WordPress ist mit einem Anteil von über vierzig Prozent aller Websites weltweit eine der bedeutendsten Plattformen im Netz. Die Beliebtheit ergeben sich aus der hohen Flexibilität, der großen Community und der Offenheit des Systems. Doch in jüngster Zeit hat die Abhängigkeit von einer zentralen Infrastruktur, die von Automattic, dem Unternehmen hinter WordPress.org und dessen CEO Matt Mullenweg, kontrolliert wird, zunehmend Sorgen ausgelöst. Diese Sorgen betreffen insbesondere Fragen der Sicherheit und der Kontrolle über die Update- und Plugin-Verteilung.
Hier kommt das Projekt FAIR, das unter der Ägide der Linux Foundation gestartet wurde, ins Spiel. Es stellt eine dezentrale und neutrale Alternative dar, die eine neue Phase in der Verwaltung von WordPress-Updates und -Paketen einläutet. Das FAIR-Projekt ist eine Reaktion auf aktuelle Herausforderungen im WordPress-Ökosystem. Kritische Stimmen bemängelten, dass die zentrale Kontrolle durch Automattic eine Schwachstelle in der sogenannten Lieferkette (Supply Chain Security) darstellt. Weil sämtliche WordPress-Websites ihre Kernsoftware, Plugins, Themes und Übersetzungen von wordpress.
org beziehen, entsteht eine Abhängigkeit von dieser einzigen Quelle. Sollte diese Quelle ausfallen oder böswillig manipuliert werden, träfe dies Millionen von Websites weltweit. Die Gründung von FAIR eröffnet nun Entwicklern, Hosting-Anbietern und Organisationen die Möglichkeit, eigene Spiegelserver zu betreiben, die Updates bereitstellen. Dies reduziert Risiken durch Zentralisierung, verbessert die Sicherheit und fördert Innovationen. Der Hintergrund dieser Entwicklungen ist nicht zuletzt der Konflikt zwischen Automattic und WP Engine, einem der führenden WordPress-Hosting-Anbieter.
Im September 2024 sperrte Automattic WP Engine den Zugriff auf die Update-Server und warf dem Unternehmen unter anderem vor, den Wert von WordPress zu nutzen, ohne angemessen beizutragen. Diese Maßnahmen führten zu erheblichen Spannungen und Abwanderungen innerhalb von Automattic, unter anderem kündigten rund 150 Mitarbeiter ihre Zusammenarbeit auf. Dieses Ereignis verdeutlichte die Macht, die Automattic durch die Kontrolle von wordpress.org ausübt, und war ein Katalysator für das FAIR-Projekt. Die Vision von FAIR ist es, ein föderiertes Netzwerk zu schaffen, in dem jeder Teilnehmer eigene Komponenten des Update-Ökosystems betreiben kann.
Im Gegensatz zu einem Fork von WordPress wird hierbei die Kompatibilität zu Kernfunktionen und bestehenden Erweiterungen bewahrt. Die neuen Serverkomponenten ermöglichen es, Updates und Erweiterungen zu verteilen, ohne von einer einzigen zentralen Stelle abhängig zu sein. So können Unternehmen, die WordPress intensiv nutzen, sicherstellen, dass sie selbst die Kontrolle darüber haben, welche Versionen und Plugins ihre Webseiten beziehen – ein entscheidender Schritt zur Erhöhung der Resilienz des Systems. Die technische Verantwortung liegt bei einem von der Linux Foundation initiierten Steuerungskomitee, das von renommierten WordPress-Experten geführt wird. Dabei wirkt beispielsweise Ryan McCue mit, der als Architekt der WordPress REST API bekannt ist und FAIR als „Plattform für die nächsten Jahrzehnte von WordPress“ bezeichnet.
Diese neutrale Aufsicht soll sicherstellen, dass das Projekt offen, transparent und im Sinne der gesamten Gemeinschaft voranschreitet. Die Vorteile eines solchen dezentralen Systems sind vielfältig. Sicherheitsexperten warnen immer wieder vor Risiken zentraler Infrastruktur, die einen einzigen Fehlerpunkt darstellt. Durch verteilte Update-Quellen wird nicht nur die Ausfallsicherheit erhöht, sondern auch der Schutz vor gezielten Angriffen verbessert. Darüber hinaus verändern sich dadurch die wirtschaftlichen Spielregeln: Entwickler erhalten mehr Freiheit bei der Bereitstellung von Erweiterungen, auch Bezahlmodelle lassen sich besser integrieren, da Plugins und Themes künftig auch in signierten Paketen ausgeliefert werden können, was bisher auf der offiziellen Plattform nicht möglich war.
