Die Gammafunktion stellt eine elegante Verallgemeinerung der klassischen Fakultätsfunktion dar, die traditionell nur für natürliche Zahlen definiert ist. Während die Fakultät n! für natürliche Zahlen n den Wert des Produkts aller positiven ganzen Zahlen bis n angibt, ermöglicht die Gammafunktion die Berechnung ähnlicher Werte auch für komplexe Zahlen mit Ausnahme der nicht-positiven ganzen Zahlen. Diese Erweiterung hat weitreichende Bedeutung, nicht nur in der reinen Mathematik, sondern auch in verschiedenen Anwendungsbereichen wie der Physik, Statistik und Informatik. Ursprünglich wurde die Gammafunktion eingeführt, um das Problem zu lösen, wie die Fakultätsfunktion auch für nicht-ganzzahlige Argumente sinnvoll definiert werden kann. Eine der wichtigsten Definitionen ist die Euler-Integral-Darstellung: Für komplexe Zahlen mit positiver Realteil wird die Gammafunktion als uneigentliches Integral Γ(z) = ∫0∞ t^(z-1) e^(-t) dt definiert.
Diese Integralform garantiert eine stetige und analytische Fortsetzung der Fakultätsfunktion und bildete die Grundlage für ihre Weiterentwicklung und Erforschung. Eine herausragende Eigenschaft der Gammafunktion ist ihre Rekursionsbeziehung, die eine Ähnlichkeit mit der Fakultätsfunktion aufweist. So gilt der Zusammenhang Γ(z + 1) = z · Γ(z), was direkt zu der bekannten Gleichung für natürliche Zahlen Γ(n) = (n - 1)! führt. Diese Funktion ist meromorph, das heißt, sie ist auf dem gesamten komplexen Zahlenraum, abgesehen von einzelnen einfachen Polstellen an den nicht-positiven ganzen Zahlen, holomorph. Die Gammafunktion besitzt zudem eine Reihe bedeutsamer Formeln, die ihre Vielseitigkeit unterstreichen.
Die Reflexionsformel, auch Euler'sche Reflexionsformel genannt, verbindet die Werte der Funktion an z und 1 - z miteinander und lautet Γ(1 - z) Γ(z) = π / sin(πz). Diese Beziehung spielt unter anderem eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit der analytischen Fortsetzung und bringt faszinierende Symmetrien zum Vorschein. Daneben existiert die sogenannte Verdopplungsformel von Legendre, die Werte der Funktion an z und z + 1/2 in Beziehung setzt und bei der Berechnung spezieller Werte der Gammafunktion hilft. Aufgrund der engen Verbindung mit der Fakultätsfunktion ist die Gammafunktion nicht nur theoretisch interessant, sondern auch in der Praxis unverzichtbar. In der Stochastik taucht sie beispielsweise in der Definition zahlreicher Wahrscheinlichkeitsverteilungen auf, allen voran in der Gammaverteilung, die diverse Wartezeiten oder Summen exponentiell verteilter Variablen modelliert.
Ebenso erscheinen die Werte der Gammafunktion bei der Berechnung der Volumina von n-dimensionalen Einheitenkugeln und in der Kombinatorik bei Verallgemeinerungen von Binomialkoeffizienten für nicht-ganzzahlige Argumente. Mathematische Physiker begegnen der Gammafunktion häufig in Integraltransformationen und bei der Behandlung spezieller Differentialgleichungen. Ihre Rolle in analytischen Number Theory ist ebenso bedeutend, da sie beim Studium der Riemannsche Zeta-Funktion und ihrer funktionalen Gleichung eine grundlegende Rolle einnimmt. Durch die Kombination mit anderen speziellen Funktionen wie der Beta-Funktion oder den Polygammafunktionen lassen sich komplexe mathematische Sachverhalte anschaulich darstellen und analysieren. Die Geschichte der Gammafunktion reicht zurück ins 18.
Jahrhundert, als Daniel Bernoulli, Leonhard Euler und andere Mathematiker bemüht waren, das Konzept der Fakultät zu erweitern. Euler veröffentlichte die heute zentrale Integraldefinition und erkannte die tiefgreifenden Eigenschaften dieser Funktion. Im 19. Jahrhundert führten Gauss und Weierstraß weitere Produkt- und Reihenentwicklungen ein, welche die Gammafunktion noch umfassender beschrieben. Der Name „Gammafunktion“ stammt von Adrien-Marie Legendre, der das Symbol Γ einführte.
Später wies der Bohr–Mollerup-Satz darauf hin, dass die Gammafunktion die eindeutige log-konvexe Funktion ist, welche diese Erweiterung erfüllt, und gab damit eine starke Charakterisierung dieser Funktion. Für praktische Berechnungen und numerische Anwendungen sind Näherungsverfahren wie die Stirling-Formel und die Lanczos-Approximation besonders wichtig. Stirling's Formel liefert für große Argumente eine asymptotische Darstellung der Gammafunktion, die einfache Abschätzungen und effiziente Berechnungen ermöglicht. Die Lanczos-Approximation verbessert die Genauigkeit und findet breite Verwendung in numerischen Bibliotheken und Programmen. Heutzutage ist die Gammafunktion in allen gängigen Programmiersprachen und Computeralgebrasystemen implementiert, was ihre Anwendung von der Forschung bis hin zur Ingenieurtechnik erleichtert.