Das ikonische Foto "Napalm Girl", offiziell bekannt als "The Terror of War", zählt zu den eindrucksvollsten und emotional aufgeladensten Bildern des 20. Jahrhunderts. Es zeigt das schreckliche Leid eines Mädchens, Kim Phuc Phan Thi, während des Vietnamkriegs im Jahr 1972, als sie nackt und vor Schmerz schreiend vor einem Angriff mit Napalm flieht. Das Bild symbolisiert bis heute die Grausamkeiten von Kriegen und hat sowohl weltweit Aufmerksamkeit als auch Auszeichnungen wie den Pulitzer-Preis und den World Press Photo Award erhalten. Doch nun sorgt eine unerwartete Wendung für Diskussionen: World Press Photo hat die Urheberschaft des Fotos ausgesetzt und zweifelt an, ob der lange als Fotograf geltende Nick Út tatsächlich derjenige war, der das Bild aufgenommen hat.
Die Geschichte hinter dem "Napalm Girl"-Foto ist tief mit den Geschehnissen des Vietnamkriegs verbunden. Der Fotograf Nick Út, ein junger Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Associated Press, wurde seit Jahrzehnten als der Schöpfer dieses Fotos anerkannt. Seine Aufnahme zeigt den Moment, in dem Kim Phuc und weitere Kinder vor einer verheerenden Napalm-Attacke fliehen, die von südvietnamesischen Luftstreitkräften auf eigene Truppen und Zivilisten verübt wurde – eine tragische Fehlentscheidung im Krieg. Das Bild wurde 1973 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet und prägte das öffentliche Verständnis des Vietnamkriegs maßgeblich. Doch der Wahrheitsnehmung dieses Bildes wurde durch eine Dokumentation von The VII Foundation im Jahr 2024 eine neue Dimension hinzugefügt.
Der Film "The Stringer" stellt die bisherige Urheberschaft in Frage und behauptet, dass ein anderer Fotograf, Nguyễn Thành Nghệ, der zum damaligen Zeitpunkt als Militärfotograf und Stringer tätig war, der tatsächliche Urheber des Bildes sein könnte. Dies führte zu einer unabhängigen Untersuchung durch World Press Photo, die Anfang 2025 eingeleitet wurde. Die Untersuchung von World Press Photo analysierte unter anderem den Standort der Fotografen, deren Positionen und die verwendete Kamera zum Zeitpunkt der Aufnahme. Die Erkenntnisse zeigten, dass sowohl Nguyễn Thành Nghệ als auch Huỳnh Công Phúc theoretisch besser positioniert gewesen sein könnten, um das Foto aufzunehmen als Nick Út. Diese Unsicherheit führte dazu, dass World Press Photo nun die Autorschaft von Nick Út für das Bild suspendierte, bis weitere Beweise vorliegen.
Diese Entscheidung zieht Konsequenzen für die historische Anerkennung eines der berühmtesten Fotos der Kriegsfotografie nach sich. Die Reaktionen auf diese Enthüllung sind vielfältig und kontrovers. Nick Út selbst, vertreten durch seinen Anwalt James Hornstein, bestreitet die Anschuldigungen und betont, dass es keine definitive Grundlage gebe, um die seit Jahrzehnten anerkannte Urheberschaft in Frage zu stellen. Út hebt hervor, dass er mehrfach mit World Press Photo in Kontakt stand, diese aber bereits vor der Veröffentlichung der Dokumentation eine negative Haltung ihm gegenüber eingenommen hätten. Die Associated Press führte ebenfalls eine langwierige interne Untersuchung durch und kam zu dem Schluss, dass es für eine Änderung der Urheberschaft keine ausreichenden Beweise gibt.
