Tether (USDT) spielt seit seiner Einführung im Jahr 2014 eine entscheidende Rolle im Krypto-Ökosystem. Als der weltweit größte Stablecoin mit einer Marktkapitalisierung von über 140 Milliarden US-Dollar dient USDT als wichtige Liquiditätsquelle und wird häufig als Indikator für Kapitalzuflüsse in den digitalen Asset-Markt betrachtet. Ein besonders interessantes Phänomen der vergangenen Dekade ist die enge Verzahnung von USDT-Ausgaben (Minting) und Vernichtungen (Burning) mit den Bitcoin-Preiszyklen. Diese Korrelation hat in der Branche viel Diskussion ausgelöst, nicht zuletzt aufgrund der Frage, ob Tether als eine Art Frühindikator für Bitcoin-Aufwärtsbewegungen fungiert oder lediglich einen Spiegel des Marktgeschehens darstellt. Die Datenanalyse von Whale Alert, die USDT-Minting und Burning sowie den Bitcoin-Preis von 2015 bis Anfang 2025 verfolgt, zeigt mit bemerkenswerter Konstanz ein Zusammenspiel zwischen den beiden Variablen.
Große USDT-Mintings treten häufig während oder kurz vor signifikanten Bitcoin-Bullenläufen auf. Dies lässt darauf schließen, dass eine erhöhte Ausgabe von USDT tendenziell mit einer steigenden Nachfrage nach Bitcoin und anderen Kryptowährungen einhergeht. Beispielsweise stiegen die USDT-Ausgaben in den letzten Monaten des Jahres 2024 sprunghaft an, als Bitcoin von rund 66.700 US-Dollar am 25. Oktober auf über 106.
000 US-Dollar Mitte Dezember kletterte. Diese Muster sind jedoch nicht immer eindeutig als Ursache-Wirkung-Beziehung zu interpretieren. Viele der größten USDT-Mintings erfolgten bereits während einer laufenden Aufwärtsbewegung von Bitcoin. So fand ein Minting von einer Milliarde USDT bereits bei einem Bitcoin-Preis von 72.000 US-Dollar Ende Oktober 2024 statt.
Anschließend folgten weitere Ausgaben in Milliardenhöhe, die große Preisrallyes begleiteten, aber teilweise auch erst nach einem Anstieg initiiert wurden. Trotzdem gab es auch Ausnahmen, bei denen die erheblichen USDT-Ausgaben zeitlich tatsächlich eine vorlaufende Rolle spielten und frische Rallyes unterstützten oder katalysierten. Ein Beispiel dafür sind zwei Mintings von jeweils sieben Milliarden USDT Mitte November, die unmittelbar vor einer weiteren Bitcoin-Rallye stattfanden. Dieser Umstand legt nahe, dass USDT-Mintings als ein Indikator für eine steigende Marktliquidität fungieren, die in vielen Fällen mit einer verstärkten Kauflaune von Investoren zusammenfällt. Trotzdem warnt der Kryptoanalyst Mads Eberhardt davor, USDT-Mintings als alleinigen Signalgeber für den Bitcoin-Markt zu sehen.
Eberhardt weist darauf hin, dass sich die Korrelation zwischen Stablecoins und Kryptopreisen in den letzten Monaten abgeschwächt hat, da Stablecoins zunehmend auch in nicht-native Anwendungsfälle übergehen. Mit anderen Worten verändert sich der Nutzungszweck von USDT, was die bisher beobachteten Marktbeziehungen beeinflusst. Neben dem Minting zeigen auch die USDT-Burnings interessante Verhaltensmuster. Burning beschreibt die Praxis, USDT aus dem Markt zu nehmen, was meist im Zusammenhang mit Marktkorrekturen oder rückläufigen Bitcoin-Phasen geschieht. Daten belegen, dass sich Perioden ausgedehnter USDT-Burnings oft zeitlich mit Bitcoin-Korrekturen decken oder kurz danach einsetzen.
