Der Goldene Schnitt, oft als die schönste Proportion in der Natur und Kunst bezeichnet, fasziniert seit Jahrhunderten Mathematiker, Künstler und Wissenschaftler gleichermaßen. Dieses besondere Verhältnis von ungefähr 1,618 wird häufig als „göttliche Proportion“ bezeichnet und findet sich in verschiedensten Bereichen wieder – von der Architektur über die Kunst bis hin zur Biologie. Besonders überraschend ist die Verbindung, die sich zwischen scheinbar einfachen Dingen wie einem Apfel und tiefgründigen Symbolen der menschlichen Anatomie und Ästhetik herstellen lässt. Die Reise dieser Entdeckung beginnt dabei buchstäblich im Inneren eines Apfels und endet in der genauen Vermessung des menschlichen Körpers mit dem berühmten Vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci als Ausgangspunkt für Fragen rund um den optimalen Standort des Nabels. Wenn man einen Apfel quer durch den Kern schneidet, offenbart sich ein faszinierendes geometrisches Muster: die fünf dunkel gefärbten Kerne sind in Form eines Sterns angeordnet.
Dieser Stern entspricht der Form eines Pentagramms, eines fünfzackigen Sterns, der nicht nur in der Natur häufig vorkommt, sondern auch in der Mathematik eine wichtige Rolle spielt. Das Pentagramm steht für Selbstähnlichkeit, das bedeutet, dass in diesem Muster immer kleinere Exemplare seiner selbst enthalten sind, ähnlich wie ineinander verschachtelte Matroschka-Puppen. Verbindet man die Sternspitzen mit Linien, entsteht im Inneren ein kleineres Pentagramm und so weiter, was diese faszinierende unendliche Wiederholung von Strukturen sichtbar macht. Von besonderem Interesse ist hierbei der Goldene Schnitt, da die einzelnen Linienabschnitte in genau diesem Verhältnis zueinanderstehen. Das Verhältnis zwischen einem kleinen, einem mittleren und einem großen Segment ist immer annähernd 1,618, was mathematisch durch die Gleichung „klein plus mittel gleich groß“ und „mittel zu klein wie groß zu mittel“ belegt wird.
Dieses Verhältnis begeistert nicht nur Mathematiker, sondern hat im Laufe der Geschichte auch Künstler und Architekten inspiriert. Der italienische Mathematiker Luca Pacioli widmete dem Goldenen Schnitt im Jahr 1509 ein ganzes Buch mit dem Titel „De divina proportione“ – „Über die göttliche Proportion“. Unterstützt wurde er bei seinen Illustrationen unter anderem von niemand Geringerem als Leonardo da Vinci, der auch ein besonderes Interesse an den Proportionen des menschlichen Körpers hatte. Leonardo entwickelte Studien zu Körpermaßen, die in seinem berühmten Vitruvianischen Menschen im Bild festgehalten sind. Dieses Bild zeigt einen Mann mit ausgestreckten Armen und Beinen, der gleichzeitig in einen Kreis und ein Quadrat eingeschrieben ist.
Einige der Proportionen sind dabei genau dokumentiert, zum Beispiel ist die Spannweite der Arme gleich der Körpergröße. Mittelpunkt all dessen ist der Nabel, der in der Körpermitte liegt und somit ein wichtiges Element für das Verständnis menschlicher Proportionen darstellt. Es wird oft vermutet, dass Leonardo den Nabel so positioniert hat, dass er den Goldenen Schnitt im Verhältnis der Gesamthöhe teilt. Verschiedene Kommentatoren argumentieren sogar, dies würde die harmonische Schönheit des menschlichen Körpers erklären. Doch eine präzise Analyse widerspricht dieser Vorstellung.
Eine Untersuchung aus dem Jahr 2015, durchgeführt von dem Architekten Vitor Murtinho, vermaß den Abstand des Nabels in Leonardos Zeichnung. Die Höhe des Mannes dort beträgt etwa 181,5 Millimeter, der Abstand vom Fuß zum Nabel circa 110 Millimeter, was einem Verhältnis von ungefähr 1,65 entspricht. Dieses Ergebnis weicht zwar nahe am Goldenen Schnitt liegend ab, doch nicht so präzise, wie es bei einer bewussten Anwendung zu erwarten wäre. Daraus ergibt sich die Frage, ob Leonardo diese genaue Zahl bewusst gewählt hat oder ob es sich bei der Platzierung eher um ein künstlerisches oder praktisches Mittel handelte, das nicht streng mathematisch sein musste. Auch die Realität moderner Studien zur Attraktivität menschlicher Körperproportionen zeigt, dass der Goldene Schnitt zwar ein idealisiertes Schönheitsmaß ist, das aber ebenso von Variationen und unterschiedlichen Präferenzen begleitet wird.
In einer Studie aus dem Jahr 2015, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Aesthetic Plastic Surgery, wurden Probanden Bilder von modifizierten Bikini-Modellen gezeigt, deren Nabelpositionen digital verändert wurden. Die Teilnehmer bevorzugten dabei tendenziell Nabelpositionen, die dem Goldenen Schnitt entsprachen. Das Bild vom göttlichen Körper scheint also weiterhin eine starke Wirkung auf ästhetische Urteile zu haben. Demgegenüber steht eine Studie aus dem Jahr 2022 aus dem Journal of Plastic Surgery and Hand Surgery, bei der Probanden Bilder einer Patientin betrachteten, deren Körperproportionen digital angepasst waren. Hier wurde eine Verhältnisanzahl im Sinne eines 2:1-Verhältnisses zwischen oberem und unterem Bauchbereich als attraktiver wahrgenommen als der Goldene Schnitt.
Diese Studien verdeutlichen, wie unterschiedlich Schönheitsempfinden sein kann und dass die reine mathematische Proportion nicht unbedingt der einzig wahre Maßstab ist. Abseits menschlicher Körperproportionen bleibt der Goldene Schnitt in der Natur ein universelles Muster, das sich in zahlreichen Formen offenbart – von Sonnenblumenständen, muschelartigen Spiralen, Galaxienformationen bis hin zu Blütenblättern und eben dem Aufbau von Früchten wie dem Apfel. Der Nabel selbst wird dabei zur Metapher für das Zentrum und die Verbindung zwischen Ober- und Unterkörper. In der Kunst und Mathematik gleichen sich diese Konzepte und finden Ausdruck im Symbol des Pentagramms, das nicht nur eine ästhetische Harmonie beschreibt, sondern durch seine selbstähnlichen Strukturen auch auf die unendliche Komplexität und Schönheit des Universums hinweist. Zusammenfassend zeigt sich, dass der Goldene Schnitt eine Brücke zwischen Wissenschaft, Kunst und menschlicher Wahrnehmung schlägt.
Ob in einem Apfelkern oder in den zahlreichen Studien zur menschlichen Körperproportion, der Golden Ratio prägt das Bild von Schönheit auf nicht immer bewusste Weise. Die Faszination daran ist, dass sie zwar als Ideal und Harmonie gilt, aber zugleich vielfältige Interpretationen und Erlebnisse zulässt. Die Erforschung der genauen Proportionen des Nabels und seiner Stellung im Menschen verweist somit auf einen größeren Dialog zwischen Mathematik und Ästhetik, zwischen Zahlen und dem emotionalen Empfinden von Schönheit. Die natürliche Welt, die Kunst und die Wissenschaft sind auf diese Weise miteinander verbunden – ein Beispiel dafür, wie aus der einfachen Beobachtung eines Apfels eine tiefgründige Erkenntnis über die Welt entstehen kann.