Die Behörde hält nach wie vor an der Anerkennung Nick Úts als Fotograf fest. Auf der anderen Seite betont Bao Nguyen, der Regisseur von "The Stringer", dass die Suspendierung der Attribution ein wichtiger Wendepunkt in der Frage der Machtverhältnisse in der Geschichtsschreibung sei. Nguyen weist darauf hin, wie wichtig es sei, im Umgang mit historischen Ereignissen stets kritisch zu bleiben und den Blick auf bekannte Geschichten zu hinterfragen. Seine Aussage bringt eine tiefere gesellschaftliche Debatte zum Vorschein, bei der es nicht allein um die Frage eines Bildes geht, sondern um die Frage, wer die Geschichte erzählt, wer gehört wird und wie kollektives Gedächtnis geformt wird. Der Fall berührt ein sensitives Thema in der Fotojournalismus-Branche: die korrekte Zuschreibung von Arbeiten, besonders bei historischen Fotos von großer Bedeutung.
Die Frage der Urheberschaft berührt ethische Standards, journalistische Integrität und die Wertschätzung der Fotografen, die oft unter gefährlichen Bedingungen arbeiten. Die Thematik zeigt, wie schwierig es sein kann, die Wahrheit hinter Ereignissen aufzudecken, die Jahrzehnte zurückliegen, insbesondere wenn verschiedene Fotografen in derselben Umgebung tätig waren und Dokumente oder Beweise begrenzt sind. Darüber hinaus offenbart die Geschichte die Komplexität im Spannungsfeld zwischen Geschichtsschreibung, medialer Wahrnehmung und öffentlicher Erinnerung. Das Bild von Kim Phuc und dem Napalm-Angriff wurde zur Ikone einer ganzen Ära, ein Symbol gegen Krieg und Gewalt, das eine starke emotionale Reaktion auslöste. Der Fotograf, dessen Name mit diesem Bild untrennbar verbunden war, hat persönliche und berufliche Anerkennung erfahren.
Die jetzige Zweifelsetzung stellt nicht nur die Identität des Fotografen, sondern auch die Authentizität der Geschichte dahinter in Frage. Kim Phuc selbst, die als „Napalm Girl“ weltweit berühmt wurde, hat den Fokus stets auf die Friedensbotschaft und die Überwindung von Leid gelegt. Ihr persönlicher Weg vom Opfer des Krieges zur Friedensaktivistin ist eine inspirierende Reise, die ebenfalls von den Bildern geprägt wurde, die die Weltöffentlichkeit zu ihr brachte. Für sie bleibt das Bild ein kraftvolles Symbol, unabhängig von der umstrittenen Autorschaft. Die Suspendierung der Urheberschaft bedeutet nicht, dass das Foto selbst an Bedeutung verliert.
World Press Photo betonte ausdrücklich, dass das Bild weiterhin unverändert großer historischen Wert zugemessen wird. Dennoch verdeutlicht der Fall, wie schwierig es ist, die Wahrheit in komplexen historischen Fällen zu verifizieren, und dass auch vermeintlich offensichtliche Fakten hinterfragt werden müssen. Diese Situation ist ein Aufruf an die Fotojournalismusbranche, die Quellenkritik zu verstärken und Transparenz in Bezug auf Arbeitsprozesse und Urheberrechte zu fördern. Es zeigt auch die Notwendigkeit, das Schicksal und die Beiträge aller beteiligten Personen zu würdigen, besonders jene, die in weniger zugänglichen Positionen arbeiten oder deren Leistungen lange Zeit übersehen wurden. In einer Zeit, in der visuelle Medien eine immer größere Rolle in der Informationsvermittlung und Geschichtsdarstellung spielen, eröffnet diese Debatte einen wichtigen Diskurs über wie wir Wahrheit, Autorschaft und Verantwortung verstehen.
Die Frage, wer ein historisches Bild gemacht hat, ist mehr als eine technische Angelegenheit; es geht um Gerechtigkeit, Anerkennung und die Formung des kollektiven Gedächtnisses einer Generation. Zusammengefasst steht die Suspendierung der Urheberschaft des "Napalm Girl"-Fotos durch World Press Photo stellvertretend für größere Herausforderungen im Umgang mit der Geschichte der Kriegsfotografie. Sie lädt zur kritischen Reflexion darüber ein, wie Geschichten geschrieben und erzählt werden, wer dabei gehört wird und wie wir durch Bilder die Vergangenheit begreifen. Während sich die Debatte weiterentwickelt, bleibt das Foto ein kraftvolles Mahnmal gegen Gewalt und für die Hoffnung auf Frieden.