Die Welt der digitalen Medien erfährt eine weitere bedeutende Wende im Kampf gegen illegale Sportübertragungen. Frankreichs führender Medienkonzern Canal+ Group hat vor Gericht eine wegweisende Entscheidung erwirkt: Große VPN-Anbieter wie NordVPN, CyberGhost, Surfshark, ExpressVPN und ProtonVPN wurden angeordnet, den Zugriff auf rund 200 pirate Streaming-Domains, die meist illegale Übertragungen von Fußball- und Rugbyspielen anbieten, zu blockieren. Diese Anordnung basiert auf dem Artikel L. 333-10 des französischen Sportgesetzbuchs, der explizit Rechteinhabern erlaubt, Maßnahmen gegen wiederholte und schwerwiegende Verletzungen ihrer Verwertungsrechte zu erwirken. VPN-Dienste galten lange Zeit als eine Art Schutzschild für Nutzer, die ihrer Privatsphäre in einem zunehmend überwachten Internet Raum geben möchten.
Doch die jüngste Entwicklung zeigt deutlich, dass VPN-Anbieter nicht mehr außerhalb jeglicher Verantwortung stehen, wenn es um die Verbreitung illegaler Inhalte geht. Das Urteil des Pariser Gerichts stellt klar, dass VPN-Dienste als technische Intermediäre angesehen werden, welche in der Lage sind, die Nutzung bestimmter Domänen über ihre Infrastruktur zu verhindern. Dadurch rückt die technische Mitverantwortung von VPNs in den Fokus, wenn es um die Bekämpfung von Online-Piraterie geht. Die rechtliche Grundlage für dieses Urteil bildet der Artikel L. 333-10 des französischen Sportgesetzbuchs, der schon seit Längerem recht weit gefasst ist und es Rechteinhabern ermöglicht, nicht nur klassischen Internetanbietern wie ISPs, sondern auch anderen Online-Dienstleistern Maßnahmen zur Blockade illegaler Inhalte aufzuerlegen.
Ursprünglich richteten sich die Maßnahmen gegen lokale Internetanbieter, die nach der Verfolgung von Piratenseiten relativ leicht in die Pflicht genommen werden konnten. Allerdings hat sich die Problematik schnell auf VPN- und DNS-Dienste ausgedehnt, die es Nutzern ermöglichen, Sperren zu umgehen und so illegalen Content weiterhin verfügbar zu machen. Bereits im Jahr 2024 mussten öffentliche DNS-Resolver von Unternehmen wie Cloudflare und Google eine gerichtliche Anordnung akzeptieren, um den Zugang zu bestimmten Piratenseiten in Frankreich zu blockieren. Das Pariser Gericht stufte DNS-Resolver als Intermediäre ein und erkannte sie als Teil der umfassenden Infrastruktur, die zur Bekämpfung von Online-Piraterie herangezogen werden kann. Dieser Präzedenzfall war folglich der Startschuss für die nun verkündete Anordnung gegen die VPN-Anbieter.
Die Reaktion der betroffenen VPN-Firmen ist vielschichtig und spiegelt ihre jeweiligen Geschäftsmodelle und Rechtsauffassungen wider. Während Anbieter wie NordVPN und Surfshark unter der Behauptung antraten, die Antragsteller – also Canal+ und SECP – hätten keine rechtliche Legitimation, um die Klage einzureichen, argumentierten andere VPN-Dienste zusätzlich damit, dass Artikel L. 333-10 nicht auf VPN-Anbieter anwendbar sei und somit die Zuständigkeit des französischen Gerichts für diese Angelegenheit fraglich sei. Zudem wurde ein Zusammenhang mit einer noch ausstehenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Rahmen eines niederländischen Falles beantragt, um eine mögliche Aussetzung des Verfahrens zu erreichen. Das Pariser Gericht wies all diese Einwände zurück und bestätigte, dass die VPN-Anbieter in Frankreich als technische Intermediäre nach geltendem Recht betrachtet werden.
