In der Welt der Open-Source-Kartografie hat sich in den letzten Jahren eine spannende Entwicklung vollzogen, die exemplarisch zeigt, wie sich Communities immer stärker für demokratische und transparente Projektstrukturen einsetzen. Mit Organic Maps existierte bereits eine beliebte, von Freiwilligen getragene Navigations-App, die als freier und quelloffener Klon des einst proprietären Maps.ME startete. Doch interne Konflikte, mangelnde Transparenz und die Kommerzialisierung des Projekts führten zu erheblichen Unzufriedenheiten binnen der Community. Daraus entstand eine Bewegung, die sich für einen gemeinschaftsgesteuerten Fork einsetzt – CoMaps.
Dieses Projekt stellt heute ein Paradebeispiel für den Wunsch vieler Open-Source-Nutzer und Entwickler nach offener, vertrauenswürdiger und gemeinwohlorientierter Software dar. Organic Maps, das ursprünglich hervorging, um eine freie Alternative zu proprietären Navigationslösungen zu bieten, erfreute sich großer Beliebtheit vor allem wegen seines strengen Fokus auf Datenschutz, einfache Bedienbarkeit und den Verzicht auf Werbeeinblendungen. Die Software basierte auf OpenStreetMap-Daten, einer offenen Kartendatenbank, und richtete sich sowohl an Outdoor-Enthusiasten als auch alltägliche Nutzer. Viele freiwillige Entwickler unterstützten die kontinuierliche Weiterentwicklung, motiviert von einem gemeinsamen Ethos: Die Schaffung einer nutzerfreundlichen, kostenfreien und quelloffenen Kartensoftware für jedermann. Trotz dieses Kodex nahm mit der Zeit die Spannung zwischen der Community und den eigentlichen Besitzern von Organic Maps, konkret den Unternehmensanteilinhabern, zu.
Die Frage nach der rechtlichen Struktur des Projekts und dessen Ausrichtung wurde zum zentralen Streitpunkt. Während die ursprünglichen Gründer die Finanzierung und Verwaltung über eine LLC (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) abwickelten, forderte die Community eine Umwandlung in eine gemeinnützige Organisation. Damit sollte gewährleistet werden, dass das Projekt langfristig transparent, demokratisch und gemeinwohlorientiert geführt wird, ohne das Risiko eines Verkaufs oder einer Monetarisierung zulasten der Nutzer und Unterstützer. Die Anstrengungen der Community gipfelten 2025 in einem offenen Brief, in dem wesentliche Kritikpunkte zusammengefasst und konkrete Forderungen gestellt wurden. Diese umfassten nicht nur eine Änderung der rechtlichen Struktur hin zu einer Non-Profit-Organisation, sondern auch die Etablierung eines demokratisch legitimierten Verwaltungsrats, der über die Entwicklung und finanzielle Mittel des Projekts wacht.
Zudem verlangten die Unterzeichner detaillierte Transparenz hinsichtlich der Verwendung von Spendengeldern und eine echte Einbeziehung erfahrener Ehrenamtlicher in alle wichtigen Entscheidungsprozesse. Parallel dazu appellierten sie an die aktuellen Anteilseigner, die Machtbalance zugunsten der Gemeinschaft zu verschieben und so das Vertrauen wiederherzustellen. Das Antwortverhalten der beteiligten Shareholder verlief unterschiedlich. Während einige sich kooperativ zeigten und sogar vorschlugen, das Projekt in eine Organisation mit einem öffentlichen Interesse zu überführen, verharrten andere auf einer kommerziellen Ausrichtung und wiesen die Forderungen weitestgehend zurück. Die dadurch entstehende Situation führte schließlich dazu, dass ein Teil der engagierten Entwickler und Nutzer begann, einen Fork der Software vorzubereiten – ein eigenständiges Projekt, das ohne Rücksicht auf bestehende Interessenskonflikte direkt von der Gemeinschaft gesteuert wird.
Die Wahl des Namens für die Fork fiel ebenfalls auf engagierte Weise kollektiv: CoMaps sollte der neue Name werden und beschreibt den Geist der Kollaboration und Gemeinsinns. Die Open-Source-Gemeinschaft stellte sicher, dass wichtige Entscheidungen hinsichtlich Projektfarben, Logo und Marketingstrategien über transparente und demokratische Abstimmungsprozesse getroffen wurden. Die Infrastruktur wurde auf freie Plattformen verlagert, so dass die gesamte Entwicklung für jeden nachvollziehbar bleibt. Die Grundprinzipien von CoMaps sprechen für sich: vollständige Offenheit, Datenschutzorientierung, nicht-kommerzielle Ausrichtung und eine Governance, bei der alle Stakeholder – seien es Entwickler, Nutzer oder Unterstützer – mitentscheiden können. Dies stellt einen bewussten Kontrast zu den vorherigen und bestehenden Organisationsstrukturen dar und bietet Raum für eine lebendige, zukunftsfähige Entwicklung.
Mit der Bereitstellung eines frühen Android-APK zum Testen und der geplanten Veröffentlichung auf Plattformen wie F-Droid sowie Google Play und App Store zeigt CoMaps, dass das Projekt ambitioniert ist, gleichzeitig aber die volle Kontrolle der Gemeinschaft über die Distribution und Weiterentwicklung bewahren will. Die dezentrale Entwicklungsplattform Codeberg dient als lebendiger Austauschort und ermöglicht aktiven Input von freiwilligen Beitragenden aus aller Welt – ob in Form von Korrekturen, Dokumentationsarbeit, Übersetzungen oder Design. Die Ausgangslage für Community-geführte Open-Source-Projekte wie CoMaps reflektiert ein breiteres Phänomen im Softwarebereich. Es verdeutlicht den zunehmenden Wunsch nach Transparenz, partizipativer Steuerung und einer Abkehr von reinen Profitmodellen im digitalen Raum. Das Beispiel CoMaps dokumentiert eindrucksvoll, wie eine engagierte Nutzerbasis durch gemeinschaftliches Handeln Alternativen schaffen kann, die den ursprünglichen Geist von Open Source und freier Software wahren und weitertragen.
Die Herausforderungen, die solche Forks mit sich bringen, sind jedoch nicht zu unterschätzen. Technische Hürden, Ressourcenknappheit, rechtliche Fragestellungen und die Notwendigkeit einer effektiven Organisation verlangen einen hohen Einsatz der Community. Dennoch verleihen eben diese Herausforderungen der Bewegung Bedeutung und tragfähige Visionen für eine nachhaltigere, ethischere und inklusivere Softwareentwicklung. Abschließend lässt sich sagen, dass die Entstehung von CoMaps mehr ist als eine bloße Projektabsplitterung. Sie ist ein lebendiges Symbol für die Möglichkeiten demokratischer Zusammenarbeit in der Digitalwelt und steht als Vorbild für weitere Initiativen, die unabhängig vom kommerziellen Druck innovative und sozial verantwortliche Lösungen vorantreiben wollen.
Für Nutzer und Entwickler gleichermaßen bedeutet das eine Einladung, sich aktiv einzubringen und die Zukunft von freier und vertrauenswürdiger Navigationssoftware mitzugestalten.