Im Frühjahr 2025 sorgte ein Vorstoß des Republikaners Jim Jordan, Vorsitzender des Justizausschusses im US-Repräsentantenhaus, für Aufsehen. Jordan schlug vor, die gesamte Durchsetzung des Kartellrechts von der Federal Trade Commission (FTC) auf das Justizministerium (DOJ) zu übertragen und damit eine zentrale Bestimmung des FTC-Gesetzes, nämlich Section 5, ersatzlos zu streichen. Section 5 ist eine einzigartige rechtliche Grundlage, die der FTC mit der Verfolgung von sogenannten "unfairen Wettbewerbspraktiken" eine besondere Durchsetzungsbefugnis verleiht, die weder das DOJ noch private Kläger in gleicher Weise nutzen können. Ein derartiger Schritt hätte weitreichende Konsequenzen für das Wettbewerbsrecht, den Markt und letztlich auch für Verbraucherinnen und Verbraucher in den USA. Die FTC, als unabhängige, bipartite Kommission mit mehreren Mitgliedern, verfügt über besondere Kompetenzen, die sie von anderen Durchsetzungsbehörden unterscheidet.
Während das DOJ als Teil der Exekutive dem Präsidenten untersteht und über strafrechtliche Befugnisse verfügt, agiert die FTC als Expertengremium, das flexibel auf sich wandelnde Marktpraktiken reagieren kann. Section 5 erlaubt es der FTC, jenseits der klassischen Kartellgesetze wie dem Sherman Act oder Clayton Act gegen frühzeitige Formen wettbewerbswidrigen Verhaltens vorzugehen, die nicht explizit in anderen Gesetzen geregelt sind. Historisch wurde diese Bestimmung genutzt, um verschiedenste Praktiken zu adressieren, angefangen bei unlauteren Wettbewerbsmethoden über Geheimabsprachen bis hin zu problematischen exklusiven Vereinbarungen, die ansonsten schwer zu sanktionieren gewesen wären. Der aktuelle Gesetzesvorschlag sieht jedoch vor, diese Befugnis abzuschaffen, indem die Durchsetzung der Kartellgesetze komplett ans DOJ übergehen soll, während die FTC ihre Zuständigkeit verliert. Die Verlagerung der Mitarbeiter und Ressourcen der FTC im Bereich Kartellrecht an das DOJ soll ebenfalls erfolgen.
Ein gravierendes Problem dabei ist, dass das DOJ nicht die rechtliche Autorität hat, Fälle zu verfolgen, die auf Section 5 basieren, was eine faktische Aufhebung dieses Rechtsinstruments bedeuten würde. Zudem bringt der Gesetzesvorschlag erhebliche rechtliche Unsicherheiten mit sich, weil laufende Verfahren und bestehende Vergleichsbeschlüsse, die auf Section 5 basieren, in einen unklaren rechtlichen Status geraten würden. Neben den direkten Auswirkungen auf einzelne Verfahren birgt diese Änderung auch die Gefahr der Schwächung der Kartellrechtsdurchsetzung insgesamt. Die doppelte Aufsicht durch FTC und DOJ schafft eine wichtige Fachvielfalt und Redundanz, die es ermöglicht, Fälle mit unterschiedlichem Schwerpunkt flexibel zu verfolgen. Bei Meinungsverschiedenheiten oder Blockaden einer Behörde kann die andere einspringen.
Die Konzentration der Kompetenzen auf eine Behörde könnte diese Dynamik hemmen und zu einem geringeren Maß an Durchsetzung führen, insbesondere da das DOJ überwiegend auf strafrechtliche Sanktionen setzt, während die FTC ein breiter angelegtes, administratives Vorgehen ermöglicht. Die Reaktionen auf den Gesetzesvorschlag waren heftig. Kritiker aus beiden politischen Lagern warnten vor einem Rückschlag im Kampf gegen Monopolmacht und unfairen Wettbewerb. Unternehmen wie Amazon oder große Pharmamanager könnten von der Abschaffung von Section 5 profitieren, da sie sich dann womöglich weniger rechtlichen Beschränkungen gegenübersehen. Die Debatte zieht sich auch durch die juristische Fachwelt, in der insbesondere die Rolle von "Unfairness" als Rechtsbegriff im Wettbewerbsrecht kontrovers diskutiert wird.