Dies eröffnet Rechteinhabern einen bisher kaum angewandten Weg zur Bekämpfung von Sportpiraterie über virtuelle Privatnetze. Die geforderte Sperrung umfasst nicht nur ganz Frankreich, sondern auch überseeische Gebiete und soll bis zum Ende der aktuellen Premier League-Saison im Mai 2025 Bestand haben. Die Liste der Sperr-Domains umfasst bekannte Marken, die vielfach bereits durch französische Internetanbieter unter Sperrmaßnahmen fallen. Namen wie Footy Bite, Cric HD, Buffstreams, Futbollibre und Rojadirecta sind allenfalls Insidern unbekannt, doch für Fußballfans, die regelmäßig Illegal-Streams nutzen, sind sie eine feste Adresse. Trotz bereits bestehender Blockaden wird die Liste erneut auf die VPN-Infrastrukturen ausgeweitet, um Umgehungen zu verhindern.
Interessant ist dabei ein Hinweis des Gerichts, dass eine zu komplexe oder aufwändige Beweisführung, die jeden einzelnen Zugriff über jede VPN-Verbindung nachweisen sollte, nicht erforderlich ist. Dies bedeutet, dass Rechteinhaber sich auf eine allgemeine und einmal nachweisbare intensive Nutzung der illegalen Streamingseiten stützen können, ohne erforderlichenweise jeden Verstoß individuell zu dokumentieren. Diese erleichterte Beweislast dürfte künftig oftmals den Zugang zu gerichtlichen Sperranordnungen erleichtern. Neben den direkten Folgen für die betroffenen VPN-Unternehmen hat dieses Urteil auch eine Signalwirkung für die internationale Debatte um technische Intermediäre, Verantwortlichkeit im Internet und Datenschutz. VPNs werden häufig als Instrumente für Privatsphäre und digitale Freiheit beworben, doch der rechtliche Rahmen zeigt, dass bei Interesse der Rechteinhaber auch hier eingegriffen werden kann, wenn es um die Verhinderung illegaler Aktivitäten geht.
Die Entscheidung ist zudem ein Zeichen für die strenge Haltung Frankreichs im Kampf gegen digitale Piraterie, eine Haltung, die es in anderen Ländern so noch nicht in vergleichbarer Form gab. Neben den klassischen ISP-Sperren ist mit den DNS-Resolver- und VPN-Sperren ein komplexes Geflecht von Hürden entstanden, die den Zugang zu illegalen Sportinhalten für französische Nutzer deutlich erschweren sollen. Es ist jedoch mit Folgeerscheinungen zu rechnen: Nutzern, die bislang VPN-Dienste zur Umgehung regionaler Sperren eingesetzt haben, werden intermittierende Zugangsbeschränkungen begegnen. VPN-Anbieter ihrerseits müssen erhebliche technische und organisatorische Anpassungen vornehmen, um im französischen Rechtsraum rechtskonform zu agieren, was wiederum Diskussionen über die weltweite Rolle und Funktionsweise von VPNs auslösen könnte. Kritiker weisen darauf hin, dass solche Sperrungen zwar rechtlich zulässig sind, aber auch Probleme mit sich bringen, wie potenzielle Kollateralschäden bei Datenschutz und Meinungsfreiheit oder erhöhte Kosten für Anbieter und Nutzer.
Befürworter wiederum sehen in der Entscheidung einen wichtigen Schritt, um Recht und Ordnung im digitalen Sportfernsehen zu etablieren, wirtschaftliche Schäden zu verhindern und Kreativität sowie Sportveranstaltungen nachhaltig zu schützen. Abschließend lässt sich festhalten, dass die gerichtliche Anordnung gegen führende VPN-Dienste in Frankreich einen Präzedenzfall darstellt, der mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf weitere Rechtsordnungen und die internationale Diskussion über die Grenzen von VPN-Angeboten haben wird. Die Entscheidung illustriert den schmalen Grat zwischen technischem Schutz der Nutzer und der Verantwortung von Dienstleistern für den Missbrauch ihrer Dienste. Der Kampf gegen Sportpiraterie gewinnt damit eine neue Dimension – technologisch, rechtlich und gesellschaftlich.