Die Biotechnologie erlebt durch die Fortschritte im Bereich des Protein-Engineerings und der Genom-Editierung eine immense Transformation. Insbesondere die gezielte Veränderung epigenetischer Markierungen, die nicht das DNA-Sequenz, sondern deren Aktivitätsmuster beeinflussen, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ein wegweisender Fortschritt wurde durch das evolutionär geführte Design eines spezialisierten Proteins namens IscB erzielt, das für eine dauerhafte epigenetische Modifikation in lebenden Organismen optimiert wurde. Das kleine und kompakte Enzym IscB, das zu den sogenannten OMEGA-Systemen (Obligate Mobile Element Guided Activity) gehört, stellt ein hoch interessantes Werkzeug für die molekulare Biologie und potenzielle therapeutische Anwendungen dar. Die natürliche Vielfalt von Enzymen und die Möglichkeit, sie gezielt durch Kombination von orthogonaler Screening-Strategie, strukturgeleitetem Protein-Design und moderner KI-gestützter Strukturvorhersage zu verbessern, hat neue Horizonte eröffnet.
Beim IscB-Protein handelt es sich um eine kleine RNA-gesteuerte Endonuklease mit einem langen nichtkodierenden RNA-Molekül, dem sogenannten ωRNA, das das Enzym in seiner Funktion lenkt. Im Vergleich zu größeren und häufig verwendeten Cas9-Systemen ist IscB deutlich kompakter, was seine Anwendbarkeit insbesondere für die In-vivo-Genom-Editierung mit begrenztem Transportvolumen, beispielsweise in Adeno-assoziierten Viren (AAV), enorm steigert. Der Ursprung von IscB als Vorfahre von Cas9 eröffnet interessante Einblicke in die evolutionären Abläufe der RNA-gesteuerten Nukleasen. Traditionell beinhaltet die Optimierung solcher Enzyme oft einen Zielkonflikt zwischen Aktivität und Spezifität. Ein System mit hoher Aktivität kann häufig unerwünschte Off-Target Effekte verursachen, die in therapeutischen Kontexten problematisch sind.
Die Herausforderung lag also darin, IscB so zu modifizieren, dass sowohl die Effizienz der Zielbindung und Spaltung als auch die Genauigkeit bei der Erkennung der Zielsequenz verbessert werden. Ein bedeutender Schritt bei der Verbesserung von IscB bestand darin, natürliche orthologe Varianten des Enzyms weltweit zu screenen. Durch umfangreiche Untersuchungen von über hundert IscB-ähnlichen Genen aus verschiedenen Stämmen, insbesondere solchen, die im menschlichen Darm auftreten oder mit menschlichen physiologischen Bedingungen in Verbindung stehen, wurde die Variante OrufIscB identifiziert, die bereits eine deutlich höhere Aktivität als frühere Kandidaten zeigte. OrufIscB ist mit circa 492 Aminosäuren kompakt und besitzt eine natürliche Präferenz für bestimmte Zielsequenzen, die sogenannten Target Adjacent Motifs (TAMs), insbesondere NTAAA-Sequenzen. Die Leistungssteigerung von OrufIscB wurde durch genetische „Grafting“-Techniken vorangetrieben.
Dabei wurden Domänen, die für die Erkennung und Interaktion mit der guide-target-Duplexregion verantwortlich sind, aus verwandten Proteinen, insbesondere frühen Cas9-Homologen, eingefügt. Insbesondere der sogenannte REC-Domänen-Einschub, welcher in viele Cas9-Proteine vorkommt und für die spezifische Bindung der RNA-DNA-Heteroduplexe mitverantwortlich ist, wurde in OrufIscB eingebracht. Diese rekombinante IscB-Variante zeigte signifikante Verbesserungen bezüglich der Effektivität und führte zu einer längeren effektiven Guide-Sequenz, was die Zielgenauigkeit weiter erhöhte. Die computergestützte Modellierung mithilfe von AlphaFold2 ermöglichte eine präzise Vorhersage der Struktur und Faltung dieser Chimären, was letztlich auch bei der Auswahl der optimalen Inserionsstellen für die REC-Domäne half. Nach und nach wurden einzelne Loops innerhalb der REC-Domäne mittels Swap-Strategien ausgetauscht, um spezifischere Interaktionen mit der RNA-DNA-Duplexregion zu erzielen.