Unter WordPress-Nutzern und Entwicklern bestehen allerdings unterschiedliche Ansichten zur Einführung von FAIR. Auf der einen Seite steht die Befürwortung, dass mehr Optionen und Dezentralisierung dringend benötigt werden, um das Ökosystem unabhängig und robust zu halten. Auf der anderen Seite werden auch Warnungen laut, die vor einer möglichen Fragmentierung warnen, die den Update-Prozess komplizierter machen und für Nutzer verwirrend sein könnte. Insbesondere die Kompatibilität sowie die Belastung der Serverinfrastruktur sind Themen, die sorgfältig bedacht werden müssen. Die WordPress-Stiftung, vertreten durch ihre Geschäftsführerin Mary Hubbard, erinnert daran, dass WordPress von Beginn an die Freiheit des Users betont hat, zu entscheiden, wie Updates bezogen und installiert werden.
So bleiben auch individuelle Anpassungen und eigene Serverspiegel möglich, auch wenn diese bei kleineren Anwendern noch nicht weit verbreitet sind. Die Einführung des FAIR-Paketmanagers trägt genau zu dieser Philosophie bei, indem es eine offene, von jedem steuerbare Alternative zu der bisherigen zentralen Lösung etabliert. Die Linux Foundation sieht im FAIR-Projekt eine Chance, das gesamte WordPress-Ökosystem zu stärken und langfristig abzusichern. Mike Dolan, Vizepräsident für rechtliche und strategische Programme der Foundation, beschreibt WordPress als kritische Infrastruktur, die eine verlässliche Backend-Struktur benötigt, um ihre Rolle als führendes Content-Management-System weltweit zu erfüllen. FAIR kann diesen Bedarf nach Stabilität und Sicherheit bedienen und die Grundlage für weitere Innovationen schaffen.
Die Arbeitsgruppe hinter FAIR besteht aus mehr als hundert engagierten Mitwirkenden aus über zehn Organisationen, die in den letzten sechs Monaten intensiv an diesem Projekt gearbeitet haben. Das spricht für eine breite Unterstützung innerhalb der Community, die sich von den aktuellen Spannungen um Automattic lösen und auf eine offene Zukunft hinarbeiten möchte. Die von FAIR gebotene Neutralität könnte dazu beitragen, alte Konflikte zu überwinden und das Gemeinschaftsgefühl wieder zu stärken. FAIR wird offen auf GitHub entwickelt und die Infrastruktur steht bereits zur Verfügung, um Beiträge aus der Community aufzunehmen. Die Einladung an Automattic und andere große Akteure wie WP Engine, GoDaddy oder Newfold, Teil dieses Netzwerks zu sein, ist ein klares Signal für Offenheit und Kooperation, auch wenn die Bereitschaft zur Beteiligung derzeit noch unklar ist.
Sollten diese Unternehmen mitziehen, könnte sich das System schnell als neuer Standard etablieren. Für die Zukunft von WordPress bedeutet das FAIR-Projekt potenziell einen Paradigmenwechsel hin zu mehr Dezentralität, mehr Transparenz und höherer Sicherheit. Es schafft die Voraussetzungen für ein resilienteres Ökosystem, in dem Anwender, Entwickler und Hosting-Anbieter gleichzeitig profitieren können. Die Möglichkeit, Updates selbst zu managen und Erweiterungen unabhängig auszuliefern, wird besonders für Unternehmen mit hohen Sicherheitsanforderungen und großen Webportfolios attraktiv sein. Zusätzlich bietet die neue Struktur Chancen für Innovationen im Bereich der Plugin-Entwicklung.
Indem kostenlose und kostenpflichtige Versionen in einem signierten Paket geliefert werden können, wird es einfacher, Geschäftsmodelle um Erweiterungen herum zu etablieren. Dies könnte neue Märkte erschließen und gleichzeitig die Nutzererfahrung verbessern. Abschließend ist anzumerken, dass die Herausforderungen, vor denen WordPress momentan steht, symptomatisch für die Dynamik großer Open-Source-Projekte sind, die an Bedeutung gewinnen und sich dabei mit Fragen von Governance, Kontrolle und Kommerzialisierung auseinandersetzen müssen. Das FAIR-Projekt zeigt, wie Gemeinschaften aktiv auf solche Herausforderungen reagieren können, indem sie bestehende Strukturen hinterfragen und neue Wege beschreiten. Das Engagement vieler erfahrener Entwickler und Unternehmen sowie die Unterstützung durch die Linux Foundation erhöhen die Chancen, dass FAIR zu einem stabilen und dauerhaft erfolgreichen Bestandteil des WordPress-Ökosystems wird.
Die kommenden Monate und Jahre werden zeigen, ob diese dezentrale Vision breit angenommen wird und welche Auswirkungen sie langfristig auf die Sicherheit, Innovation und Gemeinschaft von WordPress haben wird.