In einer Welt, in der Daten und Meinungen das Rückgrat von Innovation und Entscheidungsfindung bilden, gewinnt das Konzept der „Weisheit der Vielen“ immer mehr an Bedeutung. Traditionell setzt man bei Marktforschung und Produktentwicklung auf umfangreiche Befragungen und Fokusgruppen, um vielfältige Kundenmeinungen zu sammeln. Doch diese Methoden sind zeitaufwendig, kostenintensiv und oft schwer skalierbar. Genau hier eröffnet die künstliche Intelligenz (KI) durch die Simulation von Personas völlig neue Möglichkeiten, die Vielfalt menschlicher Meinungen digital abzubilden und so eine innovative Art von Crowd-Wisdom zu erzeugen. Doch wie funktioniert das im Einzelnen? Und welche Vorteile bringt diese Technik mit sich? Diese Fragen gilt es zu klären.
Die Idee hinter der Simulation der Weisheit der Vielen mit KI-Personas basiert darauf, virtuelle Charaktere zu erschaffen, die unterschiedliche demografische Merkmale, Einstellungen und Blickwinkel repräsentieren. Dabei handelt es sich nicht um beliebige Rollen, sondern gezielt gestaltete Profile, die typische Nutzergruppen oder Experten darstellen. Durch die Interaktion mit einer großen Anzahl solcher Personas können Unternehmen und Forscher eine Fülle von Meinungen und Einschätzungen gewinnen, die der Realität einer echten Fokusgruppe oder Umfrage sehr nahekommen. Das Ergebnis ist eine reichhaltige, differenzierte Datengrundlage, die dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen. Im Kern dieser Methode steht die sogenannte „Personas of Thought“-Technik, die auf dem Konzept der „Chain of Thought“-Prompting innerhalb von Sprachmodellen basiert.
Während die herkömmliche Abfrage eines KI-Modells oft zu banalen oder einseitigen Antworten führt, fordert die Personas-Methodik das Modell auf, zuerst verschiedene Perspektiven zu generieren, die sich gegenseitig ergänzen oder auch kritisch hinterfragen. So wird aus einer einzigen KI-Antwort ein Mosaik an Meinungen, die anschließend zu einer ausgewogenen und vielschichtigen Gesamtbewertung zusammengeführt werden können. Ein spannendes Beispiel ist der Einsatz in der Produktentwicklung, insbesondere bei der Einholung von Kundenfeedback. Nehmen wir an, ein Unternehmen möchte die Reaktionen unterschiedlicher Eltern auf eine neue Funktion eines Smart-Babyschützers ermitteln. Statt eine reale und aufwändige Umfrage durchzuführen, kann das KI-Modell gebeten werden, Persona-Profile zu entwickeln: die besorgte Mutter, den technikaffinen Elternteil, den sicherheitsbewussten Großelternteil und weitere.
Jede Persona äußert ihre individuellen Prioritäten und Bedenken. Danach werden diese Meinungen aggregiert, um ein repräsentatives Stimmungsbild zu erzeugen. Der Vorteil dieser Herangehensweise liegt nicht nur in der Kosteneffizienz und hohen Geschwindigkeit, mit der Feedback generiert werden kann. Die Vielfalt an Perspektiven stellt auch sicher, dass entscheidende, manchmal verborgene Aspekte ans Licht kommen, die bei Standardbefragungen leicht übersehen werden könnten. Außerdem ist die Methode skalierbar: Je nach Fragestellung kann die Anzahl der Personas flexibel angepasst werden, um beispielsweise regionale Unterschiede, Altersgruppen oder Interessenvielfalt abzubilden.
Neben den Kundenperspektiven ist auch ein Einsatzfeld in der Expertenmeinung denkbar. Die „Experts Prompt“-Variante der Technik fordert das KI-Modell auf, Sichtweisen von anerkannten Fachleuten in einem bestimmten Bereich zu simulieren. Dabei werden Meinungen von Innovatoren, Wissenschaftlern oder Branchenkennern einbezogen, um tiefgreifendere Einsichten zu gewinnen. So kann die KI beispielsweise bei der Frage, wie man am besten eine neue Fähigkeit erlernt, Stimmen wie die von Malcolm Gladwell, Angela Duckworth oder Richard Feynman imitieren. Ihre unterschiedlichen Schwerpunkte – Übung, Durchhaltevermögen oder Lerntechniken – bereichern die endgültige Antwort und machen sie aussagekräftiger.
Ein weiterer Aspekt betrifft die Qualität und Authentizität der generierten Antworten. Während eine einfache KI-Reaktion oft oberflächlich und neutral bleibt, fördern die Personas- und Experten-Prompts kritisches Denken und differenzierte Argumentationen. Dies führt zu Antworten, die realistischer wirken und sich besser an echte menschliche Kommunikation anlehnen. Für Unternehmen, die im Idealfall eine natürliche, emotional nachvollziehbare Reaktion ihrer Zielgruppen simulieren möchten, stellt dies einen enormen Vorteil dar. Natürlich gibt es auch Grenzen und Herausforderungen.
Das Zusammenführen der verschiedenen Perspektiven erfordert sorgfältige Aggregationslogik, damit widersprüchliche Meinungen nicht zu Verwirrung führen. Ebenso muss die Auswahl der Personas oder Expertenprofile wohlüberlegt sein, um verzerrte oder unrepräsentative Ergebnisse zu vermeiden. Zudem sind KI-Modelle stets auf die Datenbasis und Programmierung angewiesen, weshalb die Qualität der Eingangsprompts und die moderation der Ergebnisse entscheidend sind. Trotz dieser Hürden hat die „Wisdom of the Crowd“-Simulation via KI bereits jetzt das Potenzial, viele Branchen zu beeinflussen. Im Marketing erlaubt sie spontane und breitgefächerte Zielgruppenanalysen, die in Echtzeit angepasst werden können.
Im Innovationsmanagement hilft sie, unterschiedliche Nutzerbedürfnisse frühzeitig zu entdecken und in die Produktgestaltung einfließen zu lassen. Selbst in der Bildung oder im Coaching können diverse Sichtweisen neben einer standardisierten Antwort wichtige Impulse für Lernstrategien geben. Die Technologie hinter diesem Ansatz basiert auf der rasanten Entwicklung von großen Sprachmodellen wie GPT-4, die durch ihre Trainingsdaten und Algorithmen in der Lage sind, komplexe menschliche Denkweisen nachzuahmen. Indem man solche Modelle mit speziellen Prompting-Techniken anweist, unterschiedliche Charaktere oder Experten zu verkörpern, entsteht ein digitales Abbild der menschlichen Meinungsvielfalt. Dies öffnet Fenster zu neuen Formen der Meinungsforschung, die bisher nur mit großem Aufwand realisierbar waren.