Im Anschluss an Bitcoins Allzeithoch von über 106.000 US-Dollar im Dezember 2024 kam es beispielsweise zu mehreren großen USDT-Burns, die darauf hindeuten, dass Investoren Positionen auflösten und Liquidität aus dem Markt zogen. Diese Burns erscheinen oft als Bestätigung bereits laufender abwärtsgerichteter Marktbewegungen und können als Indikator für eine Phase der Marktberuhigung dienen. Allerdings sind Burns selten ein zuverlässiger Vorläufer für Marktspitzen oder Trendwechsel. Experten wie Jos Lazet, CEO des Vermögensverwaltungsunternehmens Blockrise, betonen, dass derzeit keine eindeutigen Daten eine kausale Verbindung oder zeitliche Verschiebung zwischen USDT-Burn-Volumen und Marktspitzen belegen.
Verbraucher und Institutionen nutzen Stablecoins wie USDT teilweise auch für Trade-Abwicklungen oder als liquide Form von Gewinnrealisierungen, was die Datenlage zusätzlich verkompliziert. Die Bedeutung von USDT als Liquiditätsindikator im Bitcoin-Markt verändert sich zunehmend. Wie Ki Young Ju, CEO von CryptoQuant, erklärt, kommen heute viele der neuen Liquidität direkt über andere Vehikel wie börsengehandelte Bitcoin-Produkte (ETFs) oder große institutionelle Marktteilnehmer. Stablecoins spielen bei der Bestimmung der Bitcoin-Marktbewegungen derzeit eine geringere Rolle als noch während des Bullenmarkts 2021. Dies wird auch durch die niedrigeren Bestände an Stablecoins auf zentralen Börsen im Vergleich zu früheren Hochphasen unterstrichen.
Darüber hinaus wirkt sich das sich wandelnde regulatorische Umfeld auf die Rolle von USDT und anderen Stablecoins im Kryptomarkt aus. In Europa führt das Markets in Crypto Assets (MiCA)-Regelwerk zu strengeren Anforderungen an die Herausgeber von Stablecoins. Einige große Börsen haben bereits angekündigt, USDT von ihren Plattformen zu entfernen. In den USA stehen ähnliche Gesetzesinitiativen im Raum, die darauf abzielen, die Ausgabe, Verwaltungsprozesse und Einlösbarkeit von zentralisierten Stablecoins transparenter und sicherer zu gestalten. Diese regulatorischen Entwicklungen könnten die Flexibilität und die Geschwindigkeit von USDT-Mintings und Burns beeinträchtigen und den Wettbewerb zugunsten konformer Alternativen wie USDC verschieben.
Der Konkurrenzdruck im Stablecoin-Markt nimmt durch Projekte wie USDC, die vor allem bei institutionellen Investoren beliebt sind und sich durch eine ausgeprägte Compliance-Orientierung auszeichnen, deutlich zu. USDC hat sich nach Marktturbulenzen in den Jahren 2022 und 2023 erfolgreich erholt und ist wieder auf Rekordmarktkapitalisierungskurs. Gleichzeitig gewinnen dezentrale Stablecoins wie Dai für Nutzer, die Wert auf Transparenz und Zensurresistenz legen, an Attraktivität. Die künftige Rolle von USDT in der Dynamik des Bitcoin-Marktes ist somit von mehreren Faktoren abhängig. Neben den regulatorischen Rahmenbedingungen spielen Nutzerpräferenzen, technologische Innovationen und die institutionelle Adoption eine wesentliche Rolle.
Während USDT-Mintings und Burns weiterhin wertvolle Datenpunkte darstellen und teilweise noch als Indikatoren dienen können, könnte ihre Aussagekraft im Laufe der Zeit abnehmen. Die zunehmende Diversifikation des Marktumfelds und der Liquiditätsquellen eröffnen neue Perspektiven für die Analyse von Kapitalbewegungen im Krypto-Sektor. In der Praxis kann die Überwachung von Tether-Ausgaben und -Vernichtungen dennoch weiterhin helfen, Marktstimmungen und potenzielle Schwankungen einzuschätzen. Großvolumige Mintings weisen oft auf steigende Nachfrage und mögliche Kursanstiege hin, während ausgeprägte Burns ein Signal für Gewinnmitnahmen und Abkühlungsphasen sein können. Allerdings sollte diese Beobachtung immer im größeren Kontext anderer Marktinfos und makroökonomischer Entwicklungen erfolgen.