Die Welt der dezentralen Finanzen (DeFi) entwickelt sich rasant und stellt traditionelle Finanzaufsichtsbehörden weltweit vor neue Herausforderungen. In den USA hat die Securities and Exchange Commission (SEC) im April 2023 einen erneuten Anlauf unternommen, um Regeln für Blockchain-Protokolle und deren Einordnung zu schaffen. Ziel ist es, verschiedene DeFi-Plattformen als regulierte Wertpapierbörsen unter US-Recht zu stellen. Doch dieser „Do-Over“, der eigentlich den regulatorischen Rahmen klären und die DeFi-Branche in geordnete Bahnen lenken sollte, stößt auf massive Kritik von Experten und Branchenvertretern. Die zentralen Probleme der SEC-Initiative zeigen, dass die Behörde mit ihrem aktuellen Ansatz das Thema Blockchain und DeFi nur unzureichend erfasst und respektive die bestehenden Gesetze unangemessen auf digitales Finanzwesen anwendet.
Gleichzeitig wird deutlich, dass eine neue, zeitgemäße Gesetzgebung zwingend erforderlich ist, um Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Im Kern geht es bei der Regulierung von DeFi um die Balance zwischen Innovation, Investoren- und Verbraucherschutz sowie der Aufrechterhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien. Die SEC sieht in vielen DeFi-Protokollen und -Plattformen potentielle Handelsplätze im Sinne des Exchange Act von 1934, der ursprünglich für zentralisierte Börsen entwickelt wurde. Diese Einordnung würde bedeuten, dass Protokolle wie Ethereum oder andere Blockchain-Netzwerke als sogenannte Wertpapierbörsen agieren und dementsprechend umfassend reguliert werden müssten. Diese rechtliche Herangehensweise sieht die Behörde vor, obwohl sich die Technologie und Funktionsweise der Blockchain stark von den klassischen Wertpapierbörsen unterscheiden.
Das Problem dabei ist, dass die geltenden Gesetze, die auf zentralisierte und intermediierte Handelssysteme ausgelegt sind, nicht einfach auf dezentrale Netzwerke übertragbar sind, die keinen Betreiber im traditionellen Sinn besitzen. Der Gesetzgebungszweck damals war es, die Risiken zu mindern, die aus der zentralen Sammlung und Ausführung von Handelsaufträgen resultieren, mit klar identifizierbaren Kontrollpersonen. DeFi hingegen beruht auf Protokollen, welche direkt Benutzer zu Benutzer verbinden, ohne eine zentrale Gegenpartei, was eine fundamentale Veränderung des Marktdesigns bedeutet. Ein wesentliches Argument der Kritiker ist, dass funktionale Eigenschaften von DeFi-Plattformen nicht annähernd die Kriterien erfüllen, die klassischerweise eine Börse definieren. Die SEC definiert eine Börse traditionell als eine Organisation, die Kauf- und Verkaufsaufträge sammelt, zusammenführt, reguliert und die Preisbildung beeinflusst.
Blockchain-Protokolle bieten lediglich technische Infrastruktur und transparente Transaktionshistorien, ohne selbst aktiv in die Preisfindung einzugreifen oder den Handel zu managen. Entscheidend ist hier die Rolle aktiver Vermittlung und Kontrolle, die in DeFi nicht in gleicher Weise vorhanden ist. Die SEC bleibt jedoch in ihrem aktuellen Regelvorschlag vage, was den Begriff einer „Exchange“ erweitern soll, wodurch Unsicherheit entsteht, wer genau als Teil einer solchen Börse gilt und welche Aktivitäten konkret regulierungsbedürftig sind. Dies führt zu einer klaren Überdehnung des bestehenden Regelwerks und gefährdet die Innovationskraft der gesamten Branche, indem es technisch nicht gerechtfertigte Hürden aufbaut. Darüber hinaus wird bemängelt, dass die SEC in ihrem Vorschlag die technische Funktionsweise von Blockchain-Protokollen nicht ausreichend berücksichtigt und so wichtige Unterschiede ignoriert.
Die Tatsache, dass Protokolle offen und dezentral gestaltet sind, macht eine direkte Übertragung von Regulierungsansätzen aus dem traditionellen Finanzsektor problematisch. Die öffentliche Kommentierungsphase bis Mitte Juni 2023 bot Gelegenheit, fundierte Kritikpunkte einzubringen und auf die Defizite der geplanten Regulierungsansätze hinzuweisen. Branchenvertreter, Rechtsexperten und Entwickler fordern endlich eine differenzierte und technologieadaptierte Regulierung, die den Charakter von DeFi respektiert, ohne es pauschal als Wertpapierbörse einzustufen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Aufforderung an den US-Kongress, klare gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die explizit auf die Besonderheiten von Blockchain und DeFi ausgelegt sind. Dabei kann die Vorlage des Marktstrukturgesetzes, das von Führungsmitgliedern der House Financial Services Committee und Agriculture Committee vorgeschlagen wurde, als mögliche Grundlage dienen.
Die aktuelle Situation zeigt, dass die SEC mit ihren bisherigen Instrumenten und ihrem „Enforcement-first“-Ansatz weder der technologischen Realität noch den Bedürfnissen der Branche gerecht wird. Die gravierenden Fehler der Regulierungsversuche unterstreichen, dass es einer umfassenden und abgestimmten Gesetzgebung bedarf, die Innovationen fördert und Klarheit für Unternehmen, Investoren und Nutzer schafft. Der Blick auf die internationale Landschaft zeigt, dass andere Länder bereits begonnen haben, differenzierte Regulierungsansätze für Krypto und DeFi zu entwickeln, die die Architektur und Grundprinzipien dieser Technologien besser berücksichtigen. Die US-amerikanische Führung im Finanzbereich steht damit vor der Herausforderung, den Anschluss nicht zu verlieren und mit einer modernen Gesetzgebung die Vorteile von Blockchain zu nutzen, ohne Risiken außer Acht zu lassen. Für die DeFi-Community bedeutet dies, dass der Kampf um eine passende Regulierung größer wird und intensive Dialoge mit Aufsichtsbehörden und Gesetzgebern notwendig sind, um praktikable Lösungen zu finden.