Dies führte zur Entstehung von NovaIscB, einer Variante, die bei einer Guide-Länge von circa 20 Nukleotiden optimale Aktivität und verbesserte spezifische Erkennung zeigte. Die experimentellen Untersuchungen bestätigten, dass NovaIscB bis zu 100-fach höhere Indel-Aktivität (Inserts und Deletionen, typische Marker für Genomeditierung) im Vergleich zu früheren Versionen, wie etwa OgeuIscB, ermöglicht. Darüber hinaus verminderte NovaIscB signifikant unerwünschte Off-Target-Aktivitäten, was es als geeignet für komplexe Anwendungen im menschlichen Genom erscheinen lässt. Parallel zu den Proteinänderungen wurde das ωRNA-Molekül der IscB-Systeme optimiert, indem weniger relevante oder nicht essentielle Bereiche verkürzt wurden. Diese Modifikation erhöhte die Expression des RNA-Guides und ermöglichte durch die kompaktere Bauweise eine leichtere Verpackung in AAV-Vektoren.
Die Kombination aus NovaIscB-Protein und optimiertem ωRNA-Guide ist daher ein effizientes und kleinen Vektor-kompatibles Toolset für die Genomeditierung. Ein weiterer innovativer Aspekt der Entwicklung war die Verschmelzung von NovaIscB mit funktionellen Domänen, die keine DNA-Doppelstrangbrüche erzwingen, sondern das Epigenom gezielt umzuschreiben vermögen. Die Fusion mit DNA-Methyltransferasen (Dnmt3A-3L) und Transkriptionsrepressionsdomänen wie KRAB führte zur Konstruktion von OMEGAoff – einem präzisen und anhaltenden epigenetischen Editor zur Transkriptionsunterdrückung. Das kleine Gesamtsystem konnte auf nur einem einzigen AAV-Vektor Platz finden, was eine effiziente In-vivo-Anwendung erlaubt. Die Leistungsfähigkeit von OMEGAoff zeigte sich in Zelllinien aus Mensch und Maus sowie im lebenden Organismus.
Insbesondere die Anwendung in Mäusen führte zu einer nachhaltigen Herabregulierung des Proteins PCSK9, das eine Schlüsselrolle im Cholesterinstoffwechsel einnimmt. Bereits eine Einmalgabe per AAV-Injektion resultierte in einer signifikanten und über Monate anhaltenden Reduktion von Serum-PCSK9 und Cholesterin, ohne beobachtbare hepatische Toxizität. Diese Ergebnisse demonstrieren das immense therapeutische Potenzial von NovaIscB-basierten Epigenom-Editoren. Neben der permanenten Repression durch Methylierung ließ sich NovaIscB auch als Transkriptionsaktivator einsetzen. Dazu wurde es mit Aktivator-Domänen versehen, wodurch auch die Genexpressionssteigerung erfolgreich moduliert werden konnte – eine wichtige Voraussetzung für vielseitige epigenetische Anwendungen.
Die evolutionär geführte Entwicklung von NovaIscB illustriert eindrucksvoll, wie die Kombination von natürlicher genetischer Vielfalt, strukturbiologischen Einsichten und moderner Protein-Engineering-Technologie zur Verbesserung molekularer Werkzeuge führen kann. Dabei werden nicht nur Aktivität und Spezifität gleichzeitig optimiert, sondern außerdem sogenannte orthogonale Eigenschaften wie Kompaktheit und Flexibilität in der Anwendung maximiert. Die Forschungsarbeit ebnet somit den Weg für neue Generationen RNA-gesteuerter Editoren, die komplexe genetische und epigenetische Vorgänge sicher im lebenden Organismus manipulieren können. Zukünftige Entwicklungen werden vermutlich die Erweiterung der Zielsequenzanforderungen (TAM-Erweiterung) sowie die Integration weiterer funktioneller Domänen wie Deaminasen oder Reverse Transkriptasen umfassen. Diese Fortschritte könnten es ermöglichen, präzise Basen- oder sogar Prime-Editing-Techniken auf kleinstem Raum effizient in vivo anzuwenden.
Die Implementierung von NovaIscB-Systemen in therapeutische Konzepte verspricht nicht nur Behandlungsmöglichkeiten für monogenetische Erkrankungen, sondern auch für komplexe Krankheiten, bei denen eine dauerhafte epigenetische Reprogrammierung von Zellen therapeutisch relevant ist. Die geringe Größe des Proteins begünstigt dabei sichere und flexible Vektor-Verpackungen, die für klinische Anwendungen entscheidend sind. Zusammenfassend zeigt die evolutionäre Proteinentwicklung von IscB, dass durch intelligente Nutzung biologischer Vielfalt kombiniert mit modernsten Engineering-Methoden leistungsstarke und spezifische genome editing Tools geschaffen werden können. NovaIscB und seine Derivate markieren somit einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zu sicheren, effizienten und dauerhaften epigenetischen Therapien in vivon, die in naher Zukunft klinische Bedeutung erlangen könnten.