Ethereum hat das Krypto-Ökosystem über Jahre hinweg geprägt und galt als unangefochtener Marktführer im Bereich der Layer-1-Blockchain-Netzwerke. Mit seiner Fähigkeit, Smart Contracts und dezentrale Applikationen (DApps) zu unterstützen, schuf Ethereum eine neue Ära der Dezentralisierung und zog Entwickler, Unternehmen und Investoren nahezu magisch an. Doch der Glanz von Ethereum scheint nach einigen turbulenten Jahren zu verblassen. Experten und Branchenführer sind sich einig: Die Ära der alleinigen Dominanz von Ethereum ist vorbei, und ein offener Wettbewerb unter verschiedenen Layer-1-Blockchains hat begonnen. Dieses Fazit zog Alex Svanevik, CEO des Daten-Dienstleisters Nansen, auf der LONGITUDE-Veranstaltung von Cointelegraph in Dubai.
Ethereum kontrollierte noch 2021 ein beeindruckendes Aggregate Total Value Locked (TVL) von bis zu 96 Prozent im Bereich der Layer-1-Blockchains. Der Begriff TVL misst die Gesamtsumme der Werte, die in einem DeFi-Protokoll oder Blockchain-Netzwerk gebunden sind und dient als Indikator für Marktbeherrschung und Nutzeraktivität. Aktuell liegt Ethereums TVL bei etwa 52 Milliarden US-Dollar, was einem Rückgang auf ungefähr 51 Prozent Anteil entspricht. Dieser Werteverlust markiert einen signifikanten Wandel in der Krypto-Landschaft, der vor allem durch den Aufstieg alternativer Layer-1-Projekte geprägt wird. Der Abrieb von Ethereums Marktanteil ist nicht nur eine Zahl, sondern ein Zeichen für technologische und wirtschaftliche Veränderungen, die das gesamte Ökosystem transformieren.
Immer mehr Layer-1-Blockchains wie Solana, Avalanche, Sui und andere haben erhebliche Fortschritte gemacht und locken mit schnelleren Transaktionszeiten, geringeren Gebühren und innovativen Anwendungsfällen neue Nutzer und Entwickler an. Diese Diversifizierung der Blockchain-Landschaft führt zu einem offenen Rennen um die Position als führende Web3-Plattform. Solana sticht dabei als einer der prominentesten Ethereum-Herausforderer hervor. Die Blockchain zeichnet sich durch besonders hohe Geschwindigkeit und niedrige Transaktionskosten aus und konnte in den vergangenen Jahren in nahezu allen on-chain Kennzahlen Ethereum hinter sich lassen. Von der Anzahl aktiver Adressen über das Transaktionsvolumen bis hin zu den Gas-Gebühren setzt Solana neue Maßstäbe.
Trotz dieser Schnelllebigkeit bleibt Ethereum in einigen Bereichen, wie dem Total Value Locked und der Ausgabe von Stablecoins, weiterhin führend. Dennoch ist Solanas Wachstum beeindruckend und zeigt, wie sich Marktpräferenzen verschieben. Die Dynamik in der Layer-1-Welt entsteht nicht nur durch technologische Merkmale. Auch Markthypes, saisonale Trends und Incentivierungsmechanismen wie Airdrops und neue Token-Emissionen spielen eine wichtige Rolle. Dies warnt Vardan Khachatryan, Chief Legal Officer bei der Handelsplattform Fastex, in der Diskussion auf der LONGITUDE-Veranstaltung.
Sein kritischer Blick hebt hervor, dass viele der neuen Blockchains lediglich kurzfristige Aufmerksamkeit durch Marketingeffekte und Spekulation auf sich ziehen, weniger aber eine nachhaltige Nutzerbasis und echte Adoption generieren. Für die Zukunft entscheidend ist deshalb, ob die Projekte langfristig relevante Anwendungsfälle bieten und ein stabiles Ökosystem entwickeln können. Ethereums Entwicklung wird in diesem Kontext genau beobachtet. Die Blockchain hat in den vergangenen Jahren immer wieder Innovationen hervorgebracht, allen voran den Übergang zum Proof-of-Stake-Mechanismus im Zuge des Ethereum-2.0-Upgrades.
Diese Umstellung sollte die Skalierbarkeit verbessern und die Energieeffizienz steigern, doch die Umstellung hat auch die Erwartungen an schnelle Lösungen bei der geschrumpften Marktbeherrschung nicht gänzlich erfüllen können. Die Konkurrenz profitiert von spezifischen Vorteilen. Einige neue Layer-1-Netzwerke sind von Grund auf mit Skalierbarkeit im Hinterkopf entwickelt worden. Als Beispiele seien neben Solana auch Avalanche und die aufstrebende Blockchain Sui genannt. Diese Plattformen bieten nicht nur technische Vorteile, sondern investieren auch in eine robustere Infrastruktur für Entwickler und Community, um Innovationen und Applikationsentwicklung zu fördern.
Ein weiterer Faktor ist die Verbreitung von Cross-Chain-Technologien, die es den Nutzern erlauben, Vermögenswerte und Daten zwischen unterschiedlichen Netzwerken auszutauschen. Diese Interoperabilität kann als Antwort auf die Fragmentierung des Blockchain-Markts gesehen werden und bietet eine wichtige Brücke für bestehende Nutzer, die mehrere Plattformen gleichzeitig verwenden. Sie sorgt zudem für mehr Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Layer-1s, da Nutzer nicht mehr an ein einzelnes Ökosystem gebunden sind. Trotz der aktuellen Verschiebungen bleibt Ethereum ein zentraler Bestandteil des Krypto-Ökosystems. Die Anzahl der auf Ethereum basierenden dezentralen Anwendungen und Nutzer ist weiterhin beachtlich.
Zudem tragen zahlreiche Second-Layer-Lösungen und Sidechains dazu bei, die Kapazität von Ethereum zu erweitern und Latenzzeiten zu verkürzen. Diese evolutive Dynamik ist ein entscheidendes Indiz dafür, dass Ethereum zwar seine alleinige Spitzenposition verliert, aber weiterhin eine wichtige Rolle im Wettbewerb der Plattformen beibehält. Das Ende von Ethereums Alleinherrschaft ist daher keine Geschichte des Niedergangs, sondern eher die Eröffnung eines neuen Kapitels in der Blockchain-Ära. Die zunehmende Vielfalt an Layer-1-Blockchains fördert Konkurrenz, Innovation und ein stärkeres Wachstum des Web3-Ökosystems insgesamt. Für Investoren, Entwickler und Anwender bedeutet dies neue Chancen und Herausforderungen zugleich.