftler detailliert die Armbewegungen der Tiere und entdeckten dabei vier eindeutig unterscheidbare Gesten, die sie als "Arm Wave Signs" bezeichneten.
Diese Gesten werden als eigenständige Signale interpretiert und scheinen eine wichtige Rolle in der sozialen Interaktion der Tintenfische zu spielen. Das erste Zeichen, das als "Up" bezeichnet wird, ist die häufigste Armbewegung. Dabei streckt das Tier die erste Armreihe nach oben und die vierte Reihe nach außen, während die mittleren Arme verdreht werden. Diese spezifische Stellung wird oft in sozialen Begegnungen benutzt und gilt als Grundpfeiler der Kommunikation. Weitere Gesten wie das "Side"-Zeichen, bei dem alle Arme einseitig zusammengerollt werden, und das "Roll", bei dem die Arme unter den Kopf gezogen und gerollt werden, verändern die Körperform der Tintenfische auf markante Weise.
Das zuletzt identifizierte "Crown"-Zeichen zeichnet sich durch eine schnelle Spuckbewegung aus, bei der die Arme eine kronenartige Formation bilden und vermutlich eine besondere Bedeutung haben. Diese Armbewegungen sind allerdings nicht nur für das menschliche Auge ein interessanter Anblick, sondern haben offenbar eine tiefere kommunikative Funktion. Die Forscher bestätigten, dass diese Bewegungen nicht nur visuell wahrgenommen, sondern auch über Wasserwellen und Vibrationen übertragen werden. Dies bedeutet, dass die Tiere in einer Art multimodaler Kommunikation miteinander interagieren, indem sie sowohl sehen als auch fühlen, was der Gesprächspartner ihnen signalisiert. Das ist besonders bemerkenswert, weil es eine evolutionäre Parallele zu der Komplexität der Kommunikation bei Wirbeltieren zeigt, obwohl Cephalopoden eine völlig andere Entwicklungslinie durchlaufen haben.
Durch spezielle Wiedergabe-Experimente konnten die Wissenschaftler die in den Bewegungen erzeugten Wasserwellen aufnehmen und abspielen, um die Reaktionen der Sepien darauf zu testen. Dabei zeigte sich, dass die Tiere deutlich intensiver auf die Originalaufnahmen reagierten, als auf verzerrte oder rückwärts abgespielte Versionen. Dies legt nahe, dass Tintenfische Informationen nicht nur in der sichtbaren Bewegung, sondern auch in der spezifischen Struktur der Wasserwellen wahrnehmen und interpretieren können. Die beteiligten Sensororgane, vermutlich die Seitenlinienorgane und Statocysten, sind dabei für das Erfassen dieser feinen Signale verantwortlich. Das Verhalten der Tintenfische in Bezug auf diese Armzeichen scheint situationsabhängig vielfältige Funktionen zu erfüllen.
Beobachtungen zeigen, dass die Gesten in unterschiedlichsten Kontexten auftreten, darunter Partnersuche, Jagd, Abwehr von Feinden oder auch spontan scheinbar ohne ersichtlichen Anlass. Dies deutet darauf hin, dass die Signale eine multifunktionale Bedeutung haben könnten, etwa als Warnung, Begrüßung, Drohung oder als Teil komplexer sozialer Rituale. Die Fähigkeit, durch Arme auditive und visuelle Signale zu kombinieren, erweitert unser Verständnis von Kommunikation bei Meerestieren enorm. Sie eröffnet auch spannende Perspektiven auf die Intelligenz von Tintenfischen, die in der Wissenschaft bereits als sehr lernfähig und anpassungsfähig gelten. Tatsächlich könnte diese Kommunikation ein Indiz für ein hochentwickeltes soziales Verhalten sein, das bisher nur wenig erforscht wurde.
Darüber hinaus werfen diese Erkenntnisse neue Fragen nach der Evolution von Wahrnehmungssystemen bei Tieren auf. Die Parallele, dass Cephalopoden unabhängig von Wirbeltieren ähnlich komplexe Sinnes- und Kommunikationsmechanismen entwickelt haben, zeigt, wie vielfältig und parallel die Natur lebenswichtige Fähigkeiten hervorbringt. Gerade die Nutzung von Wasser als Trägermedium für Signale könnte bei anderen Meerestieren ebenfalls eine bedeutendere Rolle spielen, als bislang angenommen. Für die Zukunft planen die Forscher weiterführende Studien, um nicht nur die genaue Bedeutung der einzelnen Armzeichen zu entschlüsseln, sondern auch um besser zu verstehen, wie verschiedene Spezies untereinander und mit ihrer Umwelt interagieren. Vielleicht kann die Erforschung dieser ungewöhnlichen Kommunikationsweise auch dazu beitragen, technische Innovationen zu inspirieren, etwa im Bereich der Unterwasserkommunikation oder Robotik.
Diese Entdeckung macht einmal mehr deutlich, wie viel unerforschtes Wissen in den Ozeanen noch verborgen liegt. Cuttlefische gehören zu den faszinierendsten Kreaturen unserer Erde – ihre Fähigkeit, mit Armen zu sprechen und dabei visuelle und mechanische Reize zu kombinieren, ist ein beeindruckendes Beispiel für die vielfältigen Ausdrucksformen der Natur und ein Aufruf zur weiteren Erforschung der marinen Welt.