Während Gegner bemängeln, dass Begriffe wie „ausbeuterisch“ oder „kooperativ“ zu vage seien und Rechtssicherheit untergraben, verteidigen Befürworter die Regelung als flexibles Werkzeug, um moderne und oftmals komplexe Marktmanipulationen zu ahnden. Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft das investigative Mandat der FTC, insbesondere Section 6(b) des FTC-Gesetzes, welches die Untersuchung von Industriepraktiken ermöglicht. Durch die Verlagerung der Befugnisse und das Fehlen einer klaren Übertragung dieser Kompetenzen auf das DOJ könnte diese wichtige Funktion erheblich beeinträchtigt werden. Die Gefahr besteht, dass wichtige Marktforschungen und damit auch die Basis für fundierte kartellrechtliche Interventionen wegfallen. Historisch betrachtet gab es immer wieder Versuche, die Zuständigkeiten der FTC einzuschränken oder gar das Amt zu schwächen.
2015 hatte die damalige FTC unter der Führung des Präsidenten Barack Obama eine Praxis angekündigt, Section 5 nicht aktiv zu nutzen – eine Entscheidung, die 2022 von der derzeitigen FTC-Vorsitzenden Lina Khan rückgängig gemacht wurde. Khan hatte hervorgehoben, dass Section 5 eine bewährte und flexible Rechtsgrundlage darstellt, um über den engen Rahmen traditioneller Kartellgesetze hinauszugehen, und dass die FTC diese weitreichenden Befugnisse schon seit über einem Jahrhundert wirksam einsetzt. Der Widerstand gegen die geplante Gesetzesänderung durch Jordan und seine Unterstützer ist vor diesem Hintergrund ebenso eine Auseinandersetzung über die zukünftige Ausrichtung der Wettbewerbspolitik in den USA. Der Einfluss libertärer Denkschulen, die Frage nach der Rolle des Staates und dessen Regulierungskompetenzen sowie die Interessen großer Konzerne spielen dabei eine zentrale Rolle. Insbesondere Senator Mike Lee ist ein vehementer Gegner von Section 5 und setzt sich schon länger für eine Zusammenlegung der kartellrechtlichen Durchsetzungsbehörden ein – eine Idee, die durch prominente Unterstützer wie Elon Musk Auftrieb erhalten hat.
Die politische Dimension ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Während Republikaner wie Jordan traditionell eher marktorientierte und deregulierte Ansätze favorisieren, haben Teile der Demokraten und auch einige konservative Abgeordnete erkannt, dass eine ungezügelte Marktkonzentration langfristige Risiken für Wirtschaft und Gesellschaft birgt. Die einsetzende Gegenwehr innerhalb der politischen Landschaft zeigte sich auch darin, dass Jordan seinen Vorstoß wenige Tage nach der Bekanntgabe zurückzog, nachdem breite Kritik aus allen politischen Lagern laut geworden war. Dennoch ist die Debatte um Section 5 höchst aktuell und dürfte nicht so schnell verstummen. Die Grundlagen des US-amerikanischen Wettbewerbsrechts, die Balance zwischen Durchsetzung, Rechtssicherheit und Flexibilität sowie die Rolle der involvierten Behörden sind Themen von großer Bedeutung – nicht nur für amerikanische Verbraucher und Unternehmen, sondern auch global, da die USA mit ihren Wettbewerbsgesetzen oft als Vorbild dienen.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich der politische Diskurs und die Gesetzgebung in diesem Bereich weiterentwickeln. Die Herausforderung besteht darin, ein Kartellrecht zu gestalten, das den modernen wirtschaftlichen Realitäten Rechnung trägt, die Marktmacht großer Konzerne wirksam begrenzt und zugleich Rechtssicherheit für alle Marktteilnehmer gewährleistet. Die Rolle der FTC und ihrer einzigartigen Befugnisse könnte dabei weiterhin eine Schlüsselrolle spielen. Klar ist, dass jede grundlegende Veränderung sorgsam geprüft werden muss, um unbeabsichtigte Schwächungen der Wettbewerbsaufsicht und gefährliche Lücken im Verbraucherschutz zu vermeiden.